zum Hauptinhalt
Selbermachen. Ein Objekt zum Anfassen in der Ausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst“ im Filmmuseum Potsdam.

© Andreas Klaer

Kunst des Sehens zum Anfassen: Filmmuseum Potsdam widmet sich den Urahnen des Films

Anhand von 14 Exponaten aus der Sammlung Werner Nekes entfaltet sich ein kleines Panorama optischer Phänomene. Am Freitag wird die Sonderausstellung eröffnet.

Wer denkt, GIFs seien eine Erfindung des 21. Jahrhunderts, der irrt. Zumindest die Macher:innen der neuen Sonderausstellung im Filmmuseum sehen das so. Auch im 19. Jahrhundert gab es schon humoristische Bewegtbilder in Dauerschleife, lernt man in „Ich sehe was, was du nicht siehst“ - nur hießen sie anders. Zoetrop nämlich. Oder auch: Wundertrommel. Und sie waren nicht digital, sondern durch und durch mechanisch: Bilder, in ein Metallrund eingefasst, das man drehte: So wurde im Hirn der Zusehenden aus den Einzelbildern ein kleines Wunder. Ein Film.

Hier soll gespielt werden

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ hat sich der Kunst des Sehens verschrieben. Ab 21. Oktober soll es im Obergeschoss des Filmmuseums um die Urahnen des Films gehen: vierzehn historische Apparate und Objekte, mit denen die Menschen vor einhundert oder zweihundert Jahren die Wirklichkeit zum Schwingen brachten. Durch optische Täuschungen nämlich. Durch Licht, und durch Physik. Die Geräte hießen Laterna Magica, Camera Obscura, Zograskop oder Kaleidoskop. Vor allem im 19. Jahrhundert waren sie bei betuchteren Familien beliebte Spielgeräte.

Auch die Ausstellung im Filmmuseum will vor allem zum Spielen einladen. Wo bis vor Kurzem die Sonderausstellung zum „Sandmännchen“ zu sehen war, stehen jetzt zwischen dunkelblauen Wänden luftig Aufsteller aus Pappe. Dazwischen keine Vitrinen, sondern kleine Tische mit knappen Spielanleitungen. Man soll anfassen, ausprobieren, selber machen. Hier kann man ein nachgebautes Zeotrop austesten oder Anamorphosen bestaunen - verzerrte Darstellungen, die erst mithilfe eines geometrischen Spiegelkörpers erkennbar werden.

Womit schon da Vinci experimentierte

Optische Täuschungen amüsieren die Menschen seit Hunderten von Jahren. Leonardi da Vinci soll sich als Erster mit Anamorphosen befasst haben: eine wolkenähnliche Zeichnung, die sich bei genauerer Betrachtung als Kinderkopf erweist. Im Filmmuseum erkennt man auf dem Papier eine zerdehnte Masse aus Rot und Braun: Erst im spiegelnden Zylinder wird daraus ein massiger Mann, der seinen Wanst im Karren vor sich herschiebt. „Unser Dicker“, sagt Guido Altendorf, der die Schau gemeinsam mit Henrike Okrent kuratiert hat. Sie haben ihn zum Maskottchen auserkoren.

Anamorphosen waren im 18. Jahrhundert weit verbreitet, vor allem schlüpfrige Darstellungen überaus beliebt: So konnten erotische Bilder kodiert gezeigt werden. Das im Filmmuseum Gezeigte ist jedoch durchweg jugendfrei. Die Ausstellung ist dezidiert für Familien gedacht, „für alle, die Lust am Entdecken haben“, wie Okrent sagt. Filmmuseumschefin Christine Handke zufolge kommt das Haus mit der Schau auch seiner Aufgabe als „zentralem Ort für Filmvermittlung im Land Brandenburg“ nach: Hier sollen Menschen allen Alters für das Medium Film sensibilisiert und über dessen skurrilen, phantasievollen Vorvorgänger dafür begeistert werden.

Im hinteren Teil der Schau sind dann doch noch Vitrinen zu finden: Jene vierzehn Originalobjekte aus der Sammlung des 2017 verstorbenen Experimentalfilmers Werner Nekes, die den Ausgangspunkt für diese Ausstellung bilden. Das Filmmuseum Potsdam hatte die Sammlung 2020 gemeinsam mit der theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität Köln und dem Deutschen Filminstitut und Filmmuseum Frankfurt am Main erworben.

Insgesamt 25.000 Objekte umfasst sie. Die Potsdamer Ausstellung ist nur als Appetitmacher zu verstehen. Für 2025 ist mit den anderen Partnern eine große, gemeinsame Schau geplant. Die jetzt hier gezeigten Objekte sollen auch nach Ende der Schau im April 2023 in Potsdam bleiben: Sie werden künftig dann im neuen Schaudepot der Filmuni in Babelsberg zu sehen sein.

Eröffnung am 21.10. um 19 Uhr im Filmmuseum. Bis 16.4.2023. Umfangreiches Begleitprogramm für Kinder, Details dazu hier

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false