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Hochhäuser mit dem Evergrande-Logo in der ostchinesischen Provinz Jiangsu.

© AFP/stringer

Update

Mehr als 300 Milliarden Dollar Schulden: Gericht ordnet Auflösung von Immobilienkonzern China Evergrande an

Der chinesische Krisenkonzern hatte trotz eines Aufschubs keinen Sanierungsplan vorgelegt. Nun sagt eine Hongkonger Richterin: „Genug ist genug.“ Es folgen Turbulenzen auf dem Aktienmarkt.

| Update:

In der Immobilienkrise in China hat ein Gericht in Hongkong die Auflösung des hoch verschuldeten Konzerns China Evergrande angeordnet. Ein entsprechendes Urteil fällte Richterin Linda Chan am Montag in der chinesischen Sonderverwaltungszone.

Sie halte den Schritt in Anbetracht des „offensichtlichen Mangels an Fortschritten seitens des Unternehmens bei der Vorlage eines tragfähigen Umstrukturierungsplans“ für angemessen und ordne ihn daher an, erklärte Chan. „Genug ist genug.“

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Das Gericht habe bei der letzten Anhörung im Dezember sehr deutlich gemacht, dass es einen „vollständig formulierten und realisierbaren Vorschlag“ erwarte, fügte sie hinzu. Der Konzern habe allerdings mehr als 18 Monate lang keine effektive Kommunikation oder Lösungen angeboten.

Evergrande-Chef Siu Shawn kündigte gegenüber chinesischen Medien an, das Unternehmen werde sicherstellen, dass die Bauprojekte trotz der Liquidationsanordnung weitergeführt werden. Die Anordnung habe keine Auswirkungen auf den Betrieb. 

Mammutaufgabe für Insolvenzverwalter

Voraussichtlich am Nachmittag wird Chan ihre ausführliche Begründung für die Abwicklungsbeschluss abgeben und einen kommissarischen Insolvenzverwalter ernennen.

Die schwierigste Aufgabe für den offiziellen Abwickler dürfte es sein, die Beteiligungen in China selbst unter seine Kontrolle zu bekommen, indem er dort jeweils das Management austauscht.

Evergrande-Bauruinen in Danzhou.
Evergrande-Bauruinen in Danzhou.

© REUTERS/ALY SONG

Das könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern. Denn Guangzhou, wo China Evergrande seinen Sitz hat, erkennt Liquidationsbeschlüsse aus Hongkong nicht automatisch an.

Außerdem sind zahlreiche dieser Firmen bereits in der Hand ihrer Gläubiger, ihre Vermögenswerte von Gerichten eingefroren - andere sind schon pleite. Angesichts der Größe von Evergrande dürften viele Behörden und Politiker hier ein Wort mitreden wollen. 

Kein Umstrukturierungsplan vorgelegt

Gläubiger hatten vor dem Gericht geklagt, weil China Evergrande immer wieder Zahlungen verpasste. Zuvor hatten das Unternehmen versucht, mit einem Sanierungsplan eine Liquidation abzuwenden.

Das Unternehmen hat sich die Auflösung selbst zuzuschreiben.

Fergus Saurin, Gläubiger-Anwalt im Evergrande-Verfahren

Allerdings hatte bereits 2022 ein Gläubiger in Hongkong den Antrag auf die Liquidierung von Evergrande gestellt, das Verfahren zog sich seitdem in die Länge.

Anfang Dezember hatte Richterin Chan dem strauchelnden Unternehmen für die Vorlage eines Umstrukturierungsplans noch einen Aufschub gewährt, um die drohende Abwicklung abzuwehren. Diese Frist ist am Montag verstrichen.

Gläubiger-Anwalt Fergus Saurin zufolge hat Evergrande es versäumt, mit den Gläubigern in den Dialog zu treten. Die Entscheidung, den Baukonzern mit Vermögenswerten in Höhe von 240 Milliarden Dollar zu liquidieren, dürfte die bereits angeschlagenen chinesischen Kapital- und Immobilienmärkte erschüttern.

Aktienhandel in Turbulenzen

Bereits kurz nach der Ankündigung der Abwicklung des Immobilienkonzerns stürzten Evergrande-Aktien an der Hongkonger Börse um mehr als 20 Prozent ab.

Wenig später teilte die Börse den Stopp des Handels mit Wertpapieren von Evergrande sowie der Tochtergesellschaft für Elektrofahrzeuge mit.

„Dies ist nicht das Ende, sondern der Beginn eines langwierigen Liquidationsprozesses, der Evergrande das tägliche Geschäft noch schwerer machen wird“, sagte Gary Ng, Senior Economist bei Natixis.

Da sich die meisten Vermögenswerte von Evergrande direkt in China befänden, gebe es Unsicherheiten darüber, wie die Gläubiger Vermögenswerte beschlagnahmen können, und über den Rückzahlungsrang von auswärtigen Anleihegläubigern. „Und die Situation kann für die Aktionäre noch schlimmer werden.“

Chinesischer Immobilienmarkt steckt tief in der Krise

Evergrande steht im Mittelpunkt der Krise des chinesischen Bausektors. Chinas Behörden hatten 2020 mit Beschränkungen bei der Kreditbeschaffung auf die ausufernde Verschuldung der Branche reagiert.

Besonders bei Evergrande führte dies zu Zahlungsausfällen und Projektabbrüchen. Er hat umgerechnet mehr als 300 Milliarden Euro Schulden angehäuft.

Im März dieses Jahres bot Evergrande seinen Gläubigern an, ihre Schulden gegen neue, vom Unternehmen ausgegebene Wertpapiere und Aktien zweier Tochtergesellschaften einzutauschen.

Im September wurde der Konzernchef Xu Jiayin in China festgenommen, die Aktienkurse stürzten ab. Der Handel mit den Aktien des Baukonzerns wurde daraufhin eingestellt, Anfang Oktober jedoch wieder aufgenommen. Behördliche Untersuchungen gegen eine weitere Tochterfirma sorgten für weitere Unsicherheit.

Die Abwicklung dürfte das Vertrauen in den kriselnden Immobilienmarkt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt weiter schmälern.

Ökonom zufolge bleibt die Evergrande-Krise wahrscheinlich beherrschbar

Die chinesische Immobilienkrise dürfte nach Einschätzung des Chinawissenschaftlers und Ökonomen Markus Taube für Peking beherrschbar bleiben und nicht zu einer internationalen Finanzkrise führen.

„Ich sehe das ganz große Drama momentan noch nicht“, sagte Taube am Montag auf Anfrage. „Es gibt ein beträchtliches Ausmaß an Verschuldung der chinesischen Unternehmen, aber ich halte das für vergleichsweise unproblematisch.“

„Ein Großteil der Schulden ist sowieso bei inländischen Gläubigern und nicht im Ausland platziert“, sagte Taube dazu. „Das macht es deutlich weniger brisant. Wir haben in China keine freie Marktwirtschaft, sondern eine staatlich gesteuerte, und die Partei hat die Zügel in den vergangenen Jahren noch weiter angezogen.“ Spekulanten seien nicht in der Lage, „irgendwie gegen die Regierung zu wetten“.

Der Immobiliensektor in den größeren chinesischen Städten zeige keinen wirklichen Einbruch der Verkaufspreise, „sondern die Wachstumsraten sind gesunken“, sagte Taube. „Wir haben keinen so riesigen Einbruch wie beim Platzen der japanischen Immobilienblase Ende der 1990er Jahre.“ Im chinesischen Immobiliensektor sei außerdem deutlich weniger Kapital aus anderen Wirtschaftszweigen gebunden als damals in Japan, so Taube. „Ich würde daher nicht davon ausgehen, dass die chinesische Volkswirtschaft kollabiert.“

Das Hongkonger Gerichtsverfahren betreffe zudem nur die in Cayman Islands registrierte und an der Hongkonger Börse notierte Unternehmenseinheit. „Eine ganze Reihe von in China registrierten Tochtergesellschaften sind nicht direkt tangiert“, sagte der Wissenschaftler. (AFP, dpa, Reuters)

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