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Erst seit den 90ern besinnt sich die Humboldt-Universität auf ihre Grundwerte.

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Heute vor 214 Jahren: Gründung der Humboldt-Uni

Die HU wird oft als Mutter der modernen Universitäten bezeichnet. Ihr humanistisches Gründungsideal hat die Uni im Lauf ihrer Geschichte jedoch häufig missachtet.

Eine Kolumne von Christoph David Piorkowski

Allgemeine Bildung statt Fachidiotie und eine freie Forschung, die mit Lehre einhergeht – der Geist des humanistischen Bildungsideals prägt bis heute die Wissenschaftskultur. Was längst akademisches Gemeingut ist, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein frisches, ja revolutionäres Konzept, das auf den Sprachwissenschaftler und Bildungspolitiker Wilhelm von Humboldt zurückzuführen ist.

Am 16. August 1809, heute vor genau 214 Jahren, wird die Humboldt-Universität zu Berlin gegründet, die jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg den Namen der Humboldt-Brüder erhält. Zunächst wird sie nach ihrem Gründer benannt, dem preußischen König Friedrich Wilhelm III.

Die Persönlichkeitsbildung des Einzelnen, eine Wissenschaft, die um ihrer selbst willen praktiziert wird und eben die Einheit aus Forschung und Lehre – das sind die tragenden Säulen von Humboldts Modell, das die Uni zur Mutter der modernen Universitäten machte.

Dabei wurden die humanistischen Ideale in der wechselvollen Geschichte der Universität immer wieder missachtet. So war die Humboldt-Uni tief in das koloniale Projekt der wilhelminischen Kaiserzeit verstrickt. Anthropologen, Mediziner oder Geografen forschten mittels zahlreicher geraubter Objekte, die bis heute oft in hiesigen Sammlungen lagern. Gleichzeitig produzierten Wissenschaftler „Wissen“, das die brutalen Kolonialpolitiken ideologisch legitimierte.

Der Exodus von Jüdinnen und Juden – die es auch vor 1933 an der Humboldt-Uni schwer hatten – wurde unterm Hakenkreuz unter aktiver Mitwirkung von Studierenden und Lehrenden erzwungen, von denen sich auch viele an der Bücherverbrennung 1933 beteiligten. Widerstand aus der Akademie heraus war dabei eher die Ausnahme.

In der Nachkriegszeit wurde die in Ost-Berlin angesiedelte HU dann auf den realsozialistischen Kurs der DDR-Führung eingeschworen. Erst seit den 1990er-Jahren entwickelte sich die HU zu jener Institution, die sie gegenwärtig ist und knüpfte ideell an ihre Ursprünge an. Heute wendet sie sich in ihrem Leitbild gegen „jede Form von Diskriminierung, Intoleranz und kultureller Selbstüberhöhung.“ Die systematische Aufarbeitung der kolonialen Verstrickungen der Uni ist gleichwohl noch lange nicht abgeschlossen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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