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Ticketverkäufe in Rekordhöhen. Die Fans feuern ihre „Matildas“ im Stadion an.

© IMAGO/AAP/IMAGO/JOEL CARRETT

WM-Euphorie dank der „Matildas“: In Australien blüht der Fußball auf

Mit großen Emotionen feierte die Nationalelf Australiens bereits den Einzug in das Achtelfinale. Der sportliche Erfolg löst dabei zunehmend einen Fußball-Rausch aus.

Während die deutsche Frauen-Nationalmannschaft das Turnier bereits nach der Vorrunde verlassen muss, lobt der australische Fußballverband, die WM sei „die erfolgreichste in der Geschichte“. Tatsächlich hat das Interesse am bisherigen Stiefkind Fußball deutlich zugenommen. Besonders die Fernsehübertragung feiert hohe Einschaltquoten. So haben in Australien bisher 9,4 Millionen Menschen die Berichterstattung und Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft auf dem Privatsenders Seven gesehen.

Und auch die Ticketverkäufe liegen auf Rekordkurs. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Co-Gastgeber Neuseeland läuft der Verkauf dort inzwischen ebenfalls rund: Mehr als 1,7 Millionen Eintrittskarten wurden verkauft, die Stadien sind gut besetzt. In Australien waren bisher durchschnittlich 30.000 Fans pro Spiel live mit dabei.

Ein Meilenstein für den australischen Fußball, der eher das Stiefkind unter den Sportarten war. Bisher schlugen die Herzen der Fans fast ausschließlich für Rugby, Australian Rules Football (AFL) und Cricket.

Es herrscht ein echtes Gefühl des Nationalstolzes.

Rebecca Wilcox über die Stimmung in Australien

Die Kehrtwende verdanke der Fußball rein den „Matildas“, sagte James Johnson, Geschäftsführer vom Fußballverband Football Australia. „Matildas“ ist der Name des australischen Nationalteams. Er betont: „Ihr unerschütterlicher Geist und ihre Widerstandsfähigkeit stehen im Einklang mit den Werten unserer Nation.“

Dem Team gelang es nach einer Niederlage gegen Nigeria, das Blatt doch noch einmal zu wenden: Sie schlugen mit Kanada einen der Mit-Favoriten des Turniers und zogen ins Achtelfinale ein. „Zu sehen, dass Australien vereint hinter diesem Team steht, war inspirierend“, betont Johnson.

Für die „Matildas“ ist der derzeitige Erfolg nicht selbstverständlich. Australien qualifizierte sich für die erste richtige Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 1991 nicht einmal. Vier Jahre später verlor das Team bei seinem Turnierdebüt außerdem alle drei Vorrundenspiele. 2007 gelang ihnen schließlich der erste Sieg – damals gegen Ghana – und somit der Einzug in die K.o.-Phase.

„Ich erinnere mich, dass ich so stolz darauf war, mit der Nationalmannschaft Geschichte zu schreiben“, schrieb Joey Peters, eine der damaligen Fußballerinnen in einem Meinungsstück für die australische Ausgabe des „Guardian“.

Derzeit sei es „erstaunlich“, wie ein einziges Spiel – der Sieg über Kanada – die Nation verändern könne. Die Spielerinnen hätten zuvor gesagt, dass sie „ein Vermächtnis hinterlassen“ wollten, und genau das geschehe.

Hommage an Frauen im Sport

„Es herrscht ein echtes Gefühl des Nationalstolzes“, ergänzt Rebecca Wilcox, eine junge Studentin aus Sydney, die bisher kein Fußballfan war, das Turnier nun aber mit Begeisterung verfolgt. Das Volk würde vereint hinter den „Matildas“ stehen. Dies sei auch deswegen etwas Besonderes, da es „eine Hommage an Frauen im Sport“ sei, meinte die 19-Jährige.

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Es ist aber nicht nur der Erfolg der „Matildas“, der die Leidenschaft für den Fußball in den Australiern geweckt hat. Es ist auch die Dramatik des Turniers: „Was zum Teufel ist gerade passiert?“, schrieb ein Fußballfan beispielsweise in einer Facebook-Gruppe zum Turnier.

Die Weltmeisterschaft würde „Schocks und Überraschungen“ zugleich servieren. „Deutschland und Brasilien – zwei der größten Teams im Frauenfußball – in der Gruppenphase ausgeschieden.“ Optus Sport, ein Telekommunikationsanbieter, über den die Spiele im Gastgeberland Australien übertragen werden, postete die Euphorie des marokkanischen Teams neben den Tränen des deutschen Teams.

Auch die deutschen Fans konnten nach dem Spiel ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Dass wir unsere DFB-Frauen jetzt nicht gegen Frankreich oder Jamaika unterstützen können, ist unfassbar“, sagte Oliver Kerbler, ein deutscher Auswanderer aus Melbourne, der seit 20 Jahren kaum ein WM- oder EM-Spiel verpasst hat. Leider werde es „nichts mit einem australischen Wintermärchen“.

Kein australisches Wintermärchen für das deutsche Team

Stefanie Kerr von der Deutschen Schule in Melbourne berichtete, dass auch bei ihnen in der Schule, wo rund 100 Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Eltern und Lehrern das Spiel Deutschland gegen Südkorea in der Aula angeschaut hätten, Tränen geflossen seien.

Doch ihre erste Reaktion sei gewesen: „Zum Glück haben wir ja noch die ‚Matildas‘!“ Das sei der Vorteil, wenn man sich in zwei Kulturen zu Hause fühle: „Es gibt noch ein zweites Team, das man leidenschaftlich anfeuern kann.“

Australien trifft am Montag nun im Achtelfinale auf Dänemark, ein Spiel, das voraussichtlich weitere 75.000 Fans ins Stadion in Sydney und Millionen vor die Fernseher locken wird.

Zumindest das Herz einer Australierin wird dann vermutlich für beide Teams schlagen: Denn Mary, die Kronprinzessin von Dänemark, stammt ursprünglich aus Australien. Ihren heutigen Mann Prinz Frederik lernte die 50-Jährige einst während den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000 kennen.

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