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Platz für eine Schule, für Büros – und auch für Wohnungen?  So sollte es auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände Greifswalder Straße aussehen, wenn es nach dem Investor Christian Gérôme ginge. Vor dem Verwaltungsgericht erzielte er im September 2021 einen Teilerfolg: Büros darf er bauen.

© Grafik: Tchoban Voss Architekten

Güterbahnhof Greifswalder Straße: Einseitige Selbstverpflichtung des Investors

Christian Gérôme legt neue Entwürfe zur Bebauung des Pankower Bahngrundstücks vor und will dem Bezirk eine Schule bauen

Der Streit um die Hochhaus-Pläne von Investor Christian Gérôme auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg geht in die nächste Runde. Zwar ist der Weg aus seiner Sicht nun juristisch frei eine Bebauung an der Lilli-Henoch-Straße, die Gérôme auf diesem 2011 erworbenen Gelände bauen will. Doch der Bau einer dringend benötigten Schule, die das Bezirksamt dort realisiert sehen möchte, ist ungewiss.

Immerhin ist Gérôme in planerischer Hinsicht einen Schritt weiter und legte unterdessen Entwürfe des renommierten Architekturbüros Tchoban Voss (Berlin) vor. Sie zeigen ein so genanntes Green-Living-Architektenhaus als urbane Idylle mit grünen Fassaden an den zwei Wohntürmen, schattenspendenden Bäumen und attraktiven Sitzmöglichkeiten. Ein moderner Schulneubau ist Teil der Planungen.

Aus Sicht des Bezirksamtes geht das so alles nicht. „Er kann da nach Paragraph 34 keine Hochhäuser bauen“, sagte Pankows Baustadträtin Rona Tietje (SPD) auf Anfrage. „Diese 18-Geschosser, die er da beabsichtigt, die kann er keinesfalls durchsetzen. Und natürlich auch nur auf seinen eigenen Flächen.“ Das Architekturbüro habe die Hochhäuser zum Teil auf Fläche platziert, die Christian Gérôme gar nicht gehören, sondern dem Bezirk zu Eigen seien. „Seine eigenen Flächen liegen hinter der Schwimmhalle, direkt an den Bahngleisen“, sagt die Bezirkspolitikerin: „Deutlich unattraktiver als diese Flächen, die an der Greifswalder Straße liegen.“

Gérôme kalkuliert damit, dass er über einen Flächenaustausch Platz für die Hochhäuser vom Bezirk bekommt, der wiederum durch eine Flächenabgabe an Pankow eine Schule bauen könnte. Hochhäuser sind aus Sicht des Bezirks im Status quo nur über einen Bebauungsplan denkbar; nach Paragraf 34 (Lückenbebauung) müsse deutlich niedriger, vielleicht achtgeschossig, geplant werden.

Eigentlich müssten sich die Parteien nur auf das Ziel flächensparender Wohnungsneubau auf dem kleineren Tauschgrundstück plus Schule plus Grünzug verständigen.

Christian Gérôme, Investor

„Bei weitem noch nicht sicher ist das alles“, sagt der Eigentümer des Geländes, Christian Gérôme. Wenn es nach ihm ginge, würde der Bauantrag mit dem Entwurf bis Ende des Jahres eingereicht. Die Pläne sehen eine flächensparende Bebauung mit Hochhäusern vor. Sie sollen dem unter Federführung der früheren Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erarbeiteten Leitbild des Berliner Senats entsprechen. Durch die Verdichtung und Bebauung mit Hochhäusern wäre der von der Verwaltung gewünschte Dreiklang möglich, sagt Gérôme: Schule, Wohnen und Grünzug. Doch zwischen der Abgabe eines genehmigungsfähigen Bauantrages und der Realisation steht ein Flächentausch. Denn nur dieser ermöglicht den Schulneubau und die Wohnbebauung auf den Parkplatzflächen gegenüber der Wohnsiedlung am Ernst-Thälmann-Park.

Der Streit mit dem Bezirk dreht sich um den Neubau einer Schule - und um die Fläche dafür

Der Bezirk will östlich der Schwimmhalle ein Gymnasium errichten, das dringend gebraucht wird. Allerdings ist die bezirkseigene Fläche am Güterbahnhof zu klein für eine 6-zügige Schule mit Sport- und Pausenflächen. Der Bezirk braucht daher die angrenzenden Flächen des Rangierbahnhofs Pankow. Baustadträtin Tietje signalisiert Entgegenkommen: „Was Christian Gérôme da jetzt aufgezeichnet hat, das wäre tatsächlich im Rahmen von einem Bebauungsplan mit Grundstückstausch denkbar, wenn man sich denn darauf verständigt.“ Die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung müssten den Bebauungsplan aber mittragen.

Das 28.000-Quadratmeter-Areal gehört zu den letzten großen Freiflächen in Prenzlauer Berg. So sehen die Architekten Tchoban Voss die Weiterentwicklung des Quartiers.
Das 28.000-Quadratmeter-Areal gehört zu den letzten großen Freiflächen in Prenzlauer Berg. So sehen die Architekten Tchoban Voss die Weiterentwicklung des Quartiers.

© Grafik: Tchoban Voss Architekten

Pankow hatte im Dezember 2019 eine Veränderungssperre über das Areal am Alten Güterbahnhof Greifswalder Straße verhängt und damit den laufenden Bauantrag von Gérôme blockiert. Eine brauchbare Schulplanung liegt laut Gérôme trotzdem bis heute nicht vor: „Wie soll man sinnvoll eine Schule planen, ohne dass dem Bezirk die dazu benötigten Grundstücke gehören?“ Dies sah offenbar auch die Mehrheit der Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) so und votierte im Mai 2022 gegen eine Verlängerung der Veränderungssperre.

Am 11. November soll es das nächste Vermittlungsgespräch geben

Die SPD-Fraktion sprach sich indes „ausdrücklich und vehement“ dagegen aus, Luxuswohnungen in einem sowieso schon von Verdrängung geplagten Gebiet zu unterstützen. Sie zeigte sich entsetzt über die Aufhebung der Veränderungssperre im Thälmann-Park. Die Folge sei simpel: „Der Investor wird diese Fläche, die für ein Gymnasium angedacht war, mit Luxusbauten vollbauen. Kinder des Bezirks werden verlängerte Schulwege hinnehmen müssen und schlechte Bedingungen für die Bildung haben. Bedanken können wir uns bei den investorennahen Fraktionären der Grünen, AfD, CDU und FDP“, erklärte die SPD-Fraktion.

Ohne bezirkliche „Veränderungssperre“ hat der Investor ein Recht zu bauen

Durch die Absage an die Veränderungssperre müssen künftig Bauanträge des Investors genehmigt werden – und zwar unabhängig davon, ob diese den Wünschen des Bezirkes und den Beschlüssen der Bezirksverordnetenversammlung entsprechen oder nicht.

Grundstückseigentümer Gérôme könnte nun frei nach Paragraf 34 Baugesetzbuch einen Antrag auf Baurecht für Wohnbebauung auf seinem eigenen Grundstück stellen. Dies tue er bisher aus einer einseitigen Selbstverpflichtung heraus nicht, sagte er dem Tagesspiegel. Gleichzeitig baut er Druck auf.

Wohn-/Bürotürme auf dem einstigen Güterbahnhofsgelände Greifswalder Straße (Pankow/Prenzlauer Berg in Berlin) mit Schulneubau (links).
Wohn-/Bürotürme auf dem einstigen Güterbahnhofsgelände Greifswalder Straße (Pankow/Prenzlauer Berg in Berlin) mit Schulneubau (links).

© Grafik: Tchoban Voss Architekten

„Die Nachrichten, die man jeden Tag liest über die untragbare Situation besonders an den Pankower Oberschulen, sind auch für mich erschütternd“, sagt er: „Es ist eine Schande, dass in Berlin Kinder unter so katastrophalen Umständen gezwungen sind zu lernen. Ich habe selber drei Töchter, und so etwas geht nicht spurlos an mir vorbei.“ Nach eigenen Angaben schlug er der zuständigen Stadträtin für Stadtentwicklung und Bürgerdienste, Rona Tietje (SPD), im Frühsommer vor, eine Steuerungsrunde zusammen mit den Fraktionen der BVV zu bilden. Mittlerweile habe sich das Gremium, bestehend auf den Vertretern aller Fraktionen der BVV, dem Eigentümer und dem Architekturbüro Tchoban Voss, zweimal getroffen.

Einen Fortschritt könne er bei diesen Gesprächen aber nicht erkennen, sagt Gérôme. Dabei gehe es erst einmal nur um einen Letter of Intend (LOI), also eine nicht bindende Absichtserklärung, in der die Rahmenbedingungen für den Grundstückstausch und die zukünftigen Parameter der Bebauung fest gehalten werden sollen.

Immerhin soll Gérôme auf ein Drittel seiner Fläche verzichten. „Eigentlich müssten sich die Parteien nur auf das Ziel flächensparender Wohnungsneubau auf dem kleineren Tauschgrundstück plus Schule plus Grünzug verständigen. Doch selbst da hakt es schon“, sagt Gérôme. „Wir wären sogar bereit, die Schule selbst zu bauen und an den Bezirk zu übertragen. Damit würden drei bis fünf Jahre gewonnen werden.“

„Also dieses Angebot, das hat er dem Bezirk nicht gemacht“, sagt Baustadträtin Tietje von dem sie in einer Tagesspiegel-Veröffentlichung am 5. November erfahren hat. „Ich glaube auch nicht, dass er uns die Schule schenkt. Er hat gesagt, er will mit dieser Schule nichts zu tun haben. Er erwartet, dass dieser Bebauungsplan für die Schule so schnell wie möglich abgetrennt wird.“

Ursprünglich hatte Gérôme gehofft, mit den Planungen ab dem 22. September beginnen zu können. Nun soll es am 11. November zu einer dritten Zusammenkunft der so genannten Steuerungsrunde kommen.

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