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Riffhaie sind die Top-Räuber in den artenreichen Meeresökosystemen.

© Andy Mann

Riffe ohne Räuber: Haie werden stark überfischt

Fast zwei Drittel der Bestände ehemals häufiger Arten von Haien und Rochen sind an Riffen nicht mehr anzutreffen. Das könnte sich jedoch wieder ändern.

Die Aufzeichnungen von fast 23.000 automatischen Unterwasser-Videostationen in rund 400 Korallenriffen zeigen ein eindeutiges Bild: Die dort am häufigsten schwimmenden fünf Hai-Arten werden erheblich seltener. Die Zahl der dort lebenden Individuen liegt zwischen 60 und 73 Prozent niedriger als Modellrechnungen für intakte Riffe ergeben. Das berichtet eine große Forschungsgruppe um Colin Simpfendorfer von der James-Cook-Universität in Townsville in Australien in der Zeitschrift „Science“.

Bestände des Schwarzspitzen-Riffhais Carcharhinus melanopterus sind im Pazifik und im Indischen Ozean aus fast jedem zweiten Riff verschwunden, Graue Riffhaie (Carcharhinus amblyrhynchos) aus über 40 Prozent. Auch Karibische Riffhaie (Carcharhinus perezi) wurden an über 40 Prozent ihrer ehemaligen Riffe im Atlantik nicht mehr angetroffen.

Stärker noch sind Jamaika-Stechrochen (Urobatis jamaicensis) betroffen, die aus fast 80 Prozent ihrer Heimat-Riffe in der Karibik verschwunden sind, sowie im Indischen Ozean und dem Pazifik die Arten von Blaupunktrochen mit über 60 Prozent und Grauen Stechrochen mit über der Hälfte weniger Riffen.

Ursache dieses drastischen Niedergangs ist die Überfischung, sagt die Gruppe um Colin Simpfendorfer. Entweder werden die Haie direkt gefangen oder die Menschen fangen so viele Fische, dass die Haie wegen Beutemangel immer weniger Nachwuchs haben.

Gefahr für Riffe

Verschwinden die Haie aus den Riffen, profitieren davon die mit ihnen relativ nah verwandten Rochen, beobachtet das Team um Colin Simpfendorfer. Anscheinend übernehmen sie die Rolle der Haie in den Korallenriffen. Beide Gruppen gehen sich normalerweise meist aus dem Weg: Während die Haie eher im offenen Wasser Fische jagen, tarnen Rochen sich am Meeresgrund, aus dem sie ihre Beute holen.

„Weiter oben erwischen die Haie häufig kranke und geschwächte Fische“, erklärt Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) und der Universität Bremen. Der Wissenschaftler erforscht die Ökosysteme der Korallenriffe, war an der Studie von Colin Simpfendorfer aber nicht beteiligt. „Haie spielen also die Rolle einer Gesundheitspolizei und steigern so die Produktivität der Riffe“, beschreibt der ZMT-Forscher die wichtige Rolle der großen Raubfische. Ohne sie leidet das gesamte Ökosystem.

Das Verschwinden der Riffhai-Populationen ist daher ein weiterer Faktor, der Korallenriffe, die bereits vom Klimawandel und direkten Einflüssen der Menschen geschädigt werden, gefährdet.

Comebacks nicht ausgeschlossen

Doch die Gruppe um Simpfendorfer sieht gute Möglichkeiten, dass Riffe von Haien wieder besiedelt werden, die in anderen Regionen überlebt haben. Haien und Rochen gehe es in den Meeresgebieten von reicheren, demokratischen Ländern am besten. Haireiche Lebensräume liegen in Schutzgebieten oder vor Ländern, die den Fang von Haien und Rochen verbieten. Viele Riffe, aus denen die Haie verschwunden sind, liegen nicht weit entfernt von Gebieten mit einer gesunden Population.

„Ein gutes Beispiel ist die Inselwelt Polynesiens, Neukaledonien, die Fidschi-Inseln und die Republik Palau im tropischen Pazifik“, erklärt ZMT-Forscher Sebastian Ferse. Oft gibt es dort ohnehin keine Hai-Fischerei mit modernen Methoden und die Meeresräuber werden in der Kultur hochgeschätzt. Die Wirtschaft dieser Regionen hängt häufig stark vom Tourismus ab – und im Urlaubsparadies wollen die Menschen des 21. Jahrhunderts eine intakte Natur und damit auch Riffhaie sehen.

„In solchen Regionen wimmelt es oft vor Haien“, erklärt Sebastian Ferse. Und das ist eine wichtige Touristen-Attraktion, zumal Riffhaie Menschen extrem selten angreifen. „Allerdings sollte ein großer Teil der durch den Tourismus eingenommenen Gelder auch bei den Menschen auf diesen Inseln ankommen“, sagt der ZMT-Forscher.

Floriert eine solche „Wertschöpfung durch Haie“ und boomen die Populationen, wandern die Meeresräuber dann auch zu anderen Riffen, aus denen sie zuvor verschwunden sind. Schwenken die Menschen auch dort von der Überfischung zum Tourismus um, steigen die Chancen für die Meeresräuber und das gesamte Ökosystem Riff.

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