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Derzeit gibt es in Deutschland gentechnisch veränderte Pflanzen nur in Gewächshäusern. Mit der neuen EU-Regelung könnte sich das ändern.

© Imago/allOver-MEV

Neue Regulierung von Gen-Pflanzen : Forschung drängt auf schnelle Entscheidung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Vorhaben der EU, bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen weniger restriktiv zu regulieren. Die noch strittige Patentfrage solle getrennt verabschiedet werden, sonst gehe Potenzial zur Anpassung an die Klimakrise verloren.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) appelliert eindringlich an die Bundesregierung, dem Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zum Umgang mit neuen Genomtechniken in der Pflanzenzüchtung zuzustimmen. Eine Entscheidung bezüglich neuer Züchtungstechniken sei noch vor der Europawahl 2024 notwendig, um die Pflanzenforschung zu fördern: Die Diskussion über den Schutz des geistigen Eigentums an Pflanzen, die mit neuen Technologien erzeugt wurden, bedürfe zwar weiterer Überlegungen, sollte aber vom Verordnungsvorschlag getrennt werden, um Zeit zu gewinnen. 

Die EU-Kommission hatte im Sommer 2023 einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der den Umgang mit neuen genomischen Techniken in der Pflanzenzucht neu ordnen soll. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Position zu der Gesetzesvorlage. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung bis Ende 2023 an.

Wie dabei der Schutz des geistigen Eigentums an Pflanzen, die mithilfe neuer genomischer Techniken erzeugt wurden (NGT-Pflanzen), berücksichtigt werden soll, betrachten Pflanzenzüchter:innen mit Sorge. Sie befürchten, dass Patente auf NGT-Pflanzen den Zugang zu biologischem Material für die weitere Züchtungsarbeit einschränken und damit den Züchtungsfortschritt in der Zukunft gefährden könnten.

Regulierung und Patentfrage trennen

„Um die rechtlichen Fragen des Patent- und Sortenschutzes für alle Beteiligten zufriedenstellend zu lösen, bedarf es weiterer sorgfältiger Überlegungen“, so die DFG. Zwischen dem europäischen Gentechnikrecht einerseits und dem Recht des geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutzrecht) andererseits besteht aus Sicht der DFG allerdings kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang.

Es wäre ein falsches Signal an Wissenschaft und Forschung, sollte die Entscheidung über eine Neuregulierung des Gentechnikrechts weiter aufgeschoben werden.

Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Daher drängt die Forschungsgemeinschaft darauf, die Diskussion um das Patent- und Sortenschutzrecht von dem Regelungsvorschlag der EU-Kommission zu entkoppeln. So könnten Verzögerungen vermieden werden. „Der Wissenschaft läuft die Zeit davon“, sagte der Rechtswissenschaftler Hans-Georg Dederer am Rande einer Veranstaltung* zu dem Thema in Berlin. Die DFG verweist hier auch auf das Potenzial genomischer Techniken zur Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise. 

Selbst wenn der EU-Rat und das Europäische Parlament dem Verordnungsentwurf der Kommission im kommenden Jahr zustimmen sollten, würde es nach diesem Vorschlag immer noch zwei Jahre ab Inkrafttreten der Verordnung dauern, bis deren Regelungen greifen, erklärte Dederer, der wissenschaftliches Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung ist. „Bis dahin profitieren europäische Forscherinnen und Forscher weiterhin nicht von erleichterten regulatorischen Bedingungen für Arbeiten mit NGT-Pflanzen, anders als viele ihrer außereuropäischen Kolleginnen und Kollegen.“

„Es wäre ein falsches Signal an Wissenschaft und Forschung, sollte die Entscheidung über eine Neuregulierung des Gentechnikrechts weiter aufgeschoben werden“, meint auch DFG-Präsidentin Katja Becker. „Für eine zukunftsgerichtete und innovative Pflanzenforschung in Deutschland und Europa ist eine Erleichterung des Zugangs zu Feldversuchen mit Pflanzen, die mit diesen neuen Technologien entwickelt wurden, unabdingbar.“

Denn nur in Freilandversuchen könne geklärt werden, inwieweit Forschungsergebnisse aus Labor und Gewächshaus auf reale Anbaubedingungen übertragbar sind. Das sei sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die Anwendung wichtig. „Dabei geht es zum Beispiel um das Verständnis der genetischen Grundlagen von Salz-, Dürre- und Hitzetoleranz, die uns helfen, die Pflanzen an ein sich wandelndes Klima anzupassen“, so die DFG-Präsidentin.

* Transparenzhinweis: Diese Veranstaltung wurde vom Tagesspiegel-Mitarbeiter Sascha Karberg moderiert.

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