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Dr West’s ‘Miracle Tuft’ toothbrush, von Du Pont, die erste Zahnbürste mit Borsten aus Nylon (vorne). Dahinter ein älteres Modell mit Pferdehaar der Firma  Savory and Moore Ltd., London.

© Science Museum London/David Exton

Tagesrückspiegel – Heute vor 85 Jahren: Moderne Zahnbürste kommt auf den Markt

Lange schrubbten sich die Menschen mit Zweigen oder Tierhaaren den Belag von den Zähnen. Erst eine Erfindung der Moderne brachte den Durchbruch in der Mundhygiene.

Eine Kolumne von Birgit Herden

Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der Zahnleiden. Während Tiere nur selten an Karies oder Zahnfleischentzündungen erkranken, werden Menschen seit der Erfindung der Landwirtschaft von der Mundfäule heimgesucht: Der Speisebrei aus Getreide klebt an den Zähnen und wird beim Kauen zum Teil schon in Zucker umgewandelt, ein idealer Nährboden für Kariesbakterien.

Entsprechend alt sind die Versuche, sich die Ablagerungen des gefährlichen Breis von den Zähnen zu schrubben. Schon vor über 5000 Jahren benutzten Ägypter und Babylonier dafür die faserigen Enden kleiner Zweige. Besonders geeignet sind Zweige des Arrakbaums, auch Zahnbürstenbaum genannt, mit denen sich auch Mohammed die Zähne gebürstet haben soll, denn sie enthalten neben feinen Kristallen geringe Mengen an Fluorid.

Wilschweinborsten und Pferdehaar

Die Zahnbürste im heutigen Sinne wurde 1500 nach Christus in China erfunden – an Griffen aus Knochen oder Bambus befestigte man die Borsten von Wildschweinen, vorzugsweise die von Tieren aus dem Norden mit dicken Haaren. In Europa setzte sich die Erfindung allerdings nur sehr zögerlich durch und blieb lange Zeit ohnehin nur für die Reichen erschwinglich.

Dr West’s ‘Miracle Tuft’ toothbrush, von Du Pont, die erste Zahnbürste mit Borsten aus Nylon (vorne). Dahinter ein älteres Modell mit Pferdehaar der Firma Savory and Moore Ltd., London. 

© Science Museum London/David Exton

Die als zu hart empfundenen Wildschweinborsten ersetzte man oft durch Pferdehaar, beides war nur bedingt hygienisch. Eine erste Massenproduktion startete der Engländer William Addis of Clerkenwald um 1780. Der hatte als Gefängnisinsasse genügend Muße gehabt, einen Prototyp zu entwickeln und starb schließlich als reicher Mann.

Die Erfindung des Chemikers

Um die Zahnbürste zum massentauglichen Erfolgsschlager zu machen, bedurfte es aber erst einer besonderen Erfindung. Die verdankt die Welt dem hochbegabten und depressiven Chemiker Wallace Hume Carothers, der 1928 widerstrebend eine Stelle bei der amerikanischen Firma DuPont annahm. Als Forscher und Entwickler hatte er dort weitgehende Freiheiten und entschied sich, die Existenz von „Polymeren“ nachzuweisen, indem er sie selbst herstellte: lange Ketten aus den immergleichen Molekülen.

Anfang 1934 gelang ihm ein Durchbruch: Die Herstellung eines Polyamids, das die Firma später Nylon nannte. Das neue Material war weich, haltbar und wegen seiner hygienischen Glätte hervorragend geeignet, die Tierhaare der bisherigen Zahnbürsten zu ersetzten. Am 24. Februar 1938, heute vor 85 Jahren, startete DuPont mit der Produktion der neuen Zahnbürste, der „Dr West’s ‘Miracle Tuft’ toothbrush.“

Carother erlebte diesen Tag genauso wenig wie später die kulturprägende Produktion der Nylonstrümpfe durch Dupont. Schon 1937 hatte er sich das Leben genommen. Seine Erfindung kam aber zur rechten Zeit: Im Lauf des letzten Jahrhunderts wurde Zucker allgegenwärtig in der Ernährung, was das Karies-Problem noch verstärkte.

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