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Der Anführer. Fabian Reese (l.) hat großen Spaß an seiner Rolle.

© Ottmar Winter/Ottmar Winter

Herthas Fabian Reese überragt gegen den HSV: „Der beste Spieler der Zweiten Liga“

Zwei Tore, ein Assist, dazu der entscheidende Treffer im Elfmeterschießen: Dank Antreiber Fabian Reese erreicht Hertha BSC das Viertelfinale im DFB-Pokal.

Influencer sind laut Wikipedia „Multiplikatoren, die ihre starke Präsenz und ihr Ansehen in sozialen Netzwerken nutzen, um beispielsweise Produkte oder Lebensstile zu bewerben“. Nader El-Jindaoui hat es in dieser Disziplin zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Obwohl er als Fußballer bisher nur für die zweite Mannschaft von Hertha BSC in der viertklassigen Regionalliga gespielt hat, folgen ihm allein auf Instagram zwei Millionen Menschen.

„Manche sagen, ich bin Influencer“, hat El-Jindaoui selbst am späten Mittwochabend gesagt – wenige Minuten, nachdem er im fortgeschrittenen Alter von 27 Jahren doch noch als Profi debütiert hatte und mit Hertha ins Viertelfinale des DFB-Pokals eingezogen war. „Ich bin Fußballer. Wenn du mich googelst, steht da Fußballer.“

Bei Fabian Reese, 26 Jahre alt, steht ebenfalls Fußballer. Aber am Mittwochabend hätte zweifellos auch Influencer gepasst. Vor allem Reeses segensreichem Einfluss war es zu verdanken, dass Hertha im Duell mit dem Hamburger SV am Ende als Sieger vom Platz gegangen war.

Wer auch immer von Hertha später in der sogenannten Mixed-Zone vernommen wurde, musste die Frage beantworten, ob er denn wirklich bis zum Schluss ans Weiterkommen geglaubt hatte. Bei Fabian Reese erübrigte sich diese Frage. Es hatten ja alle gesehen. „Heute wurde eindruckvoll bewiesen: Egal, wie klein die Chance auch sein mag, man kann es schaffen, wenn man daran glaubt und dafür arbeitet“, sagte er.

Reese hatte vor der Pause das 1:0 für die Berliner erzielt. Er hatte – wenige Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit – das 2:2 erzielt. Er hatte – wieder nur wenige Sekunden vor dem Ende der Verlängerung – das 3:3 durch Jonjoe Kenny vorbereitet. Und im Elfmeterschießen verwandelte er, wenn auch mit leicht zittrigem Fuß, den entscheidenden Elfmeter zum 5:3.

So verließ Herthas Offensivspieler das Olympiastadion am Nikolausabend schwer bepackt. Beim Interviewmarathon nach dem Achtelfinale trug er in der einen Hand den Spielball als Trophäe für seine drei Tore (inklusive des Treffers im Elfmeterschießen), in der anderen die Auszeichnung für den „Man of the Match“.

Es war eines meiner, wenn nicht das besonderste Spiel, das ich bisher miterleben durfte. Davon werde ich eines Tages noch meinen Kindern erzählen. Gigantischer Abend.

Fabian Reese nach dem Sieg im Pokal-Achtelfinale

Tatsächlich war es unmöglich, nicht beeindruckt zu sein von Reeses Leistung. „Was er gefightet hat, war phänomenal“, sagte Trainer Pal Dardai. Reese kam am Ende sowohl auf die meisten Torschüsse als auch auf die meisten Torschussvorlagen. Das Einzige, was man ihm vorwerfen konnte: Er kam einfach nicht schnell genug in den Strafraum des HSV, um auch noch seine eigenen Vorlagen zu verwerten.

Wobei: Vor dem 1:0 schaffte Reese selbst das. Nachdem er den Ball zunächst an den Innenpfosten gesetzt hatte, traf er mit dem Nachschuss ins Tor. „Es war eines meiner, wenn nicht das besonderste Spiel, das ich bisher miterleben durfte“, sagte Reese. „Davon werde ich eines Tages noch meinen Kindern erzählen. Gigantischer Abend.

Angesichts der Ereignisse wirkte es fast ein bisschen verzweifelt, wie Herthas sportlich Verantwortliche im Nachgang versuchten, dass Scheinwerferlicht auf Reese ein wenig herunterzudimmen. „Alle seine Läufe in die Tiefe, die Flanken, die Tore, der letzte Elfer: Natürlich hat Fabi ein außergewöhnlich gutes Spiel gemacht, aber ich will keinen herausheben“, sagte Sportdirektor Benjamin Weber. „Die Mannschaft war Man of the Match.“

Bei Trainer Dardai klang es ähnlich: „Heute könnte man sagen, das ist die Fabian-Show. Aber das war es nicht. Die Mannschaft hat sehr viel investiert, hat ihm sehr viele, sehr gute Bälle gegeben.“

Verliebt in den Ball. Fabian Reese ist im Dribbling nur schwer zu stoppen.

© imago/Beautiful Sports/Luciano Lima

Reese liebt das Rampenlicht, er liebt die Show, trotzdem scheinen seine Kollegen nicht das Gefühl zu haben, von ihm an den Rand gedrängt zu werden. „Wir können ihn immer einsetzen, seine Wucht, seine Schnelligkeit“, sagte Kapitän Toni Leistner. „Wir sind froh, dass wir ihn im Team haben.“

Die Basis von allem ist die sportliche Performance, die Reese seit seinem ersten Tag bei Hertha auf den Platz bringt. Und die er auch gegen den HSV auf den Platz brachte. Unermüdlich bis zur letzten Sekunde.

„Wenn man elektrisiert ist von den Rängen, von guten Aktionen, von Toren, dann kriegt man sicherlich eine Zusatzluft“, sagte Reese. Aber er investiere auch viel in seinen Körper, versuche, alles dem Fußball unterzuordnen, um „genau in solchen Spielen zu zeigen, dass der bessere Athlet bei gleichen fußballerischen Qualitäten den Zweikampf gewinnt. Ich bin überzeugt, dass das der Schlüssel ist für langfristigen Erfolg.“

Dass diese Arbeit Reese eher kurz- oder mittelfristig in die Bundesliga führen soll und wird, das steht längst außer Frage. Dass er die Qualität dazu hat, ebenfalls. Die Steigerung von Wahnsinn? „Fabi Reese“, antwortete Kapitän Leistner. „Das ist, glaube ich, der beste Spieler in der Zweiten Liga.“

Für die Defensivspieler in der Zweiten Liga ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, sich im Eins-gegen-eins gegen Fabian Reese zu behaupten. Im Defensivverhalten aber könne und müsse er sich noch verbessern, findet sein Trainer: cleverer stehen, nicht spekulieren. Er werde das so lange mit Reese üben, kündigte Pal Dardai an, „bis er Nationalspieler wird zum Schluss“.

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