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In der industriellen Landwirtschaft ist der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln bislang unverzichtbar.

© imago images / Panthermedia

Umstrittener Pflanzenschutz: Zulassung von Glyphosat soll verlängert werden

Die EU-Kommission schlägt vor, die Zulassung von Glyphosat um zehn Jahre zu verlängern. Eingeplante Beschränkungen reichen nach Einschätzung Forschender aber nicht aus, um Risiken für Mensch und Natur auszuschließen.

Die Abstimmung ist für den 13. Oktober vorgesehen. Der Ausschuss der EU-Kommission für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed, PAFF Committee) soll entscheiden, ob die Zulassung des weltweit am häufigsten eingesetzten Pflanzenschutzmittels Glyphosat gemäß einem Vorschlag der EU-Kommission um zehn Jahre verlängert wird.

Glyphosat ist wegen seiner möglichen schädlichen Wirkungen auf Natur und Mensch umstritten. Aktuell läuft die Zulassung noch bis Mitte Dezember, sodass ein langjähriger Bewertungsprozess der Risiken des Einsatzes nun zum Abschluss kommen muss. Die Zulassung für Glyphosat war im Jahr 2017 zunächst bis Ende 2022 und dann um ein weiteres Jahr verlängert worden, um die Auswertung von rund 2400 Veröffentlichungen zur Risikoanalyse des Einsatzes abzuwarten.

Grundsätzlich widerspricht der Vorschlag der EU-Kommission allen öffentlichen Diskussionsergebnissen der zurückliegenden Jahre.

Maria Finckh, Leiterin des Fachgebietes Ökologischer Pflanzenschutz, Universität Kassel

Mit ihrem Vorschlag bleibt die Kommission nun hinter dem maximal möglichen Verlängerungszeitraum von 15 Jahren zurück. Er enthält zudem eine Reihe von Bedingungen und Einschränkungen, an die die Zulassung geknüpft werden soll. Sie greifen nach Einschätzung einiger Experten jedoch zu kurz.

„Grundsätzlich widerspricht der Vorschlag der EU-Kommission allen öffentlichen Diskussionsergebnissen der zurückliegenden Jahre“, sagte Maria Finckh vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften an der Universität Kassel dem Science Media Center Deutschland. Auswirkungen auf Insekten, vor allem Bienen, und Mikroorganismen würden nicht thematisiert, sondern nur indirekte Effekte auf die Biodiversität über das Nahrungsnetz. „Die antibiotische Wirkung von Glyphosat und die vielfältigen Daten, die aufzeigen, wie die selektive antimikrobielle Wirkung von Glyphosat die Gesundheit von Tieren, Menschen und Pflanzen beeinträchtigt, werden schlicht ignoriert“, sagt Finckh. „Dies ist eine gravierende Lücke, die nicht akzeptabel ist.“

Die genannten Einschränkungen des Einsatzes seien EU-weit eine Verbesserung, sagt Finckh. Für Deutschland bedeuteten sie jedoch fast keine Veränderung des Status Quo.

Bei der Bewertung des Restrisikos sollte berücksichtigt werden, dass es bis heute keine Substanz gibt, die bei vergleichbarer Wirkung weniger unerwünschte Nebenwirkungen hat.

Christoph Schäfers, Bereichsleiter Angewandte Oekologie, Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie, Schmallenberg

Christoph Schäfers vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie in Schmallenberg hält den Vorschlag dagegen für angemessen: „Die wesentlichen Diskussionen ergaben sich zum einen um die verwendeten Formulierungen, die nun eingeschränkt werden und dies in einigen Mitgliedsstaaten bereits waren.“ Für die diskutierten krebserzeugenden Wirkungen seien zwar mechanistisch keine Hinweise gefunden worden. Dennoch würde ihnen vorsorglich dadurch Rechnung getragen, dass die humane Exposition über Nahrungsmittel und Trinkwasser minimiert würde.

„Bei der Bewertung des Restrisikos sollte berücksichtigt werden, dass es bis heute keine Substanz gibt, die bei vergleichbarer Wirkung weniger unerwünschte Nebenwirkungen hat.“ Das wesentliche Problem von Glyphosat ist sein Einsatz in extrem großem Umfang. „Wenn dieser mithilfe der neuen Regulation eingeschränkt wird, ist bereits viel erreicht“, sagt Schäfers.

Staatliche Verantwortung

Gemäß dem Kommissionsvorschlag sollen die Mitgliedstaaten klären, wie hoch die Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher durch Glyphosat-Rückstände sein könnte. Der Vorschlag enthält zudem Höchstwerte für fünf toxikologisch relevante Verunreinigungen im Glyphosat und Schutzbestimmungen für das Grundwasser, kleine pflanzenfressende Säugetiere sowie Land- und Wasserpflanzen, die durch die Sprühdrift mit Glyphosat in Kontakt kommen.

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Die Sikkation – die Behandlung unmittelbar vor der Ernte für eine schnellere Reife, die in Deutschland nur noch in Ausnahmefällen erlaubt ist – soll gänzlich untersagt werden und ein mindestens fünf bis zehn Meter breiter nicht besprühter Pufferstreifen am Feldrand gelassen werden. Ebenso sollen indirekte Effekte auf die Artenvielfalt durch Wechselwirkungen im Nahrungsnetz berücksichtigt und gegebenenfalls durch lokale Regulationen vermieden werden.

„Systematisches Leugnen“

Doch die Beschränkungen gehen Fachleuten nicht weit genug. „Auswirkungen auf Bodenorganismen und Bodengesundheit werden im Vorschlag nicht einmal erwähnt“, kritisiert Johann Zaller, Zoologe an der Universität für Bodenkultur Wien. Dabei seien die Böden in ganz Europa mit Glyphosat kontaminiert. „Der Vorschlag der EU-Kommission offenbart ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität und der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Glyphosat dazu beiträgt“, sagt Zaller und verweist auf eine eigene wissenschaftliche Literaturauswertung.

Auch Fraunhofer-Ökologe Schäfers würde stärkere Einschränkungen begrüßen: „Besser ist: ganz ohne Herbizide.“ Dazu bedürfe es aber einer grundlegenden Umstellung der Anbaupraktiken, was wiederum höhere Erzeugerpreise und die Solidarität der Verbraucher erfordert.

„Mit Blick auf die europäischen Reduktionsziele zum Pflanzenschutz gab es die Einschätzung, dass mit dem Ende von Glyphosat bereits ein großer Reduktionsschritt gemacht werden könnte“, sagt Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung der Universität Göttingen. Glyphosat sei zwar von den Risiken her gesehen „ein Leichtgewicht“, aber „ein großer Treiber bei den ausgebrachten Mengen“. Im Falle einer Wiederzulassung werden also die Reduktionserfordernisse auf andere Weise erfüllt werden müssen.

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