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Toni Leistner weiß, wo’s langgeht. Wegen einer Nasen-OP trägt er eine Schutzbrille.

© dpa/Sebastian Gollnow

Jedes Spiel wie ein Derby: Toni Leistner hat sich bei Hertha BSC viel Respekt verschafft

Obwohl erst seit dem Sommer in Berlin, übernimmt Toni Leistner bei Hertha BSC eine Führungsrolle. Die anfänglichen Vorbehalte sind längst verflogen.

Toni Leistner ist in Dresden geboren, rund sechs Wochen, bevor die DDR aufhörte zu existieren. Eigene Erinnerungen an die DDR-Oberliga und die historische Rivalität zwischen Dynamo Dresden und dem 1. FC Magdeburg hat er logischerweise nicht. Und trotzdem ist ihm der besondere Reiz dieser Begegnung natürlich nicht verborgen geblieben.

An diesem Samstag (13 Uhr, live bei Sky) gastiert Leistner mit seinem aktuellen Verein Hertha BSC in der Zweiten Liga bei den Magdeburgern. Ob das für ihn als Dresdner eine besondere Begegnung sei, ist Leistner zuletzt gefragt worden. „Schon, ja“, antwortete er. „Da ist schon einiges passiert, an das ich mich noch erinnere.“

An Motivation dürfte es Toni Leistner an diesem Samstag also nicht mangeln. Aber daran fehlt es ihm sowieso nicht, egal wie der Gegner heißt. Der Innenverteidiger verfügt über die Gabe, jedes Spiel wie ein Derby anzugehen. Auch deshalb hat er sich bei Hertha BSC in nur wenigen Wochen ein Standing erarbeitet, mit dem er deutlich aus seiner neuen Mannschaft heraussticht.

Erst im Sommer ist Leistner nach Berlin gekommen, nachdem sein Vertrag beim belgischen Erstligisten St. Truiden ausgelaufen war. Die Begeisterung im Publikum hielt sich in Grenzen – um es vorsichtig auszudrücken.

Die einen fragten sich, ob ein 33-Jähriger tatsächlich eine Verstärkung für das Team sein würde; die anderen, vornehmlich Vertreter aus Herthas Ultraszene, zürnten, weil sie dem Neuen vor allem seine Zeit beim verhassten Lokalrivalen 1. FC Union verübelten.

Leistner hat dem „Kicker“ zuletzt erzählt, dass er die Anfrage von Hertha zunächst für einen Scherz gehalten habe. Die Ultras dagegen hielten seine Verpflichtung für einen eher schlechten Scherz. An einem von Leistners ersten Arbeitstagen bei Hertha hing an der Auffahrt zur Geschäftsstelle ein Transparent mit der unmissverständlichen Botschaft: „Leistner, verpiss dich aus unserem Verein!“

Aber Toni Leistner ist immer noch da – und inzwischen sogar zum Kapitän von Hertha BSC ernannt worden. „Ich bin extrem stolz“, sagte er über seine Beförderung, von der er aus dem Fernsehen erfuhr, als er sich zwei Tage vor dem Spiel gegen Greuther Fürth die Pressekonferenz von Trainer Pal Dardai anschaute. Entgegen seiner sonstigen Angewohnheit hatte der Ungar die Entscheidung, wer Nachfolger von Marco Richter wird, schon öffentlich verkündet, bevor er den Betroffenen selbst informiert hatte.

Zwei Tage später, bei seiner Premiere als Kapitän gegen Fürth, wurde Leistner von den Fans besonders frenetisch gefeiert. Möglich, dass es bei der Mannschaftsaufstellung auch vereinzelte Pfiffe gab. Doch wenn, dann sind sie im lauten Applaus untergegangen.

Erfahrung, Robustheit, Kopfballstärke

„Entscheidend ist, was auf dem grünen Rasen passiert“, sagte Leistner über die Reaktion des Publikums. „Da versuche ich immer mein Bestes zu geben und mein Herz auf dem Platz zu lassen. Das wird anscheinend honoriert.“

Leistner bringt als Innenverteidiger die Qualitäten ein, die Hertha nach dem Abstieg aus der Bundesliga ganz bewusst für die Abwehr gesucht hat: Erfahrung, Robustheit, Kopfballstärke. In jedem der bisherigen fünf Pflichtspiele stand der Neuzugang in der Startelf, und meistens war er eine der positiv auffälligen Erscheinungen im Team. Mit seinen ersten Auftritten für Hertha hat sich Leistner jedenfalls schon viel Respekt verschafft.

So furchtlos er auf dem Fußballplatz auftritt, so unerschrocken begegnet er den Vorbehalten von Herthas Fans. „Ich bin hier angekommen mit einem dicken Fell“, sagte Leistner. Inzwischen habe es mehrere Aussprachen mit Vertretern der Fanszene gegeben, in denen aus seiner Sicht einige grundlegende Dinge ausgeräumt werden konnten.

Trotzdem hat sich Toni Leistner am vergangenen Wochenende bewusst ein wenig zurückgenommen. Als sich die Mannschaft nach dem 5:0-Erfolg gegen Fürth in die Kurve zu ihren Fans begab, ließ er seinen Kollegen lieber den Vortritt und hielt sich selbst eher im Hintergrund auf. „Da bin ich immer noch ein bisschen zurückhaltender, weil ich nicht weiß, wie die Reaktionen sind“, sagte er. Vermutlich ist die Vorsicht inzwischen unbegründet.

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