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Kurz und knapp: Griechenland bittet um Hilfe.

© Kai-Uwe Heinrich

Schuldenkrise: Die Folgen von Griechenlands Hilferuf

Das hoch verschuldete Griechenland hat finanzielle Hilfe vom Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union beantragt. Wie geht es nun weiter?

Nun ist es so weit. Schneller als erwartet hat der griechische Premier Giorgos Papandreou formal den Antrag gestellt, den Hilfsmechanismus der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Gang zu setzen.

Warum ging jetzt alles so schnell?

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Haushaltslage des Landes noch katastrophaler ist als angenommen. An den Finanzmärkten verstärkte dies die Unruhe. Die Rating-Agentur Moody’s stufte die Bonität für griechische Staatsanleihen daraufhin noch einmal herab und kündigte weitere Schritte an. Die Schuldenaufnahme an den Kapitalmärkten wurde für Athen dadurch immer kostspieliger, bis zu neun Prozent Zinsen musste der Finanzminister den Anlegern bieten, um von ihnen über zehn Jahre Geld geliehen zu bekommen. Die Märkte spekulierten, dass die Zahlungsunfähigkeit des Landes unmittelbar bevorstehe. Der rasante Zinsanstieg machte es immer unwahrscheinlicher, dass sich die Griechen aus eigener Kraft retten können. Zinsen in dieser Größenordnung würden alle Bemühungen um einen Defizit- und Schuldenabbau zunichte machen. Ursprünglich war ihr Hilferuf erst in einigen Wochen erwartet worden – am 19. Mai wird eine Anleihe fällig, und Athen benötigt neun Milliarden Euro zur Umfinanzierung.

Wie funktioniert der Notfallplan?

In diesem Jahr kann Griechenland von den Euro-Ländern Hilfen in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro erwarten, die Athen mit einer Verzinsung von bis zu fünf Prozent spätestens nach drei Jahren wieder zurückzahlen muss. Zusätzlich steuert der IWF einen Beitrag zu, der sich in diesem Jahr auf bis zu 15 Milliarden Euro belaufen soll. Insgesamt kann das Hilfsprogramm über drei Jahre laufen, also noch bis zum Jahr 2012. Wie viel Geld Griechenland am Ende von den Euro-Ländern und dem IWF bekommt, ist noch offen. Spekuliert wird, dass die Finanzierungslücke Griechenlands in den kommenden drei Jahren insgesamt 80 Milliarden Euro betragen könnte.

Was passiert nun als Nächstes?

Nach den Worten des Sprechers des Bundesfinanzministeriums, Michael Offer, müssen zunächst die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der IWF die Notwendigkeit des Antrags bestätigen. EZB und IWF müssten feststellen, dass der Hilferuf Griechenlands eine „Ultima Ratio“ – also das letzte Mittel – darstelle. Laut der EU-Kommission wird die Prüfung des Athener Hilfegesuchs eine Sache von Tagen und nicht Wochen sein. Bevor das Geld fließt, müssen die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone dies nach den Angaben von Offer einstimmig beschließen. Einen „ganz eiligen Zugzwang“ gebe es dabei nicht, da Griechenland „keinen unmittelbaren Finanzierungsbedarf“ habe. Als zusätzliche Bedingung nannte Offer, dass ein fertiges Sanierungsprogramm des IWF vorliegt.

Nach Angaben der EU-Kommission muss nicht unbedingt ein Gipfeltreffen einberufen werden, um die Zustimmung zu den Hilfen zu erteilen; dies könne telefonisch geschehen. Zudem braucht es für die Hilfszahlungen eine „gesetzliche Ermächtigung“ des Bundestages. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich für eine Einbindung des Bundestages ausgesprochen. Allerdings hatte es der geschäftsführende Fraktionsvorstand von CDU/CSU abgelehnt, die Ermächtigung in einem „Omnibus-Verfahren“ an das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates anzuhängen. Die Koalitionsspitzen hatten Schäuble nach den Worten seines Sprechers in den vergangenen Tagen zugesagt, dass die Ermächtigung notfalls in einem beschleunigten Verfahren erteilt werden kann. Am Montag will sich der Finanzminister mit den Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien treffen, um diese über das weitere Vorgehen zu informieren und mit ihnen zu beraten. Die Hilfszahlungen bereiten vielen Abgeordneten Bauchschmerzen – vor allem in der FDP-Fraktion grummelt es.

Warum zögern gerade FDP-Abgeordnete?

Für die FDP stellt sich prinzipiell die Frage, ob mit deutschen Steuergeldern einem Land geholfen werden soll, das nicht nur mit geschönten Haushaltszahlen in den Euro-Raum gekommen ist, sondern auch seit Jahren über seine Verhältnisse lebt. Zudem besteht für viele das Problem darin, dass die EU-Verträge direkte Hilfen, die zu einem Einspringen nationaler Haushalte führen könnten, durch ein „Bail-out-Verbot“ untersagen. In ein Fass ohne Boden zu investieren, widerstrebt den Liberalen. Wie groß die Ablehnung ist, wird der FDP-Bundesparteitag am Wochenende zeigen. Um zu verhindern, dass der Parteitag den Spitzen-Liberalen eine Zusage im Bundestag untersagt oder die Bundesregierung zu sehr bindet, planen einige Bundestagsabgeordnete, einen eigenen Antrag einzubringen. Das Kalkül: Wer selbst (erfüllbare) Bedingungen formuliert, der verhindert, dass ihm der Parteitag (unerfüllbare) Bedingungen diktiert. Der liberale EU-Politiker Alexander Graf Lambsdorff sagt: „Die Hilfen für Griechenland lassen sich nicht verhindern.“ Allerdings dürfe Deutschland Griechenland „keine Leistung ohne Gegenleistung“ gewähren. Er fordert eine konkreten Plan, der auf EU-Ebene künftig solche Krisensituationen verhindert.

Welche Risiken gibt es?

Niemand weiß, ob es den Griechen gelingen wird, das viele Geld jemals zurückzuzahlen. Womöglich werden sie eines Tages doch in die Pleite rutschen – dann müssten die Gläubiger zumindest auf einen Teil ihres geliehenen Geldes verzichten. Solche Abschläge, „Haircuts“ genannt, hat es in den vergangenen Jahren bei Staatspleiten oft gegeben. Der Abschlag lag einer Studie der Commerzbank zufolge insgesamt gesehen bei der Hälfte, im Falle Argentiniens waren es 2005 sogar 67 Prozent.

Wie teuer wird das für Deutschland – oder verdienen wir sogar dabei?

Der deutsche Beitrag liegt in diesem Jahr bei bis zu 8,4 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um einen Kredit der staatlichen Förderbank KfW, der durch den Bund verbürgt wird. Der Zinssatz entfaltet nach den Worten von Ministeriumssprecher Offer eine „positive Marge“ für die KfW. Dies sei „in jedem Kreditgeschäft so“. Liegt der Zinssatz bei rund fünf Prozent, bekommt die Bundesregierung 400 Millionen Euro Zinsen pro Jahr.

Wie reagieren die Märkte?

Nachdem Athen erklärt hatte, die Hilfe der EU in Anspruch nehmen zu wollen, gingen die Renditeforderungen an den Märkten zurück. Entwarnung gibt es allerdings noch nicht. „Griechenland hat Zeit gewonnen, mehr nicht“, sagt Andreas Rees von der Hypo-Vereinsbank. Noch weiß niemand, wie viel Geld nötig ist. Entscheidend dürfte zudem sein, ob es den Griechen auch langfristig gelingt, ihre Schulden abzutragen. Das hängt wiederum von der Konjunktur ab – und die dürfte sich angesichts des harten Sparkurses vorerst sehr dürftig entwickeln. „Die Märkte werden nervös bleiben. Wahrscheinlich müssen die Griechen über mehrere Monate unter Beweis stellen, dass sie die Finanzen wieder in den Griff bekommen, bevor sie wieder Vertrauen fassen“, glaubt Marco Annunziata, Chefvolkswirt der Bank Unicredit.

Die Frage ist, ob die Spekulanten nun ein anderes angeschlagenes Land unter die Lupe nehmen. Portugal oder Spanien, die finanziell ebenfalls als labil gelten, müssen nun die Märkte davon überzeugen, dass sie es mit ihren Sparbemühungen ernst meinen. Die Gefahr ist zugleich, dass die Euro-Länder nicht für beliebig viele Pleitestaaten haften wollen und können. Womöglich ist mit der Rettung Griechenlands die Pleite eines anderen Staates wahrscheinlicher geworden.

Der Euro reagierte am Freitag nach tagelanger Talfahrt auf die Anfrage Athens mit deutlichen Aufschlägen – er kostet nun 1,33 Dollar. Langfristig könnte er allerdings Schaden genommen haben. „Das Bild der Euro-Gruppe hat durch diese Krise schwer gelitten“, sagte ein Händler. Wahrscheinlich werde der Euro-Kurs zumindest für einige Zeit darunter leiden. Langfristig komme es darauf an, wie die Euro-Zone mit Zahlungsproblemen in der Zukunft umgehe.

Hätte es Alternativen gegeben?

Einen raschen Ausweg hätte es für die Griechen wohl kaum gegeben. Ein Land aus der Währungsunion auszuschließen, ist nicht möglich. Ein Austritt der Griechen ist seit langer Zeit aus politischen Gründen nur eine theoretische Option. Und ob die Probleme damit gelöst wären, ist unklar – zwar könnte Athen die Drachme abwerten, der nötige Sparkurs bliebe dem Land aber auch in diesem Fall nicht erspart. Und für Europas Ansehen in der Welt wäre dies ein Desaster.

Was droht bei einem Staatsbankrott?

Ein Zahlungsausfall Griechenlands würde die deutsche Finanzwirtschaft hart treffen. Nach einer Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind sie nach französischen und Schweizer Instituten mit 43 Milliarden Dollar die größten Gläubiger des griechischen Staates. An der Spitze steht mit bis zu zehn Milliarden Euro die verstaatlichte Pleitebank Hypo Real Estate, gefolgt von der teilverstaatlichten Commerzbank mit 3,1 Milliarden Euro. Müssten sie ihre Engagements abschreiben, würde der Staat als Anteilseigner getroffen. Außerdem könnten sie weniger Kredite vergeben, was die Konjunktur wiederum bremsen würde.

Welche juristischen Bedenken gibt es gegen die Hilfen?

Vier deutsche Wissenschaftler haben bereits angekündigt, Klage beim Verfassungsgericht einzureichen. Der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der frühere Zentralbankrat Wilhelm Nölling und die beiden Ökonomen Joachim Starbatty und Wilhelm Hankel halten die EU-Hilfen nicht mit dem Lissabon-Vertrag für vereinbar, der in Artikel 125 die Übernahme von Schulden eines anderen Mitgliedsstaates verbietet. Ähnliche Bedenken mit Blick auf dieses Bail-out-Verbot äußerte das Centrum für Europäische Politik in Freiburg. Bei Hilfeersuchen anderer Euro-Staaten könnte Deutschland künftig kaum mehr Nein sagen, der Euro werde auf lange Sicht geschwächt.

Wie ist die Stimmung in Griechenland?

Immer mehr Griechen fürchten einen Staatsbankrott. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Public Issue hervor. Hielten noch im Februar 38 Prozent der Befragten eine Pleite für wahrscheinlich, waren es im April bereits 55 Prozent. Auch die Regierung verliert an Rückhalt: Im Februar sagten 55 Prozent der Befragten, sie vertrauten Ministerpräsident Papandreou. Jetzt sind es nur noch 47 Prozent.

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