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Auf Konfliktkurs: Wirtschaftsminister Robert Habeck und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

© dpa/Britta Pedersen

Skepsis gegen Habecks Industriestrompreis in Brüssel: „Bin überrascht, dass Berlin EU-Recht so wenig beachtet“

Die EU-Genehmigung für Energiebeihilfen laufen aus. Die Kommission will sie nicht verlängern. Experten beklagen „nationale Debatten, ohne das EU-Recht mitzudenken“.

Die Ampelkoalition will die deutsche Wirtschaft ankurbeln. Zu den Kernpunkten gehört ein subventionierter Strompreis für energieintensive Industrien.

Nach den Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck sollen sie nur sechs Cent pro Kilowattstunde zahlen, weit weniger als der marktübliche Preis.

In der deutschen Debatte wird weitgehend ignoriert: Beihilfen für die Industrie unterliegen dem EU-Wettbewerbsrecht. Sie müssen von der Kommission genehmigt werden. Die zuständige Kommissarin Margrethe Vestager sieht Habecks Pläne kritisch.

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„Ich bin immer wieder überrascht, dass deutsche Politiker das Europarecht so wenig beachten. In der Berliner Blase sieht man die Dinge oft sehr national“, sagt Christian Kremer, Energieexperte des Brüsseler Thinktanks Globsec und zuvor mehrere Jahre Vize-Generalsekretär der christdemokratischen Parteienfamilie EVP.

„EU-Wettbewerbskommissarin Vestager hat bereits im Mai durchblicken lassen, dass sie einen dauerhaft subventionierten Industriestrom skeptisch sieht. Das könnte also schwierig für die Ampel werden. Ein Nein ist absolut denkbar“, warnt Kremer.

Zu dem Schluss kommt auch Götz Reichert, Fachmann für Energiepolitik beim Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg. „Es ist möglich, dass Brüssel zum verbilligten Industriestrom Nein sagt.“

„Wir haben mal wieder den typischen Fall, dass Deutschland eine nationale Debatte führt, ohne das EU-Recht mitzudenken“, sagt Reichert. „Bei Energiefragen, die den Wettbewerb im Binnenmarkt berühren, hat Brüssel ein scharfes Schwert in der Hand. Subventionen können den Wettbewerb verzerren.“

Reichert erläutert: „Beihilfen sind nach den Europäischen Verträgen grundsätzlich verboten. Es gibt generelle Ausnahmen wie Naturkatastrophen und wirtschaftliche Notlagen. Aber langsam sollte sich unter deutschen Politikern herumgesprochen haben, dass da jemand in Brüssel sitzt, der Subventionen genehmigen muss.“

Die Erlaubnis für gedeckelte Energiepreise wegen des Ukrainekriegs endet bald. Die Ampel hat noch keine Genehmigung der EU für einen verbilligten Industriestrom beantragt.

Nationale Regierungen können sich großartige Hilfen überlegen. Aber sie müssen sie in aller Regel bei der Kommission anmelden und dürfen nichts beschließen und auch nichts ausführen, ehe diese den Wunsch geprüft und genehmigt hat.

Götz Reichert, Fachmann für Energiepolitik beim Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg.

„Für die schwierige Wirtschaftslage, die durch den Ukrainekrieg entstanden ist, hat die Kommission mit dem befristeten Krisenrahmen generelle Ausnahmen auch für Energiebeihilfen gemacht, damit nicht jeder Staat sie einzeln beantragen muss“, erklärt Reichert. „Diese laufen aber zum Jahresende aus.“

Zur Lage im kommenden Jahr sagt Reichert: „Nationale Regierungen können sich großartige Hilfen überlegen. Aber sie müssen sie in aller Regel bei der Kommission anmelden und dürfen nichts beschließen und auch nichts ausführen, ehe diese den Wunsch geprüft und genehmigt hat.“

Was für billigen Industriestrom spricht

Allerdings „muss Brüssel unbedingt auch im Blick haben, wie energieintensive Industrien im globalen Wettbewerb überleben. Es kann also auch heikel werden, derartige Beihilfe nicht zu genehmigen“, nennt Reichert als Gegenargument. „Dennoch bleibt die Frage: Wie verträgt sich das mit den Regeln im Binnenmarkt?“

„Beim Wettbewerb im Binnenmarkt schauen die EU-Partner sehr genau hin.“ Reichert verweist auf die Konflikte, als Kanzler Olaf Scholz 2022 den „Doppel-Wumms“ zur Deckelung der Energiepreise ankündigte. Die EU-Partner wurden überrascht und reagierten teils verärgert.

Beim Gesetz zu Erneuerbaren Energien (EEG) und dessen Reform „hat die Kommission den damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Brüssel zitiert und sehr deutlich gemacht, was beihilferechtlich zulässig ist und was nicht.“

Christian Kremer sieht in Habecks Plänen, wem der billige Industriestrom zugutekommen soll, ein zusätzliches Risiko für ein Veto aus Brüssel. „Gerade die Beihilfen für große Unternehmen sind problematisch wegen der Wettbewerbsverzerrung. Zudem möchte Wirtschaftsminister Habeck sie für einen langen Zeitraum durchsetzen. Bei kleinen und mittleren Unternehmen hätte die Kommission mehr Verständnis.“

„Hinzu kommt der immer wieder aufflammende Streit mit Frankreich um die Atomkraft. Die massiven Probleme mit der deutschen Energiewende sorgen in Europa für wachsende Skepsis über den Kurs der Bundesregierung“, warnt Kremer. „Aber in Berlin will man offenbar nicht akzeptieren, dass andere Länder andere Wege der Emissionsreduzierung gehen wollen.“

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