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Kolumne – Wiarda wills wissen

© Tagesspiegel/Nassim Rad/Tagesspiegel

Wiarda will’s wissen: Die Höchstausgaben für Wissenschaft täuschen

An und für sich investiert Deutschland einen Höchstwert in Forschung und Entwicklung. Absurderweise stagnieren die Ausgaben aber. Und das seit Jahren. Wie viel ist es Deutschland wert, wettbewerbsfähig zu bleiben?

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Ja, es ist ein Höchststand. Noch nie hat Deutschland so viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wie im Jahr 2022. 121,4 Milliarden Euro, berichtete neulich das Statistische Bundesamt. Sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Natürlich wüsste man im Jahr 2024 noch lieber, wie es 2023 ausgesehen hat, aber wir sind in Deutschland das Warten auf Daten gewöhnt.

Wer aus der Vokabel „Höchststand“ schließt, die viel diskutierte mangelnde Innovationsdynamik in Deutschland sei zumindest nicht finanzieller Natur, der sollte sich nicht vorschnell blenden lassen. Die 121 Milliarden entsprachen 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Genau wie 2021. Und wie 2020. 2019 waren es schon mal knapp 3,2. Erstmals wurden die drei Prozent 2017 offiziell übersprungen. Der Höchststand ist also in Wirklichkeit, in Relation gesetzt zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), eine Fortsetzung der Stagnation.

Schließlich sind die BIP-Anteile für Forschung und Entwicklung, aber auch für Bildung wichtige Gradmesser, wie viel eine Gesellschaft in ihre Zukunft zu investieren bereit ist.

Jan-Martin Wiarda

Macht nichts, schließlich sind die 3,0 schon ziemlich gut und waren noch dazu die Zielmarke, die sich einst die EU-Mitgliedstaaten gesetzt hatten als Teil der sogenannten Lissabon-Strategie, um „zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu werden?

Stimmt – allerdings sollte die Investitionsmarke bereits 2010 geknackt werden. Und seit 2017 versprachen erst die Große und dann die Ampel-Koalition, bis 2025 sogar auf 3,5 Prozent zu kommen. Seitdem ist, siehe oben, nicht mehr viel passiert.

Spätestens jetzt wäre es ehrlicher von der Politik zu sagen: Das mit den 3,5 Prozent wird nichts mehr. Oder konkret zu sagen, wie es doch noch etwas wird. Denn inzwischen müsste allein der Staat seine Ausgaben innerhalb von drei Jahren um rund ein Achtel steigern. Und das in einer Zeit, in der im Bund ein weiterer Sparhaushalt droht und etwa der Berliner Finanzsenator beim 5,9-Prozent-Budget-Rasenmähen auch die Wissenschaft nicht ausnehmen will.

Keine Frage: Der Innovationsreichtum eines Landes entscheidet sich nicht an einer Zahl, sondern in erster Linie an den neuen Entdeckungen und zündenden Ideen. Nur müssen diese herkommen. Aus den Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen. Und deren Leistungsfähigkeit hat neben Organisation, Strategie und Mentalität dann doch vor allem mit dem Geld zu tun, das ihnen zur Verfügung steht. Schließlich sind die BIP-Anteile für Forschung und Entwicklung, aber auch für Bildung wichtige Gradmesser, wie viel eine Gesellschaft in ihre Zukunft zu investieren bereit ist, und zwar sowohl der Staat als auch die Unternehmen.

Der Hinweis, dass andere Länder nicht besser dastehen, beruhigt ebenfalls wenig. Zumindest, wenn einige der forschungsstärksten Nationen der Gradmesser sind. Israel gibt 5,6 Prozent seines BIP für Forschung und Entwicklung aus. Südkorea investiert 3,5 Prozent. Japan 3,3 Prozent, die Schweden 3,2 Prozent ihres BIPs. Und USA steigerten von 2,9 Prozent 2017 auf knapp 3,5 Prozent im Jahr 2021. Genau der Sprung, den wir in Deutschland jetzt bräuchten.

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