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Gemeinsam planen. Künftige Bewohner vor dem Hauptgebäude.

© Mirko Kubein

Altes Schaltgerätewerk in Werder: Wohnen in der Werkshalle

In Werder auf dem Gelände des Schaltgerätewerks entstehen 60 Quartiere. Die ersten Familien sind schon eingezogen. Doch das ist erst der Anfang.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Einst kreischten Metallsägen auf der 17 Hektar großen Fläche, jetzt ist dort das Lachen von Kindern zu hören. Sie wohnen mit ihren Eltern in den denkmalgeschützten Hallen. Das Gelände des ehemaligen Schaltgerätewerks in Werder wird wiederbelebt. Die Familien sind sozusagen die Vorboten des genossenschaftlichen Wohnprojekts „Hain 24 eG“.

Als vor zwei Jahren klar wurde, dass das Schaltgerätewerk ins Fercher Gewerbegebiet zieht, hatten die Initiatoren begonnen, mit dem Besitzer über das direkt an der Havel gelegene Grundstück zu verhandeln. „Es ist einfach ideal für uns“, sagt Wenke Wegner. „Groß genug, direkt am Wasser und zum Bahnhof ist es nur ein kurzer Fußweg.“ Die 36-Jährige ist Vorstandsmitglied der Genossenschaft und wohnt mit ihrem Mann und drei Kindern in ehemaligen Büroräumen in einem der beiden Seitenflügel des Klinkerbaus.

Eigentlich als Saftfabrik errichtet

Noch wohnt neben Wegners Familie nur eine weitere auf dem Areal. Später sollen dort 90 Erwachsene und mehr als 50 Kinder leben, 60 Wohnungen werden im Hauptkomplex sowie in einer sanierten Betriebshalle und zwei Neubauten entstehen. Auch Gewerberäume sind geplant, dort wollen unter anderem eine Hebamme, eine Heilpraktikerin und ein Sprachtherapeutenpaar arbeiten.

Die Sanierung der Hauptgebäude – errichtet Ende des 19. Jahrhunderts als Saftfabrik – soll Wegner zufolge im April beginnen, noch vor dem Schuljahresbeginn im Sommer sollen viele der neuen Bewohner einziehen. Die beiden Neubauten sollen auf den Fundamenten bisheriger Fabrikhallen entstehen, die abgerissen werden. Der Bauantrag dafür wurde vor wenigen Tagen eingereicht, die Häuser sollen im Herbst kommenden Jahres fertig sein.

Wohnen in der Gemeinschaft steht hoch im Kurs

Das Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen ist laut Wenke Wegner groß, die Genossenschaft habe bereits 76 Mitglieder, darunter viele Familien. „Jetzt suchen wir hauptsächlich noch Senioren, damit der Altersdurchschnitt ausgewogen ist.“ Die erste Bewohnergeneration habe Glück, die Wohnungen werden genau nach ihren Wünschen geschnitten. Von kleinen Wohnungen für Singles bis hin zu 230 Quadratmetern für Familien-WGs sei alles machbar. „Wer zu uns kommt, entscheidet sich meist bewusst gegen Eigentum und für das Leben in der Gemeinschaft“, so Wenke Wegner.

Allerdings ist auch das Gemeinschaftsleben nicht billig: Pro Quadratmeter Mietfläche müssen die Mitglieder 550 Euro an die Genossenschaft zahlen, das entspricht einem Viertel des üblichen Baupreises für Einfamilienhäuser. Dazu kommt eine monatliche Warmmiete von 10,50 Euro pro Quadratmeter. Bei einer Gesamtinvestitionssumme von 10,5 Millionen Euro für Grundstück und Umbauten ist dieser Preis Wegner zufolge jedoch nötig. „Unsere ,Arbeitsgruppe Soziales’ sucht derzeit nach Möglichkeiten, Menschen beim Aufbringen des Genossenschaftsanteils zu unterstützen.“

Lange Suche nach perfektem Grundstück

Soziales Engagement gebe es nicht nur in den Arbeitsgruppen. So treffen sich die Mitglieder Wegner zufolge regelmäßig, um beim Abriss der alten Fabrikhallen zu helfen. Dazu gab es allein im vergangenen Jahr zwölf Wochenendworkshops, in denen Fragen zur Planung geklärt wurden.

Angestoßen wurde das Projekt bereits vor drei Jahren von einem Berliner Architekturbüro, das Genossenschaften unterstützt und Mitglieder suchte. Zuerst sollte die Genossenschaft ein Grundstück in der Potsdamer Heinrich-Mann-Allee 24 beziehen, daher der Name Hain 24. Dort konnten die Vorstellungen jedoch nicht umgesetzt werden. Nach langem Suchen fanden die Architekten dann das Grundstück in Werder. Dass dort bis zum Baubeginn zwei Jahre vergingen, liegt unter anderem daran, dass unter einer Halle direkt am Wasser Altlasten waren, die der frühere Eigentümer noch beseitigen musste.

Auf dem einst belasteten Boden soll eine Obstwiese für die Gemeinschaft entstehen. „Bis auf kleine Terrassen wollen wir das ganze Grundstück gemeinschaftlich nutzen“, sagt Wenke Wegner. Auch ein Café direkt am Wasser ist geplant, das neben den Bewohnern auch für Gäste offen ist. Der Kontakt zu Werderanern sei den Genossenschaftlern wichtig. „Wir wollen uns nicht abschotten, unser Hoftor soll immer offen sein“, so Wenke Wegner.

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