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Tagesrückspiegel – Heute vor 175 Jahren: Work&Travel, Schiffbruch und eine lebenslange Freundschaft

Zwei junge Naturforscher brechen nach Brasilien auf, mit wissenschaftlichen und auch mit Finanz-Ideen. Es geht nicht alles glatt, aber für die Geschichtsbücher reicht es.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Was gibt es Schöneres, als mit Freunden in die Ferne zu reisen? Der in Wales geborene Schotte Alfred Russel Wallace und der Engländer Henry Walter Bates waren Freunde. Sie interessierten sich auch für dieselben Sachen: tropische Pflanzen und Tiere. Und an die kam man eben auch nur in der Ferne gut heran.

Woran es ihnen mangelte, wie so oft, war das nötige Kleingeld. Ihre Idee, dieses Problem zu lösen, war eine Frühform von „Work and Travel“: ein Schiff in die Tropen nehmen, dort tropische Pflanzen und Tiere sammeln und das, was man nicht für die eigene Sammlung und Forschung braucht, in die Heimat zurückschicken und dort verkaufen.

Sie waren jung und sie brauchten das Geld

Die Mitte des 19. Jahrhunderts war auf den britischen Inseln dafür eine gute Zeit. Naturforschung boomte zu Zeiten Queen Victorias, die Museen wollten ihre Sammlungen entsprechend aufstocken, möglichst mit neuen, exotischen Spezies. Und gutsituierte private Sammler kamen als zahlungskräftige Abnehmer hinzu.

Traumziel für Forscher, schon vor 175 Jahren: das Amazonasgebiet.

© Yasuyoshi Chiba/AFP

So schifften sich die beiden, 23 und 25 Jahre jung, am 26. April 1848, heute vor 175 Jahren, in Richtung Brasilien ein.

Die Rechnung ging auf. Zum Teil zumindest. Als Wallace 1852 als erster per Schiff zurückkehrte, verlor er seine gesamte Sammlung, und beinahe sein Leben.

Denn die „Helen“ ging auf dem Atlantik in Flammen auf, und Wallace und die Crew verbrachten zehn Tage in einem offenen Rettungsboot, bevor ein anderes Schiff sie sichtete und aufnahm. Zumindest war die Ladung versichert. Wallace hatte auch fast alle Aufzeichnungen verloren, schrieb in London aber dann trotzdem, aus dem Kopf, wissenschaftliche Artikel und Bücher.

Legenden der Naturforschung

Bates schickte daraufhin seine Sammlung, das Risiko streuend, mit mehreren Schiffen gen England. Verlässlich Geld verdiente er später als Sekretär der königlich-geographischen Gesellschaft. Wallace bekam, nachdem die Sammelstücke seiner späteren Expedition zum Malaiischen Archipel verkauft waren, nie einen festen Job und war lange Zeit sehr knapp bei Kasse.

Beide sind in die Geschichte als bedeutende Forscher eingegangen. Wallace ist zusammen mit Charles Darwin Begründer der Theorie der Evolution durch natürliche Selektion. Bates steht mit der von ihm beschriebenen Mimikry, bei der sich etwa Fliegen das Warnmuster von Wespen zulegen, um Fressfeinde abzuschrecken, in jedem Lehrbuch zur Evolution.

Beide blieben Freunde fürs Leben. Bates starb 1892 im Alter von 67 Jahren. Wallace würdigte ihn in einem Nachruf in „Nature“ als epochalen Naturforscher, dessen Leben sicher durch die „Plackerei“ als Sekretär im Büro verkürzt worden sei.

Wallace bekam letztlich, auf Betreiben Darwins, wegen seiner Verdienste eine ausreichende Rente vom Königshaus. Er starb, mehr als 60 Jahre nach jenem Schiffbruch, 1913 im Alter von 90 Jahren.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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