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Nicht auszuhalten. Die Abwehr um Filip Uremovic (links) und Marc Kempf leistete sich in Leverkusen einige Aussetzer zu viel.

© IMAGO/RHR-Foto

Cool bleiben und Spaß haben: Hertha BSC und die Zumutungen des Abstiegskampfs

Es bleibt spannend im Tabellenkeller. Hertha BSC auf Platz 14 liegt nur einen Punkt vor dem Tabellenletzten Bochum. Für den Klassenerhalt sind besondere Qualitäten gefragt.

Die moderne Technik ist nicht nur ein Segen, weil sie uns das tägliche Leben erleichtert. Manchmal ist sie auch Fluch. Sandro Schwarz zum Beispiel, dem Trainer von Hertha BSC, ist am Sonntagnachmittag durch die technischen Möglichkeiten auf unbarmherzige Art vor Augen geführt worden, was seine Mannschaft beim Auswärtsspiel alles falsch gemacht hatte. Es war kaum auszuhalten.

Wie das Tor zum 1:4-Endstand gegen seine Mannschaft hatte fallen können, das hatte Schwarz in Realgeschwindigkeit gar nicht richtig mitbekommen. Um ihn herum war es etwas trubelig zugegangen, aber weil jede gute Trainerbank bei einem Fußballspiel inzwischen mit einem Laptop ausgestattet ist, bekam Herthas Chefcoach die entscheidende Szene mit minimaler Verzögerung auch auf dem Bildschirm zu sehen. Schwarz schaute sie sich interessiert an und schlug anschließend die Hände über dem Kopf zusammen.

Mit einem einfachen Pass in die Spitze war Herthas komplette Defensive ausgehebelt worden, weil sich gleich zwei Berliner Innenverteidiger auf den ballführenden Gegner gestürzt hatten und sich hinter ihnen ein Raum öffnete, der – grob geschätzt – so groß war wie das Saarland.

„Genau das waren die Momente gestern“, sagte Schwarz am Morgen danach. „Wir hatten keine gute Abstimmung. Es geht nicht darum, dass du jeden Zweikampf gewinnst. Aber wenn du den Zweikampf verlierst, muss der nächste da sein, der die Tiefe aufnimmt.“

Solche und ähnliche Aussetzer waren von Hertha in Leverkusen zuhauf zu sehen gewesen. Die Mängelliste fiel erschreckend lang aus: „Viele einfache Ballverluste, einige Stellungsfehler, wenig Zugriff, wenig Intensität, wenig Zutrauen“, nannte Trainer Schwarz. „Es war ein gebrauchter Tag.“

Entsprechend ausgiebig fiel am nächsten Morgen die Videoanalyse aus. Dreißig Minuten später als geplant erschienen die Reservisten auf dem Trainingsplatz, darunter auch Wilfried Kanga, der nach seiner Zehenverletzung erstmals wieder das komplette Programm mit der Mannschaft absolvierte.

Es geht um was. Das ist doch was Geiles.

Sandro Schwarz, Trainer von Hertha BSC

„Es gab einiges zu besprechen“, sagte Schwarz. Das kaum zu ertragende Tor zum 1:4 wirkte dabei wie eine Kurzzusammenfassung der aktuellen Situation. Hertha, obwohl klar unterlegen, hatte gerade erst durch einen Foulelfmeter auf 1:3 verkürzt. Vielleicht würde das Momentum sich ja doch noch auf die Seite der Gäste schlagen. Schwarz stellte sein System auf 3-4-3 um, brachte mit Jessic Ngankam einen neuen, hoch motivierten Stürmer. Doch kaum war er auf dem Platz, stellte Leverkusen den alten Drei-Tore-Vorsprung wieder her.

So ähnlich geht es Hertha auch im Abstiegskampf. Wenn sich die Lage ein wenig entspannt hat wie zuletzt nach den Siegen gegen Gladbach und Augsburg, wenn Hertha im Begriff ist, zum entscheidenden Sprung aus der Abstiegszone anzusetzen, dann, ja dann, steht eben wieder ein Auswärtsspiel an. Und das bedeutet nichts Gutes: Das 1:4 in Leverkusen war Herthas siebte Niederlage auf fremden Platz nacheinander.

Die Konkurrenz hat ähnliche Probleme

Dass bei einer solchen Bilanz schnell die Grundsatzfrage gestellt und ein generelles Muster gesucht wird, „das ist völlig normal“, findet Schwarz, obwohl er deutliche Unterschiede erkannt hatte zwischen dem 1:4 in Leverkusen und dem 1:4 in Dortmund nur zwei Wochen zuvor. „Du hast in Dortmund ein viel strafferes Spiel abgeliefert, hast geradlinig und zielstrebig nach vorne gespielt“, sagte er.

Die Probleme in fremden Stadien sind zudem kein exklusives Problem der Berliner. Schalke hat am vergangenen Samstag zum ersten Mal nach 38 vergeblichen Versuchen wieder ein Auswärtsspiel in der Bundesliga gewonnen. Stuttgart kommt wie Hertha auf vier Punkte auf fremden Plätzen, der neue Tabellenletzte Bochum sogar nur auf drei.

Die Teams im Keller der Tabelle stehen nun mal im Keller der Tabelle, weil es ihnen an Konstanz mangelt; weil ein Sieg nicht zwingend heißt, dass es nun immer so weiter und linear nach oben geht. Im Gegenteil. Schwankungen sind systemimmanent. Man kann darauf hoffen, sich mit einer Siegesserie aus dem Schlamassel zu befreien. Man kann aber auch der Realität ins Auge blicken.

Und die Realität heißt, „dass fünf Mannschaften um den Klassenerhalt kämpfen“, wie Trainer Schwarz sagt. „Wir sind eine davon.“ Nur ein Punkt trennt den Vierzehnten Hertha vom Letzten Bochum. Angesicht dieser Konstellation gelte es, sachlich und cool zu bleiben, zu analysieren, was es zu verbessern gebe – und trotzdem mit Emotionalität und Freude in die nächsten Spiele zu gehen. „Wir müssen auch für uns den Spaß entwickeln: Es geht um was“, sagt Schwarz. „Das ist doch was Geiles.“

Zumal auf die Auswärtsniederlage nun wieder ein Heimspiel folgt, am Samstag gegen Mainz 05. „Da freuen wir uns drauf“, sagt Sandro Schwarz. „Und dann, da bin ich mir sicher, werden wir vor dem Hoffenheim-Spiel wieder das Auswärtsthema besprechen.“

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