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Eine junge Frau mit Rucksack auf dem Rücken geht quer über den Innenhof eines historischen Gebäudes.

© Thilo Rückeis TSP

Wissenschaftlicher Austausch: Der Fiskus fragt die Falschen

Die schädliche Umsatzsteuer für Doppelprofessuren an Berliner Unis und außeruniversitären Zentren darf nicht kommen. Sie würde zu Stellenabbau führen. Appell einer betroffenen Direktorin.

Als Direktorin des Leibniz-Zentrums Moderner Orient bin ich gleichzeitig Professorin der Freien Universität. Das ZMO gehört zu den drei Berliner geisteswissenschaftlichen Zentren der außeruniversitären Leibniz-Gemeinschaft, ist aber durch meine Professur und den damit verbundenen inhaltlichen und institutionellen Austausch eng mit der FU verbunden. Diese fruchtbare Allianz ist durch eine bürokratische Schimäre des Bundesfinanzministeriums gefährdet.

Denn dafür, dass die Universität mich für die Zeit meiner leitenden Tätigkeit ans Zentrum quasi ausleiht, müssen wir künftig Umsatzsteuer zahlen. Das soll ab Januar 2023 für alle außeruniversitären Institute gelten, die Doppelprofessuren nach dem Berliner Modell besetzen. Wie für Unternehmen aus der freien Wirtschaft, die per „Personalgestellung“ Mitarbeitende beschäftigen, deren Arbeitsverhältnis anderswo weiterbesteht.

Den Unterschied, dass bei einem solchen Austausch zwischen wissenschaftlichen Institutionen kein finanzieller Profit erzielt wird, will das Finanzministerium offenbar nicht sehen. Trotz aller Proteste aus der Scientific Community deutet bislang nichts darauf hin, dass der Finanzminister und sein Haus von diesem groben Missverständnis ablassen.

Enge Verflechtung ist politisch gewünscht

Dabei ist die enge Verflechtung universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen seit vielen Jahren ein politisches Credo. Es ist ein berechtigtes Interesse der öffentlichen Hand, die diese Einrichtungen finanziert, es ist auch ein zentrales Interesse der Wissenschaft, die sich inhaltlich und nicht über Organisationsformen definiert. Zum Kern dieser Kooperationen gehört die gemeinsame Berufung von Personen in leitender Stellung nach dem Berliner Modell.

Dieses weist den Institutsleitungen volle Hochschulmitgliedschaft und gewisse universitäre Pflichten und Privilegien zu, reduziert allerdings ihr Lehrdeputat, um Raum für die Arbeit am außeruniversitären Institut zu schaffen. Das erlaubt mir und meinen Kolleg:innen gerade in der forschungsnahen Ausbildung von Masterstudierenden und Promovierenden unkompliziert zusammenzuarbeiten und die jungen Wissenschaftler:innen früh in unsere Netzwerke einzubinden.

Ulrike Freitag ist Historikerin und Islamwissenschaftlerin und seit 2002 Direktorin des Leibniz-Zentrums Moderner Orient und Professorin an der Freien Universität.
Ulrike Freitag ist Historikerin und Islamwissenschaftlerin und seit 2002 Direktorin des Leibniz-Zentrums Moderner Orient und Professorin an der Freien Universität.

© Martin Funck/ZMO

Die Doppelprofessur ist auch ein zentrales Instrument, um internationale Spitzenkräfte für die Arbeit an außeruniversitären Instituten zu gewinnen. Alternative Berufungsmodelle haben diverse Schwachpunkte, weil sie es nicht ermöglichen, gleichberechtigt an den universitären Fachbereichen und bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses mitzuwirken. Oder sie sind zeitlich befristet und werfen damit potenziell finanzielle Probleme für die Berufenen auf. 

Zu der fruchtbaren Kooperation gehören auch gemeinsame Forschungsprojekte, bei denen wir Geräte und Räume gemeinschaftlich nutzen, Gäste einladen oder unseren Mitarbeitenden Wege eröffnen, ebenfalls an den Unis zu unterrichten und so ihr Wissen weiterzugeben und berufsqualifizierende Lehrerfahrung zu sammeln.

Gegenseitige Leistungen in Rechnung stellen?

Bislang funktionieren diese Kooperationen auf der Basis von Verträgen, die meist sehr flexibel die Verteilung von Aufgaben und Mitteln erlauben. Dies entspricht der Dynamik von Forschungsprozessen, die oft ihrerseits schnelle und unkomplizierte Entscheidungen und Anpassungen an aktuelle Entwicklungen erfordern. Auch dabei werden „Dienstleistungen“ ausgetauscht – wohlgemerkt zwischen Partnern, die ohne Ziel des Gewinns an einem gemeinsamen, von öffentlichen Geldern geförderten Thema arbeiten.

Müssten wir diese Steuern durch die Streichung einer Stelle finanzieren, würde das einem weiteren politischen Ziel zuwiderlaufen: der Sicherung dauerhafter wissenschaftlicher Stellen und damit nachhaltigerer Personalpolitik.

Ulrike Freitag, Direktorin des Leibniz-Zentrums Moderner Orient

Wird die Idee, solche Kooperationen künftig mit Umsatzsteuer zu belegen, tatsächlich umgesetzt, werden sie unattraktiv. Warum sollte ein außeruniversitäres Institut seine finanziellen Ressourcen einsetzen, um über die Umsatzsteuer eine Stelle zu bezahlen, die an der Universität verwaltet wird? Und das, obwohl wir für die Universitäten in Form von Lehre, Betreuung und oft auch Organisation und Forschung erhebliche Leistungen erbringen?

Die fällige Umsatzsteuer für die „Personalgestellung“ der Zentrumsleitung würde jährlich etwa dem halben Jahresgehalt eines jüngeren Forschenden entsprechen. Müssten wir diese Steuern durch die Streichung einer solchen Stelle finanzieren, würde das einem weiteren politischen Ziel zuwiderlaufen: der Sicherung dauerhafter wissenschaftlicher Stellen und damit nachhaltigerer Personalpolitik.

Hier ist an den Hashtag #IchbinHanna und die Debatte über prekäre Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft zu erinnern. Für kleine außeruniversitäre Institute mit einem oder zwei Dutzend wissenschaftlichen Planstellen wäre eine solche Einsparung ein erheblicher Einschnitt, der den Wegfall eines ganzen Kompetenzbereichs bedeuten kann.

Sollte die Forschungseinrichtung dann nicht umgekehrt versuchen, einen Teil der Kosten über die In-Rechnung-Stellung der Lehre ihrer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zurückzubekommen? Und die Universität im Gegenzug die Nutzung ihrer Räume berechnen? Der Einzige, der hiervon definitiv profitieren würde, wäre der Fiskus – zulasten der Forschung, die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ein wichtiger Faktor ist.

Neben der Kürzung der Mittel für internationalen Studierenden- und Wissenschaftleraustausch und internationale Kooperation, die im Sommer verkündet wurde, wäre dies ein weiterer, nur schwer zu verkraftender Schlag.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund eines redaktionellen Fehlers wurde in einer früheren Version dieses Artikels die Umsatzsteuer, die ab 1. Januar 2023 für Doppelprofessuren zwischen Unis und außeruniversitären Instituten gelten soll, der Zuständigkeit der Berliner Finanzverwaltung zugeordnet. Tatsächlich liegt sie aber beim Bundesfinanzministerium. Wir danken der Berliner Wissenschaftsverwaltung für diesen Hinweis und bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. (Tsp)

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