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 Patrice Lumumba, der erste Ministerpräsident des unabhängigen Kongo.

© imago images/Everett Collection/Courtesy Everett Collection via www.imago-images.de

Heute vor 63 Jahren: Der Kongo feiert seine Unabhängigkeit

Die Unterdrückung der kongolesischen Bevölkerung durch Belgien ist eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Kolonialgeschichte. Auf seine wirkliche Unabhängigkeit wartet der Kongo bis heute.

Eine Kolumne von Christoph David Piorkowski

„Wer wird die Erschießungen vergessen, die Kerker, in denen jene schmachteten, die sich der Ausbeutung nicht unterwerfen wollten“ – am 30. Juni 1960, heute vor genau 63 Jahren, zwingt der Kongolese Patrice Lumumba die Belgier dazu, in den Spiegel zu blicken und die Fratze ihrer kolonialen Herrschaft zu betrachten. Offiziell soll „Belgisch-Kongo“ auf den Müllberg der Geschichte, das Subsahara-Land feiert Unabhängigkeit. Auch wenn Belgien und die USA versuchen, die De-Facto-Kontrolle gewaltsam zu behalten.  

Manche Historiker:innen sind der Auffassung, der Auftritt des ersten gewählten Ministerpräsidenten des Kongo (heute „Demokratische Republik Kongo“) im Rahmen der Unabhängigkeitsfeier sei letztlich das Fanal seiner Hinrichtung gewesen. Nur wenige Monate später wird Patrice Lumumba von seinen kongolesischen Rivalen unter Mitwirkung der CIA und des belgischen Geheimdienstes abgesetzt, gefangen genommen, gefoltert und ermordet, seine Leiche wird verstümmelt und in Säure aufgelöst.   

Die kolonialen Aktivitäten der Belgier beginnen gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der leidvollen Herrschaft von Leopold II. Der belgische König erwirbt den Kongo als Privatkolonie. Die Geschichte des sogenannten „Freistaates Kongo“ ist sicher eines der dunkelsten Kapitel der an dunklen Kapiteln reichen Geschichte des europäischen Kolonialismus. Mit seiner eigenen Armee, der „Force Publique“ plündert Leopold das rohstoffreiche Land, das 75 mal so groß ist wie Belgien, systematisch und rücksichtslos aus. Über Zwangsarbeit und Sklaverei wird unter anderem Kautschuk gewonnen.

Menschen werden massenhaft ermordet und verstümmelt, mehrere Millionen lassen so ihr Leben. Schon damals sind viele Personen in Europa von den sogenannten „Kongo-Gräuel“ bestürzt. 1908 muss Leopold sein privates Kolonialexperiment beenden und die Kolonie dem belgischen Staat übergeben. Zwangsarbeit wird offiziell abgeschafft, die Bevölkerung aber wird weiter unterdrückt. Es entsteht eine Art Apartheitsregime, relevante Positionen, so in der Verwaltung, werden allein von Belgiern besetzt. 

Als diese sich 1960 dann zurückziehen, und Patrice Lumumba Premierminister wird, ist die geschundene Region kaum regierbar. Die Belgier forcieren das Chaos im Land, und unterstützen das sezessionistische Katanga. Die USA halten Lumumba für einen Kommunisten, fürchten dieser werde mit den Sowjets paktieren und der Rohstoff-Reichtum an den Feind verloren gehen. „Wir haben beschlossen, dass die Beseitigung Lumumbas unser wichtigstes Ziel ist“, heißt es in einem CIA-Telegramm.  

Der antikoloniale Lumumba wird ermordet, die demokratische Chance des Kongo ist verpasst. Auf Bürgerkriege folgt die vom Westen gestützte, mehr als drei Jahrzehnte währende Mobutu-Diktatur. Bis heute ist vor allem der Nordosten des Landes Schauplatz globaler Rohstoffkonflikte. Batterien und Smartphones fordern Kobalt und Coltan. Im Kongo ist heute die Haltung populär, die Rohstoffe des Landes seien Fluch und nicht Segen. Auf seine wirkliche Unabhängigkeit wartet das Land im Grunde bis heute. 

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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