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Weltweit kehren immer mehr junge Menschen der Wissenschaft den Rücken zu. Berlin kann diese Entwicklung drehen – dafür ist aber jeder Cent für Hochschulen und Forschung nötig.

© picture alliance / Christophe Gateau/dpa/Christophe Gateau

Für eine globale Metropole: Jeder Cent für Berlins Wissenschaft zählt

Weltweit kehren immer mehr junge Menschen der Wissenschaft den Rücken zu. Berlin kann diese Entwicklung drehen – muss dafür aber auch klug investieren. Ein Gastbeitrag.

Das erste Mal trafen wir den Regierenden bei der Verleihung des Berliner Wissenschaftspreises. An diesem Tag war Kai Wegner knapp eine Woche im Amt. Etwas später eröffnete er die Lange Nacht der Wissenschaften, auch das ein deutliches Zeichen.

Als wir ihn auf dem Fußballplatz beim Relegationsspiel von Viktoria Berlin wiedertrafen, bekräftigte er sein massives Eintreten für den Wissenschaftsraum Berlin. „Die Wissenschaft braucht das Gesicht, das unhinterfragte Einsetzen der Regierungsspitze“, sagte er. Und ja: Die letzten Exzellenzrunden und die Berliner Erfolge bei wichtigen Ausschreibungen wegweisender Forschung und der Kooperation mit der Oxford University haben das deutlich gezeigt.

Dabei dürfen wir eines nicht übersehen: Mehr noch als der Sport, viel mehr, gleicht ein Bundesland mit einer derartigen Dichte vielfältiger exzellenter Forschung und Lehre einem Magneten für die Köpfe der Welt: für die Jungen, die hier studieren wollen, und die (etwas) Älteren, die Teil einer vibrierenden Gemeinschaft werden möchten.

Der Regierende bekräftigt sein massives Eintreten für den Wissenschaftsraum Berlin. Hoffentlich auch der ganze Senat.

Jutta Allmendinger und Gregor Hofmann

Es ist zu hoffen, dass diese Preziose nicht nur vom Regierenden und der Wissenschaftssenatorin, sondern vom gesamten Senat gesehen wird.

Sparzwang gibt es allenthalben – die Schuldenbremse soll angezogen werden in Bund und Land, der Druck zu Einsparungen lastet auch auf der Wissenschaftslandschaft. Doch gerade jetzt wäre bei Wissenschaft und Forschung an der falschen Stelle gespart. Zahlt sich doch jeder hier investierte Euro gleich mehrfach aus.

Berlin ist einmalig breit aufgestellt

Zugleich ist jeder Cent dringend erforderlich. Standorte weltweit leiden darunter, dass immer mehr junge Menschen der Wissenschaft den Rücken kehren – Berlin kann diese Entwicklung drehen. Innovationen entstehen durch starke interdisziplinäre und intersektorale Verflechtungen – wo, wenn nicht in Berlin, sollte das möglich sein?

Von alleine wird dies allerdings nicht geschehen. Es braucht das Commitment von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, das gemeinsame Eintreten für die Zukunft unserer Stadt. Bestehende Infrastrukturen müssen instand gesetzt, jüngst angelaufene Vorhaben müssen weiter konsolidiert und zugleich muss in den Ausbau des Forschungsstandortes Berlin investiert werden.

Sparen bei der Wissenschaft? Das wäre die falsche Stelle: Jeder investierte Euro zahlt sich mehrfach aus.

Jutta Allmendinger und Gregor Hofmann

Mit den Partnern in der Berlin University Alliance (BUA), den Hochschulen und den zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, jüngst zusammengeschlossen in Berlin Research 50 (BR50), einmalig in Deutschland, ist der Berliner Forschungsraum breit aufgestellt und hat zurecht in der vergangenen Runde der Exzellenzinitiative überzeugt.

Die Politik hat geholfen und die Wissenschaft als Standortfaktor erkannt. Zu Recht, denn nach Berechnungen der Technologiestiftung Berlin hängen neben den rund 60.000 Stellen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch einmal mindestens 30.000 Jobs in Berlin mittelbar von Wissenschaft und Forschung ab.

60.000
Stellen an Hochschulen und Instituten, weitere 30.000 hängen davon ab

Hinzu kommt ihre Bedeutung in der Fachkräfteausbildung und als Fundament einer Wissens- und innovationsbasierten Wirtschaft mit einer bunten und bundesweit führenden Start-Up Szene. Von den umfangreich eingeworbenen Drittmitteln ganz zu schweigen.

Mittelkürzungen in den öffentlichen Haushalten würden dieses Fundament ins Wanken bringen. Drei Aspekte sind hier hervorzuheben:

Erstens gilt es Bestehendes zu wahren. Die Hochschulen in Berlin bedürfen verlässlicher Budgetzuwächse, um ihre Aufgaben im Angesicht von Inflation und höheren Energiekosten stemmen zu können. Weitere Aufgaben, wie etwa die Lehrerausbildung, bedürfen zudem zusätzlicher Mittel.

Außerdem muss die Infrastruktur in den Blick genommen werden. Die jüngsten Zwischenfälle an der TU Berlin unterstreichen, wie dringlich die Lage ist. Die Hochschulen haben Anfang des Jahres 5,1 Milliarden Euro an Mittelbedarf für die dringendsten Instandsetzungen angemeldet, der Gesamtbedarf liegt bei 8,2 Milliarden Euro.

Exzellente Forschung? Nicht, wenn die Decke durchbricht

Auch außeruniversitäre Einrichtungen sehen sich immer wieder mit Herausforderungen in ihrer Unterbringung konfrontiert. Zugleich verändern sich Anforderungen an moderne Labore, Server-Kapazitäten und weitere technische Infrastruktur ständig. Hier darf nicht gespart werden. Exzellente Forschung und herausragende Lehre kann nicht unter Bedingungen zustande kommen, in denen Forschende und Studierende nicht sicher sind, ob ihnen gleich die buchstäbliche Decke auf den Kopf fällt.

Zweitens müssen bereits angelaufene herausragende Vorhaben unterstützt werden, um sich zu konsolidieren. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Ansiedlung der Koordination von SHARE in Berlin, dem Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe.

Der international und interdisziplinär angelegte umfangreiche Datensatz, der auch von der EU gefördert wird, bietet als Infrastruktur wichtige Voraussetzungen, um die Auswirkungen von gesundheits-, sozial-, wirtschafts- und umweltpolitischen Maßnahmen auf das Leben der Menschen zu erforschen. WZB, DIW, Charité und das DZA haben hierfür 2022 ein Konsortium gegründet, das unter anderem über Mittel des Bundes finanziert wird, jedoch noch einer nachhaltigen Konsolidierung bedarf.

Ein weiteres Beispiel ist die Forschung zur Reduktion von Tierversuchen unter dem Stichwort 3R – Replace (Vermeiden), Reduce (Verringern), Refine (Verbessern). Berlin hat sich hier, unter anderem mit dem Einstein-Zentrum 3R als führend positioniert. Um diese Position zu stärken, bedarf es jedoch künftig weiterer Investitionen.

Klima und Energie: Die Wissenschaft wird gebraucht

Drittens muss heute schon für die Zukunft geplant werden. Berlin ist auch in der Forschung zu neuen Materialien und in der Energieforschung mit der Röntgenquelle Bessy II am HZB in Adlershof ein wichtiger Standort in Deutschland.

Doch diese Forschungsinfrastruktur ist rund 20 Jahre alt. Das Nachfolgemodell Bessy III ist in Planung. Um sich im Wettbewerb um Bundesmittel durchsetzen zu können, ist auch ein Beitrag seitens des Landes erforderlich. Dieser wäre gut angelegt. Der geplante Elektronenspeicherring Bessy III ist die Voraussetzung für eine hochrelevante, exzellente Forschung, die die Grundlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff, Solarzellen oder neuen Materialien bereitet.

Insgesamt bedeutet dies auch das Zusammenwirken von vielen Einrichtungen, mit entsprechend neuen Ausgestaltungen von Karrierewegen, die die Attraktion Berlins für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weiter stärken.

Wissenschaft und Forschung leisten wichtige Beiträge, um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, von Klimawandel und Energiewende, über gesundes Altern bis hin zur Fachkräfteausbildung und der Förderung einer inklusiven und gerechten Gesellschaft. Hier den Rotstift anzusetzen, würde dem Standort Berlin nachhaltig schaden.

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