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Im Einsatz gegen Cyberkriminalität: „Es ist leider nicht wie beim Tatort“

Jana Ringwald und Maximilian Wiedemann sind Cyberstaatsanwält:innen. Hier erläutern sie ihre Ermittlungsmethoden und warum heute jeder Fall digital durchdacht werden muss.

Wenn Unternehmen erpresst werden, zum Beispiel durch die sogenannte Ransomware, kommen Staatsanwält:innen wie Jana Ringwald und Maximilian Wiedemann von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zum Einsatz. Sie arbeiten in der Bekämpfung und Aufklärung von Cyberkriminalität.

Frau Ringwald, Herr Wiedemann, was unterscheidet Sie von anderen Staatsanwaltschaften, die etwa in Fällen von Diebstählen oder Körperverletzung ermitteln?
Maximilian Wiedemann: Der zentrale Unterschied ist unser Fokus – wir konzentrieren uns als Zentralstelle komplett auf die Internetkriminalität. Der zweite wichtige Unterschied betrifft die Basis unserer Ermittlungen, das sind Daten – sie sind, wenn Sie so wollen, unsere wichtigste Ressource in der Ermittlung.

Jana Ringwald: Unsere Kollegen in den landgerichtlichen Staatsanwaltschaften haben eine sehr hohe Strafanzeigendichte zu bewältigen, das stellt sich bei uns anders dar und liegt einfach in der Natur der Sache. Im Internet zielführend zu ermitteln, funktioniert nicht einzelfallbasiert. Sowohl was Einzeltäter als auch Gruppen angeht, arbeiten wir nahezu immer länderübergreifend und manchmal auch ohne, dass am Ende jemand verhaftet wird – weil zum Beispiel der oder die Täter in einem Land sitzen, mit dem es kein Auslieferungsabkommen gibt.

Erfordert das nicht eine hohe Frustrationstoleranz?
Ringwald: Es braucht eben auch ein wenig Idealismus. Denn da, wo wir fischen, ist viel trübes Wasser. Unser Ziel ist es nicht nur die Täter zu erwischen, sondern auch Infrastrukturen zu stören, abzuschalten oder Werte in Kryptowährung sicherzustellen, die die Täter etwa im Rahmen von Erpressungen oder in Betrugsfällen erbeutet haben. Das ist leider nicht so romantisch wie beim Tatort – kein Staatsanwalt im Trenchcoat, der kommt und am Ende sitzt der Täter im Gefängnis.

Bleiben wir doch einmal beim Bild mit dem Trenchcoat: Im Tatort kommt ja auch immer die Spurensicherung, klebt ab und sucht nach allem möglichen, was die Täter überführt. Wer kommt denn dann bei Ihnen mit?
Wiedemann: Wir arbeiten mit Forensikern bei der Polizei zusammen, die sich auf die digitale Spurensuche spezialisiert haben. Sie suchen in den Datensätzen, die wir beschlagnahmen, nach Hinweisen auf die Identität der Täter, ihre Motivation oder ihren Standort.

Ringwald: Und das ist leider auch nicht so spektakulär, wie es sich vielleicht anhört, denn was wir am Ende bekommen, sind Daten. Filmteams sind da gerne einmal enttäuscht – ein gutes Symbolbild Cybercrime ergibt es leider nicht. Und auch nach der Datenauswertung wird es meist nicht unbedingt spektakulärer, weil ein Zugriff aus den bereits erwähnten Gründen nicht immer stattfinden kann.

Leider glauben noch zu viele, dass man vielleicht zu unbedeutend oder unwichtig für Cyberkriminelle ist. Das ist aber ein Irrglaube.

Jana Ringwald, Oberstaatsanwältin

Mit welcher Art von Fällen der Interkriminalität beschäftigen Sie sich denn am häufigsten?
Wiedemann: Es gibt eine Art Grundrauschen – das sind die Fälle, die in großer Regelmäßigkeit bei uns aufschlagen. Dabei handelt es sich meist um Ransomware-Angriffe auf Unternehmen, bei denen Daten verschlüsselt und nur gegen eine Zahlung von Lösegeld wieder entschlüsselt werden. Dann vertiefen wir uns aber auch manchmal in die Analyse von bestimmten Trojanern oder Plattformen, auf denen im Darknet etwa Passwörter von Internetnutzern verkauft werden.

Es ist aber auch schon einmal vorgekommen, dass wir gegen einen ehemaligen Mitarbeiter vorgegangen sind, der sich aus Rache ins Unternehmen eingehackt hat. Oder gegen jemand, der mit Distributed Denial-of-Service (DDoS)-Attacken gegen den Konkurrenten vorgegangen ist, um mit solchen Überlastungsangriffen etwa die Webseite zum Zusammenbruch zu bringen.

Ringwald: Und manchmal gibt es auch findige junge Hacker, die auf fremde Systeme oder Daten zugreifen, und dann trifft man sich am Ende beim Jugendgericht.

Mit welchen Fehlern auf Seiten von Internetnutzern sind Sie immer wieder konfrontiert?
Ringwald: Leider glauben noch zu viele, dass man vielleicht zu unbedeutend oder unwichtig für Cyberkriminelle ist. Das ist aber ein Irrglaube – lassen Sie es mich ganz schlicht ausdrücken: Sobald Sie das Kabel einstecken und ins Internet gehen, werden Sie zur Zielscheibe. Das Mantra der Sicherheitsindustrie trifft leider zu: Es gibt nur solche, die es schon getroffen hat und solche, die es noch treffen wird.

Wiedemann: Wir erleben leider auf Unternehmensseite gerade bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen oft noch eine große Unbekümmertheit, wenn es um Cybersicherheitsrisiken geht. Von Zwei-Faktor-Authentifizierung wird nicht gesprochen, keine Sicherheitsupdates eingespielt oder auch keine Back-ups angelegt. Es trifft dann viele völlig unvorbereitet und das kann im schlimmsten Fall sogar zur Insolvenz führen, weil ein Unternehmen etwa durch einen Ransomware-Angriff arbeitsunfähig wird. Dafür gibt es leider traurige Beispiele.

Es gibt nur solche, die es schon getroffen hat und solche, die es noch treffen wird

Jana Ringwald, Oberstaatsanwältin

Braucht es eigentlich eine spezielle Art der Ausbildung, um in der Strafverfolgung von Cyberkriminalität zu arbeiten?
Wiedemann: Bevor ich die Staatsanwaltschaft betreten habe, hatte ich persönlich eigentlich keine Kontaktpunkte zur Ermittlungsarbeit in Cybercrime-Fällen oder Technologie. Gut, ich habe als Jugendlicher programmiert, aber das hatte gar nichts mit Jura zu tun. Als ich vor zehn Jahren mein Studium absolviert habe, war das Thema kaum der Rede wert, bei einem Auslandsjahr in Großbritannien allerdings schon. Da gibt es aber auch heute bei uns noch deutlich Luft nach oben.

Ringwald: Definitiv. Es gibt leider noch keine adäquate Ausbildung, was sich dringend ändern muss. Und es gibt leider auch noch viele Vorurteile – denn es muss niemand Programmiererfahrung oder Datenverständnis mitbringen, um in diesem Bereich anzufangen. Leider gibt es da auf Seiten der jungen Kolleginnen und Kollegen noch sehr viele Berührungsängste, weswegen wir bei der ZIT regelmäßig Schulungen anbieten und bei konkreten Fällen helfen.

Sie müssen heute eigentlich jeden Fall auch digital durchdenken – die analoge Tat ist kaum noch begehbar. Bei nahezu jeder Straftat können etwa auch Verbindungsdaten oder Chatverläufe eine Rolle spielen. Oder nehmen Sie einmal den Drogenhandel: Bezahlt wird heute immer mehr mit Kryptowährungen. Da braucht es ein entsprechendes Verständnis.

Welche Type benötigt es, um Cyberstaatsanwältin zu werden?
Ringwald: Wir brauchen mutige Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, aber keine leichtsinnigen. Wir bewegen uns permanent in einem Phänomenbereich, in dem es kein festes Leitplankensystem höchstrichterlicher Rechtsprechung gibt. Es braucht die Bereitschaft, Neuland betreten zu wollen und nicht auf bekannten Pfaden zu laufen. Aber eben auch das Verständnis dafür, wo die rechtlichen Grenzen liegen.

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