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Joshua Slocum lehnte es ab, auf Dampfschiffen zu fahren.

© gemeinfrei

Heute vor 125 Jahren: Allein in einem Boot um die Welt

Am 27. Juni 1898 erreichte Joshua Slocum seinen Zielhafen, nachdem er als erster Mensch in einem Boot die Welt umrundet hatte. Seine Fahrt über die Meere inspiriert noch heute.

Eine Kolumne von Stephanie Eichler

Joshua Slocum umrundete als erster Mensch allein in einem Boot den Globus. Am 24. April 1895 brach er von zu Hause in Boston, Massachusetts (Ostküste der USA) auf, fuhr über den Atlantik nach Gibraltar, nahm Kurs auf Südamerika, überwand die Magellanstraße, durchquerte den Pazifischen, den Indischen und erneut den Atlantischen Ozean.

Am 27. Juni 1898, heute vor 125 Jahren, legte er schließlich im Hafen von Newport in Rhode Island an, nur ein paar Dutzend Kilometer von seinem Heimathafen entfernt.

Auf seiner mehr als drei Jahre währenden Odyssee erlebte der Seemann Monsterwellen, unberechenbare Strömungen, Windhosen – mehrmals wäre sein Schiff fast gekentert. Slocum verfügte zur Orientierung nur über einen Sextanten. Seine Segel bestanden aus empfindlicher Baumwolle. Doch er erreichte immer wieder die Küste, ließ sein Boot im Hafen liegen und spannte aus.

Auf Samoa im südwestlichen Pazifik besuchte er Fanny Stevenson, die Witwe von Robert Luis Stevenson, Autor des Abenteuerbuchs „Die Schatzinsel“. In der Südafrikanischen Republik traf er Paul Kruger, den Staatschef, der glaubte, die Welt sei flach.

Der gebürtige Kanadier, der später die US-amerikanische Nationalität annahm, heuerte schon als Kind auf Schiffen an, wurde Offizier und war im Alter von 25 Jahren Kapitän. Er übernahm das Kommando über große Frachtsegler auf langer Fahrt, zum Beispiel nach China. Doch die Dampfschifffahrt gewann an Bedeutung.

Als im Jahre 1887 die Aquidneck, ein kleines, aber schnelles Segelschiff, das ihm selbst gehörte, vor der Küste Brasiliens auf einer Sandbank strandete und zerbarst, baute er aus den Trümmern die Liberdade, um nach Hause zu kommen. Er genoss es, ohne Kommando, Crew oder Fracht unterwegs zu sein, wie in dem Bericht „Die Reise mit der Liberdade“, nachzulesen ist. Nach deren Ende geriet der da bereits knapp 50-Jährige in eine tiefe Krise. Slocum war bankrott.

Als alter Segler lehnte er das Kommando auf dampfbetriebenen Schiffen ab. Er versuchte sich als Fischer, aber hatte keinen Erfolg. Da kam er auf die Idee, mit einem Einmastsegler die Welt zu umrunden. Er hatte das Schiffswrack „Spray“ geschenkt bekommen, das er im Laufe eines Jahres zu einem fahrtauglichen Boot umbaute.

So aberwitzig die Idee heute erscheinen mag – die Fahrt über die Weltmeere macht Slocum zu einem Vorbild für Menschen heute, um die Klimakrise zu bewältigen: Es ist davon auszugehen, dass Slocum auch aufbrach, weil er Flow erleben wollte. Nach dem amerikanisch-ungarischen Psychologen Mihály Csíkszentmihályi sind Menschen im Flow, wenn sie Aktivitäten, die einiger Übung bedürfen, um ihrer selbst willen ausüben, wie Sport oder ein Handwerk, wenn sie ein Musikinstrument spielen oder Kunst erzeugen, dabei konzentriert sind und das genießen.

So wie Slocum auf seinem Boot: „Da war sie wieder, diese besondere Stimmung beim Segeln, die Liebe zu der Sache an sich, die mich überkam, als das kleine Schiff auslief“, hatte er in seinem Bericht über die Liberdade geschrieben.

In Kapstadt zeigte Slocum Interessierten sein Boot, die „Spray“.

© IMAGO/Gemini Collection

Tim Jackson, Professor für nachhaltige Entwicklung an der University of Surrey, hält in einer Studie fest, dass Flow-Erlebnisse als Alternative zu Lebensweisen gehandelt werden sollten, die etwa durch ausgeprägten Konsum die Umwelt belasten. Denn erstens sind Flow-Aktivitäten mit einem großen persönlichen Wohlbefinden verbunden und produzieren zweitens meist wenig Kohlendioxid.

Dabei muss es auch nicht so gefährlich zugehen wie bei Slocum. Der Segler stach 1909 zum letzten Mal in See und blieb für immer verschollen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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