zum Hauptinhalt
Kolumne – Wiarda wills wissen

© Tagesspiegel/Nassim Rad/Tagesspiegel

Wiarda will’s wissen: Die Politik muss sich ehrlich machen

Das erklärte Ziel der Forschungsministerin ist, den Anteil der Forschungsausgaben am BIP auf 3,5 Prozent zu steigern. Doch die Erklärung allein reicht nicht, um die Illusion aufrechterhalten zu können, es sei noch erreichbar.

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Vergangene Woche hat die Bundesregierung den „Bundesbericht Forschung und Innovation 2024“ beschlossen, eine 600-seitige Bestandsaufnahme der föderalen Forschungs- und Innovationspolitik. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) kommentierte, F&E-Investitionen seien zentral für Wachstum und Wohlstand, weshalb sie an ihrem „ambitionierten Ziel“ festhalte, „den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt bis 2025 auf 3,5 Prozent steigern zu wollen.“

Nur trifft es „ambitioniert“ leider längst nicht mehr. „Inzwischen völlig unrealistisch“ ist die richtige Umschreibung. Zwar schaffte Deutschland 2022 3,13 Prozent. Doch auf genau diesen oder einen sehr ähnlichen Anteil kam die Bundesrepublik damit schon im sechsten Jahr. Absolut stiegen die Ausgaben, vor allem inflationsbedingt, aber die relative Dynamik zur Wirtschaftsleistung: gleich null.   

Die Lücke von 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht ohne Berücksichtigung der Inflation rund 16,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich, wovon der Staat etwa ein Drittel tragen müsste und die Wirtschaft den Rest. Zu schaffen wäre das bis 2025 nur noch mit einem beispiellosen F&E-Boom. Undenkbar angesichts der Streichdebatten in Bund und Ländern. 

Über die Budgetoptionen der Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger entscheidet letztlich Parteikollege und Bundesfinanzminister Christian Lindner.

© imago/IPON

Doch wo liegt die Lösung? Herausnahme von F&E und Bildung aus der Schuldenbremse? Verlockend, aber in der Ampel, apropos FDP, realistisch kaum umsetzbar. Andere Ressorts, zuerst Verteidigung, würden versuchen, ihre Ausgaben als mindestens genauso wichtig zu deklarieren. Kürzung von Subventionen, Transfer- oder Sozialleistungen? Ökonomisch richtig, politisch ein Tabu, schon aus Angst vor der Instrumentalisierung durch Demokratiefeinde. Bliebe als F&E-Anreiz für die Wirtschaft der mutige Abbau von Bürokratie und forschungsfeindlichen Datenschutzregeln. Doch auch hier ist außer Rhetorik nicht viel zu sehen. 

Also nichts außer Pessimismus? Sagen wir so: Mutig wäre, wenn Politik sich in einem ersten Schritt mal ehrlich macht. Bald ist die Zeit dazu gekommen. Wenn Finanzminister Lindner den Haushaltsentwurf für 2025 auf den Tisch legt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false