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Ein Gewitter über dem mit Gas betriebenen Heizkraftwerk in Lichterfelde.

© David Heerde/David Heerde

Klimaziele in Berlin: Der Senat will bis 2026 einen Wärmewende-Plan haben

Die Wärmewende ist bislang nur ein Wort: Die Gebäudesanierung kommt nicht voran, es gibt kaum Erneuerbare Energie und Gas ist noch lange unverzichtbar.

Die Politik braucht einen Plan. Ambitionierte Klimaziele sind flott formuliert, aber wie kommt man zum Ziel? Robert Habeck hat das Gebäudeenergiegesetz vorgelegt, das Bauministerium arbeitet am „Wärmeplanungsgesetz“ und die Städte und Gemeinden werkeln an der kommunalen Wärmeplanung. Auch Berlin.

Unter Federführung der Senatsverwaltung für Umwelt und Klima wird bis 2026 ein Plan entwickelt, wie die Stadt klimaneutral beheizt werden kann. Erdgas, die mit Abstand wichtigste Wärmequelle, soll in den kommenden 20 Jahren ersetzt werden.

Etwa 40 Prozent der Berliner CO₂-Emissionen stammen aus der Wärmeerzeugung. An der Fernwärme, die ganz überwiegend in Gas-Heizkraftwerken erzeugt wird, ist rund ein Drittel der Berliner angeschlossen. Neun Heizkraftwerke und 80 Blockheizkraftwerke versorgen 1,3 Millionen Wohnungen.

Durch Verdichtung und Ausbau des Netzes könnte der Anteil der Fernwärme bis 2040 auf 50 Prozent steigen. Bereits 2030, so steht es im Entwurf des Wärmeplanungsgesetzes, soll die Hälfte der Fernwärme aus Erneuerbaren Energien stammen.

Modernisierungsbedarf ist hoch

In der gebäudebezogenen Versorgung, dazu gehören Ein- oder Zweifamilien-Häuser, haben Gasheizungen einen Anteil von rund zwei Drittel vor Öl mit etwa 30 Prozent. Erneuerbare Energien und die berühmte Wärmepumpe kommen bei der dezentralen Wärme in Berlin nur auf einen Anteil von zwei Prozent. Der Modernisierungsbedarf ist groß, mehr als die Hälfte der Gas- und sogar 70 Prozent der Ölheizungen sind älter als 20 Jahre.

„Ohne einen fundamentalen Umbau der gebauten Stadt und ihrer Infrastrukturen ist Klimaneutralität nicht erreichbar.

Studie zur Wärmestrategie für das Land Berlin

„Die Sanierungsaktivitäten waren zu gering“, heißt es in der Studie „Entwicklung einer Wärmestrategie für das Land Berlin“ aus dem Herbst 2021. „Ohne einen fundamentalen Umbau der gebauten Stadt und ihrer Infrastrukturen ist Klimaneutralität nicht erreichbar.“ Der Umbau in relativ kurzer Zeit wird heftig und teuer.

80 Prozent der Wohnungen sind Mietwohnungen. Der Mieterbund fordert, „dass die Einführung der kommunalen Wärmeplanung dringend durch Verbesserungen beim Verbraucher- und Mieterschutz begleitet werden muss“, unter anderem eine Preisaufsicht. Unstrittig ist, dass eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 nur erreicht werden kann, indem der Verbrauch sinkt.

Das Berliner Fernwärmenetz versorgt etwa ein Drittel der Einwohner mit Wärme.

© Grafik: Tagesspiegel/Klöpfel | Quelle: energieatlas.berlin

Bei der kommunalen Wärmeplanung wird der langfristig zu erwartende Wärmebedarf durch eine auf erneuerbaren Quellen beruhende Wärmeversorgung bestimmt, um Planungs- und Investitionssicherheit zu erreichen: für Verbraucher und Energieerzeuger, Netzbetreiber, Wohnungskonzerne sowie Planungs- und Genehmigungsbehörden. Alle Kommunen mit mehr als 100.00 Einwohnern müssen spätestens bis Ende 2027 eine Wärmeplanung haben.

Daten werden gesammelt

Ein Ingenieur für Gebäudetechnik, der namentlich nicht genannt werden möchte, koordiniert die Berliner Planung in der dafür zuständigen Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. „Bis auf die Geothermie sollten die Potenziale der Wärmequellen bis Ende des Jahres erkennbar sein“, sagte er dem Tagesspiegel.

Dazu hat die Verwaltung Studien in Auftrag gegeben. Seit rund einem Jahr arbeitet ein Drei-Mann-Team an dem Thema, darunter ein IT-Experte, der eine Datenbank anlegt für das zu erstellende Wärmekataster. „Der Teufel liegt im Detail. Und Berlin ist groß – da gibt es viele Details“, erklärt der Teamleiter die langwierige Arbeit am Planwerk.

Am Anfang steht die Potenzialanalyse: Wie viel Wärme kann erzeugt werden in Biomassekraftwerken, durch die Nutzung von Abwässern und das Oberflächenwasser der Flüsse, durch Solarthermie und Geothermie?

Potsdam ist schon weiter. Olaf Scholz besuchte Anfang Mai eine Anlage für Tiefengeothermie in der Heinrich-Mann-Allee.

© Andreas Klaer

Bisherige Studien und Schätzungen gehen von einem Anteil der Geothermie von etwa drei Prozent aus, also drei Prozent des Berliner Bedarfs könnten irgendwann mit Erdwärme gedeckt werden. Mehr Klarheit sollen die ersten drei Probebohrungen bringen, die für Ende 2024 geplant sind und deren Ergebnisse 2025 in die Wärmeplanung einfließen.

Bei der bis zu 100 Meter tiefen Erdwärme wird eine Wärmepumpe benötigt, die die relativ niedrige Temperatur des Untergrundes beziehungsweise des Grundwassers mithilfe von elektrischer Energie auf ein höheres Temperaturniveau bringt.

Mehr Wärme steckt im Abwasser, die Wasserbetriebe haben relativ konkrete Daten: „Das Gesamtpotenzial an Abwasserwärme liegt zwischen 100 und 270 Megawatt Entzugsleistung. Abwasserwärme kann damit langfristig – abhängig von der Reduktion des Wärmeverbrauchs in Berlin – einen Beitrag von bis zu fünf Prozent des Berliner Wärmebedarfes decken.“

60
Prozent des Erdgases sollen bis 2040 durch Wasserstoff ersetzt werden.

Um die Wärme zu nutzen, wird ein Wärmeübertrager in die Leitungen und Kanäle eingebaut, der dann dem Abwasser eine Wärmemenge entzieht. Das erwärmte Medium wird über eine Leitung zur Heizzentrale transportiert. „Dort wird die Wärme mit einer Wärmepumpe auf ein Temperaturniveau von rund 50 Grad Celsius angehoben“, erläutern die Wasserbetriebe.

Große Investitionen in die Netze

Wärmepumpen brauchen Strom, der grün sein sollte und von der landeseigenen Stromnetz Berlin GmbH bereitgestellt werden muss. Deshalb stimmen sich die Wärmeplaner im Senat mit diesem Netzbetreiber, aber auch mit der Gasag und den drei Fernwärmeunternehmen ab. Alle Netzbetreiber müssen spätestens bis 2026 Transformationspläne entwerfen, die für die Wärmeversorgung den Einsatz von Biogas und Wasserstoff vorsehen.

Vattenfall, mit 2000 Kilometer Rohrlänge mit Abstand größte Fernwärmeanbieter, investiert bis 2030 rund drei Milliarden Euro in Berlin, um den Anteil Erneuerbarer Energien von derzeit fünf auf 50 Prozent zu steigern. Dazu tragen vor allem große Wärmepumpen und Biomasse als Brennstoff bei, bevor dann irgendwann in den 2030er Jahren Wasserstoff zum Einsatz kommt.

Gemeinsam mit der Gasag will Vattenfall bis 2030 die großen Verbraucher (mehr als 500 Megawatt) mit Wasserstoff versorgen können, das sind vor allem Heizkraftwerke. In einer zweiten Phase (bis 2040) werden Anlagen für kleinere Wohnquartiere sowie Industriebetriebe angeschlossen. Bis 2040 könnte die Gasversorgung zu 60 Prozent auf Wasserstoff umgestellt sein. Sofern es genügend Wasserstoff gibt.

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