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Flugzeuge rollen auf dem Flughafen Frankfurt im letzten Sonnenlicht des Tages über die Rollbahn.

© dpa/Boris Roessler/Bearbeitung Tagesspiegel

Engpässe nehmen zu: Kann KI den Personalmangel an Lokführern, Piloten und Lkw-Fahrern lösen?

Experten des ifo-Instituts sehen durch die „schwächelnde Konjunktur“ eine geringere Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Kann Künstliche Intelligenz helfen?

Von
  • Sebastian Terstegen
  • Kristian Loroch
  • Bernd Reuther

Der Mangel an Fachkräften in den deutschen Firmen hat zuletzt leicht abgenommen – das grundlegende Problem ist nach Einschätzung des Ifo-Instituts aber „gekommen, um zu bleiben“. Wie das Münchner Forschungsinstitut kürzlich unter Berufung auf eine Konjunkturumfrage bei 9000 Unternehmen mitteilte, litten zuletzt 36,3 Prozent der Firmen unter Engpässen bei qualifiziertem Personal. Bei der vorherigen Umfrage im Oktober waren 38,7 Prozent.

Besonders von dem Mangel betroffen waren zuletzt etwa Dienstleister mit 42 Prozent, im Hotelgewerbe und in der Logistik suchte gar jedes zweite Unternehmen händeringend nach qualifiziertem Personal. In der Industrie ist wegen des Auftragsmangels der Fachkräftemangel hingegen rückläufig, er lag zuletzt bei 28,2 Prozent.

Drei Experten erörtern die Frage, ob Künstliche Intelligenz den Personalmangel bei Lokführern, Piloten und Lkw-Fahrern lösen könnte. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Potenzial der Digitalisierung und Automatisierung

Der Fachkräftemangel ist ein Zustand, der alle Branchen betrifft und unsere Gesellschaft sowie Wirtschaft vor große Herausforderungen stellt. Die aktuell omnipräsenten Streiks der GDL verdeutlichen die Dringlichkeit, dieser Problematik schnellstmöglich und langfristig entgegenzuwirken. Im Zusammenhang mit den ehrgeizigen Umweltzielen der Deutschen Bahn wäre es ratsam, eine Automatisierungsquote von circa 20 Prozent für Züge in den kommenden 15 Jahren bei der DB zu implementieren. Dadurch könnten die Züge autonom betrieben werden, was ihre Flexibilität und Effizienz erheblich verbessern würde.

Je höher die Stufe der digitalen Zugbeeinflussung, desto mehr Aufgaben übernimmt der Zug selbst. Wenn einzelne Linien autonom fahren, kann das vorhandene Personal auf den übrigen Linien eine bessere Betriebsqualität ermöglichen und z. B. kurzfristige Personalausfälle auffangen. Bereits heute gibt es in Deutschland zahlreiche U-Bahnen, die komplett autonom fahren. Dieses Potenzial der Digitalisierung und Automatisierung lässt sich nicht nur auf den Schienenverkehr, sondern auch auf andere Branchen übertragen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.


Aufwertung statt Entwertung der Fachkräfte

Marode Stellwerke, bröckelnde Brücken, ein überlastetes und alterndes Gleisnetz – die Probleme des Schienensystems sind riesig. Angesichts dessen ist es mehr als verständlich, dass die Bahn-Beschäftigten allergisch reagieren, wenn nach „Künstlicher Intelligenz“ als Allheilmittel gerufen wird. Was nützt KI in einem 100 Jahre alten Stellwerk? Auch die Verkehrsunternehmen verspüren einen enormen Fachkräftemangel. Digitalisierung und KI können hier unterstützen, aber Fachkräfte nicht ersetzen.

Erst einmal sollten die grundlegenden Hausaufgaben gemacht und Schattendiskussionen vermieden werden. Zumal der Sprung zu kurz wäre. Ein Beispiel: Im grenzüberschreitenden Verkehr will die EU durch Einsatz von KI Fremdsprachenkompetenz ersetzen. Wer aber übernimmt die Verantwortung, wenn durch technische Fehler Risiken entstehen? Es einfacher in Technik zu investieren als in gut bezahlte Fachkräfte – aber das hilft weder den Systemen noch der Wirtschaft. Die Beschäftigten haben in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl von Faktoren eine Entwertung ihrer Berufe erfahren. Hier brauchen wir eine Aufwertung, um mehr Personal zu gewinnen – das ist der einzig nachhaltige Weg.


Automatisierungspotenzial versus Sicherheitsanforderungen

Auf der einen Seite kann eine Technologie wie Künstliche Intelligenz – genauer müsste man sagen: maschinelles Lernen – den Automatisierungs- und Autonomiegrad von Fahrzeugen oder Flugzeugen erhöhen. Und grundsätzlich können Unternehmen durch einen höheren Automatisierungsgrad mithilfe von KI dem Arbeitskräftemangel begegnen.

Auf der anderen Seite stellt autonomes Fahren und Fliegen extrem hohe Sicherheitsanforderungen an das technische System. Im Gegensatz zu regelbasierten echtzeitfähigen Verfahren lassen sich probabilistische, also auf Wahrscheinlichkeiten basierende Verfahren wie Maschinelles Lernen nur begrenzt technisch so implementieren, dass sie zuverlässig in sicherheitskritischen Systemen wie einem autonom fahrenden Fahrzeug eingesetzt werden können.

Auch wenn wir es uns angesichts von Streiks, Zugausfällen, kilometerlangen Staus auf den Autobahnen oder vollgeparkten Innenstädten noch so sehr wünschen, stellt KI also keine kurzfristige Lösung für den Arbeitskräftemangel in diesem Bereich dar.

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