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„Wir kennen und gut, schätzen uns“, sagt Bo Svensson (l.), der Trainer von Mainz 05, über Sandro Schwarz.

© IMAGO/Jan Huebner

Warum Mainz 05 Vorbild für Hertha BSC sein kann: So geht Abstiegskampf heute

Während Hertha BSC mitten im Abstiegskampf steckt, hat sich der kommende Gegner der größten Sorgen bereits entledigt. Die Mainzer wissen, wie es geht.

Als der Abstieg des FC Schalke 04 aus der Fußball-Bundesliga im April 2021 nach einer Niederlage in Bielefeld endgültig besiegelt war, da war das Erstaunen darüber nicht allzu groß. Im Gegenteil. Der Abstieg hatte sich lange angekündigt. Bereits nach der Hinrunde, als Schalke mit gerade sieben Punkten den letzten Tabellenplatz belegte, war die Lage des Klubs als aussichtslos erachtet worden.

Das stimmt wohl. Und auch wieder nicht. Denn nur einen Platz vor den Schalkern lag damals der FSV Mainz 05 – mit exakt derselben Punktzahl und einer nur um neun Treffer besseren Tordifferenz. Doch während Schalke unaufhaltsam der Zweiten Liga entgegentaumelte, holten die Mainzer in der Rückserie 32 Punkte, mehr als die Europapokalteilnehmer Leipzig, Leverkusen, Hoffenheim und Mönchengladbach. Am Ende landeten sie auf Platz zwölf und blieben erstklassig.

„Das ist das, was Mainz schon oft ausgezeichnet hat: in bestimmten Phasen und Situationen die Ruhe zu behalten und auf die Inhalte fokussiert zu sein“, sagt Sandro Schwarz, Trainer von Hertha BSC und gebürtiger Mainzer. „Das haben sie in dieser Situation herausragend gemacht.“

Mainz bleibt eben Mainz. Wobei Mainz vor zwei Jahren streng genommen erst wieder Mainz werden musste. Die wundersame Wende in der Saison 2020/21 wäre ohne die personellen Veränderungen in der sportlichen Führung kaum möglich gewesen. Im Winter kehrte der frühere 05-Manager Christian Heidel als Sportvorstand zurück. Der ehemalige Trainer Martin Schmidt wurde Sportdirektor und der frühere Spieler Bo Svensson Trainer.

Sandro Schwarz, der an diesem Samstag mit Hertha BSC die Mainzer empfängt (15.30 Uhr, live bei Sky), ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Heidel, Schmidt und Svensson. Neun Jahre hat er für den FSV gespielt, von der B-Jugend an, sechs Jahre war er Trainer, im Nachwuchs, bei der U 23 und schließlich auch bei den Profis.

In dieser Zeit hat Schwarz erlebt, wie aus einem scheinbar ewigen Zweitligisten ein etabliertes Mitglied der Bundesliga geworden ist. „Es war eine sehr prägende Zeit“, hat er vor dem Hinspiel in Mainz gesagt. „Die Art und Weise, wie dort gearbeitet wurde, die nimmt man mit.“

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Punkt trennt Hertha nach 23 Spieltagen als 14. vom Tabellenletzten Bochum.

Dazu zählt auch die Art und Weise, wie der Klub dem Abstieg immer wieder erfolgreich getrotzt hat. Seit dem (zweiten) Aufstieg 2009 sind die Mainzer ununterbrochen erstklassig. Nur die Konzernklubs Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim sowie Bayern, Dortmund und Gladbach spielen noch länger am Stück in der Bundesliga.

Dabei wird Mainz 05 Jahr für Jahr zu den potenziellen Absteigern gezählt, auch vor dieser Saison wieder. Doch während Hertha nach 23 Spieltagen einen Punkt Vorsprung auf den Tabellenletzten Bochum hat und um die weitere Zugehörigkeit zur Bundesliga bangen muss, werden Bo Svensson in Mainz nach zuletzt vier Siegen nacheinander inzwischen Fragen nach dem Europapokal gestellt.

So eng war es noch nie im Tabellenkeller

Die Vorzeichen sind andere als im Hinspiel, als Hertha das bessere Team war, lange 1:0 führte und durch den Ausgleich in der Nachspielzeit doch noch zwei Punkte einbüßte. Trotzdem sagt Trainer Svensson vor dem Duell in Berlin: „Wir sind nicht so naiv und denken: Das wird eine einfache Aufgabe. Im Gegenteil. Das wird schwer.“

Sandro Schwarz sieht es ähnlich, nur umgekehrt. Mainz habe eine Mannschaft, „die sehr aggressiv ist, die sehr gut verteidigt, eine hohe Laufbereitschaft hat, eine hohe Sprintfähigkeit, die sehr geradlinig und einfach Fußball spielt“, sagt Schwarz vor dem Duell mit seiner eigenen Vergangenheit an diesem Samstag. „Es wird wieder ein Kampfspiel werden. Da gilt es sich zu behaupten.“

Auch mit Blick auf den Klassenerhalt. Was im Abstiegskampf gefragt ist, das haben die Mainzer vor zwei Jahren bei ihrer rekordverdächtigen Aufholjagd gezeigt: Es ist nicht relevant, was andere von dir denken; relevant ist nur, was du auf den Platz bringst. „Sie haben über Leistung, über Inhalte den Klassenerhalt geschafft, was der eine oder andere vielleicht nicht gedacht hat“, sagt Schwarz.

Für Herthas Kampf gegen den Abstieg kann die Mainzer Performance durchaus als Blaupause dienen. „Das sagen wir die ganze Zeit!“, erklärt Schwarz. Dass man bei Siegen nicht in Euphorie verfallen dürfe, bei Niederlagen aber auch nicht in Untergangsstimmung. „Es gibt Spieltage, da sieht es für Außenstehende so aus: Jetzt hast du es. Das ist auch menschlich, aber davon musst du dich frei machen.“

Dass auf Erfolge Rückschläge folgen (und umgekehrt), liegt in der Natur des Abstiegskampfs. Siege in Serie wird es eher selten geben, zumindest nicht bei den fünf Mannschaften am Ende der Tabelle, die nach menschlichem Ermessen den Kampf gegen den Abstieg unter sich ausmachen werden. Vier Teams punktgleich und Hertha mit einem Zähler davor: So eng war es zu einem solchen Zeitpunkt der Saison noch nie im Tabellenkeller.

Das heißt auch, dass das Tabellenbild flüchtig ist und sich jede Woche ändern kann. So haben sich die Schalker, vor kurzem noch scheinbar hoffnungslos abgeschlagen, wieder herangerobbt und den VfL Bochum am vergangenen Wochenende sogar hinter sich gelassen. „Null Gefühle“ löse das bei ihm aus, sagt Schwarz. „Die sind jetzt auch mit dabei. Genau wie wir. Wie Bochum, Stuttgart und Hoffenheim. Du musst die Dinge am Ende des Tages selbst regeln. Das ist der Auftrag, das ist die Aufgabe.“

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