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Eine Grafik zeigt einen Haarfollikel in der Kopfhaut.

© imago/Science Photo Library

Erblich bedingter Haarausfall: Stimulation für die Follikel

Ein Mittel, das zur Therapie von Osteoporose entwickelt wurde, könnte auch gegen Haarausfall wirken.

Ein bereits bekannter Wirkstoff könnte Grundlage für ein besseres Mittel gegen Haarausfall sein. Die ursprünglich zur Behandlung von Osteoporose (Knochenschwund) entwickelte Substanz unterstütze das Haarwachstum, berichten Forscher um Ralf Paus von der University of Manchester in der Fachzeitschrift „PLOS Biology“.

Ursache für den typischen Haarausfall bei Männern ist wahrscheinlich häufig eine vererbte Veranlagung, die Haarfollikel empfindlich auf Abbauprodukte des Geschlechtshormons Testosteron reagieren lässt. Zunächst hatten die Forscher einen anderen Wirkstoff untersucht: Cyclosporin A. Es wird zur Unterdrückung von Reaktionen des Immunsystems verwendet, etwa nach Organtransplantationen.

Suche nach neuem Wirkstoff - auf Umwegen

Erst dieses Mittel ermöglichte es nach vielen Rückschlägen in den Anfangsjahren vielen Patienten, über Jahre und Jahrzehnte mit Spenderorganen zu leben. Es hat allerdings verschiedene Nebenwirkungen. Eine der harmloseren kann übermäßiges Haarwachstum sein. Das Team um Paus untersuchte im Labor die Wirkung von Cyclosporin A an Haarfollikeln. In diesen den Hautteinbuchtungen, in denen Haare wachsen, ermittelten die Wissenschaftler welche Gene dort aktiviert werden.

Sie fanden einen Einfluss auf den sogenannten Wnt-Signalweg, der in vielen Geweben entscheidend für Entwicklung und Wachstum ist. Cyclosporin A hemmt das Protein SFRP1, das wiederum hemmend auf den Wnt-Signalweg einwirkt.

Wirkung bereits nach zwei Tagen

Zu SFRP1 gibt es einen weiteren bekannten Gegenspieler, WAY-316606. Er wurde zur Behandlung von Osteoporose entwickelt. Bei dieser Krankheit werden Knochen zunehmend brüchiger. Die Wirkung auf Haarfollikel untersuchten die Forscher genauer und entdeckten, dass er die Verlängerung des Haars bereits zwei Tage nach der Behandlung signifikant verstärkte.

Bisher gibt es nur zwei zugelassene Substanzen, die bei erblich bedingtem Haarausfall – wichtigster Grund der Glatzenbildung bei Männern, aber teilweise auch für dünnes Haar bei Frauen – Wirkung zeigen. Minoxidil wird in die Kopfhaut einmassiert, Finasterid eingenommen. Beide sollen die Bildung eines Hormons, das Haarfollikel offenbar schwächt, bremsen. Sie wirken aber längst nicht bei allen Anwendern. Gemeinsam mit dem in Manchester jetzt identifizierten Wirkstoff haben sie, dass beide eigentlich in anderen Medikamenten gegen ganz andere Leiden eingesetzt werden – Finasterid gegen ProstataVergrößerung und Minoxidil gegen eine Form von Bluthochdruck.

Bei anderen Produkten fehlt die nachweisbare Wirkung

Bei anderen Produkten, die ebenfalls erfolgreich gegen Haarausfall vertrieben werden, fehlen entweder bislang echte Nachweise der Wirksamkeit oder sie sind nachweislich wirkungslos. Shampoos und Haarwasser mit Koffein etwa sollen ebenfalls jenen Hormonweg hemmen.

Minoxidil und Finasterid sind auch alles andere als nebenwirkungsfrei. Jucken und trockene Kopfhaut bei Ersterem ist nur eine davon. Anwender von Finasterid berichten nicht nur häufig über eine gedämpfte Sexualität, für sie wurde sogar festgestellt, dass sie ein erhöhtes Risiko für männlichen Brustkrebs haben. Auch Haartransplantationen sind wegen des Infektionsrisikos nicht komplett ungefährlich und zudem sehr teuer.

Von WAY-316606 sei bisher keine negative Einwirkung auf den menschlichen Körper bekannt, schreiben Paus und seine Kollegen. Durch dessen Wirkungsweise könne der Wirkstoff auch das Krebsrisiko umgehen, das mit einer dauerhaften Überaktivierung des Wnt-Signalwegs sonst verbunden sei.

Erste Versuche an Haarfollikeln

Die bisherigen Experimente machten die Dermatologen aus Manchester nicht mit Versuchstieren oder gar menschlichen Probanden. Sie kooperierten mit einem Haartransplantations-Chirurgen. Dadurch konnten sie echte Haarfollikel, die von 40 Patienten gespendet worden waren, untersuchen. „Dies macht unsere Forschung klinisch sehr relevant, da viele Haarforschungsstudien nur Zellkultur verwenden“, sagt Erstautor Nathan Hawkshaw von der University of Manchester. Studien an Tieren und Menschen werden allerdings in den kommenden Jahren folgen müssen. Sie werden zeigen, ob tatsächlich wieder mehr Haare wachsen, ob das Mittel verträglich ist – und sich nicht doch Nebenwirkungen einstellen.

Der Bonner Dermatologe Gerhard Lutz bezeichnet die Forschungsergebnisse aus Manchester als „wissenschaftlich fundiert erstellt“. Vor vielen Jahren sei in einem Fachartikel die erfolgreiche Behandlung von kreisrundem Haarausfall mit Cyclosporin A beschrieben worden. „Allerdings kann das Medikament aufgrund seiner Nebenwirkungen nicht im klinischen Alltag eingesetzt werden.“ Cyclosporin A eigne sich aber als Leitsubstanz zum Auffinden neuer Behandlungswege. Über das Herunterregeln spezifischer Proteine „könnten sich neue Therapieansätze ergeben“. (mit dpa)

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