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Vorstellung des ersten Safe Place in Friedrichshain und Unterzeichnung einer Vereinbarung mit dem Bezirk Neukölln. 

© SenIAS

„Safe Place“ in Friedrichshain: Erste geschützte Fläche für obdachlose Menschen am Ostbahnhof eröffnet

In drei Häuschen startet hinter dem Ostbahnhof ein Modellversuch. Obdachlose Menschen sollen dort übergangsweise wohnen können. In der Bezirkspolitik führte die Eröffnung zum Streit.

Kleine Häuschen aus Holz, geschützte Orte, an denen sich wohnungslose Menschen sicher fühlen können: Das sollen die neuen „Safe Places“ in Berlin sein.

Den Ersten dieser Art haben am Donnerstag in Friedrichshain Vertreter:innen der Senatsverwaltung für Soziales sowie der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln eröffnet.

Das Modellprojekt auf einer bezirklichen Freifläche an der Langen Straße hinter dem Ostbahnhof startet mit drei sogenannten „Little Homes“ in Kooperation mit dem gleichnamigen Verein (Little Homes e. V.). In den mobilen Wohnboxen aus Holz können obdachlose Menschen übergangsweise leben. Das Konzept ist laut Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) Bestandteil des Berliner Masterplans zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030.

Kipping begrüße es, dass die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln die Idee der Safe Places ausprobieren und „die ersten sicheren Plätze für obdachlose Menschen in der Stadt schaffen“. Dabei gehe es vor allem darum, „obdachlosen Menschen, die das bisherige Hilfesystem nicht erreichen konnte, in einem ersten Schritt eine sichere und saubere Unterkunft anzubieten“. Safe Places seien keine Dauerlösung für obdachlose Menschen, aber ein erstes niedrigschwelliges Angebot, ihre Situation zu verbessern. 

Die „Little Homes“ sind kleine Häuser auf Rollen. Im Inneren jedes Hauses gibt es eine Matratze, ein Erste-Hilfe-Set, ein Feuerlöscher, ein Regal und eine Campingtoilette.

© Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg

Bei der Eröffnung wurde eine Vereinbarung zwischen dem Sozialstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Oliver Nöll (Linke), und dem Sozialstadtrat Neuköllns, Falko Liecke (CDU) unterzeichnet. Der sogenannte Letter of Intent vereinbare eine enge Zusammenarbeit der für Soziales zuständigen Geschäftsbereiche der Bezirksämter bei der Umsetzung des Modellprojektes, etwa bei der wissenschaftlichen Evaluierung und der Betreuung durch Sozialarbeitende. Neben den zwei Sozialstadträten waren auch Andy Hehmke (SPD), Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg für Facility Management, und die Staatssekretärin für Soziales Wenke Christoph (Linke) beim Termin anwesend.

Bezirksbürgermeisterin kritisierte „Alleingang“

Allerdings ist sich das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bei diesem Projekt nicht einig, wie sich am Vorabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zeigte. Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) habe von der Eröffnung erst am Dienstag erfahren und sprach in der BVV von „Kompetenzüberschreitung“, „Alleingang“ der beiden Stadträte und „nicht Einhaltung von Regeln“.

„Warum liegen dem Bezirksamt und der BVV kein Konzept vor?“, kritisierte sie scharf. Es gebe zum Projekt keinen – laut Rechtsamt nötigen – Bezirksamtsbeschluss. In der Sache unterstütze Herrmann Safe Spaces, doch es sei fraglich, ob diese wirklich sicher seien. Brandschutz, Hygiene und Betreuung gehörten müssten auch dazugehören. 

BVV gab dem Projekt mehrheitlich grünes Licht

Laut den beiden Stadträten handelt es sich zunächst um ein „temporäres Pilotprojekt“ und nicht um ein Gesamtkonzept für Safe Places im Bezirk. Die kleinen Häuschen seien mit Feuerlöschern ausgestattet, die Bewohner:innen sollen eine mobile Toilette und die Möglichkeit zur Müllentsorgung erhalten. Zusätzlich sei eine regelmäßige Betreuung durch Sozialarbeiter:innen geplant, das Modellprojekt soll wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden. Seit November laufe die konkrete Planung, seit dem 17. Januar sei klar, wo der Safe Place realisiert werden könne. 

„Wir stellen hier nicht einfach nur Little Homes hin – wir versuchen einen konzeptionell untersetzten, sozialarbeiterisch begleiteten, wissenschaftlich evaluierten Modellversuch“, sagt Oliver Nöll. Die Stadträte blieben bei der Eröffnung, und die BVV gab ihnen mit einem Dringlichkeitsantrag von Linke, SPD und FPD (Titel: „Safe Place am Ostbahnhof am 26.1.2023 eröffnen!“) grünes Licht. Es heißt darin auch: „Da es sich hierbei um ein Modellprojekt handelt, sind mögliche Probleme nicht völlig vorher auszuschließen.“ Die Konzeption sei darauf ausgelegt, darauf zu reagieren oder das Projekt zu beenden.

Die Grünen kritisierten den „schnell gestrickten Vorstoß“ und sehen das Projekt als Gesamtkonzept. Die Grünen-Anträge, in denen auch schon von Grundstücken am Ostbahnhof die Rede ist, wurden im Dezember vertagt. „Wenn es ein Wahlkampfpunkt wäre, hätte ich das nicht mit zwei anderen Parteien (SPD und CDU) machen müssen“, entgegnete Stadtrat Nöll. Ein kleinerer Raum sei zunächst kontrollierbarer, verteidigte er den Modellversuch.

Gegen Mitternacht näherten sich die Fraktionen Grüne, SPD und Linke einander wieder ein wenig an. Die Grünen betonten, Safe Places in jedem Fall zu unterstützen – auch die drei Tiny Houses seien nicht Gegenstand der Kritik. Anvisiert wäre jedoch ein Konzept für Safe Places im gesamten Bezirk. „Man hätte miteinander reden können – mit dem Bezirksamt und der BVV“, so Grünen-Fraktionssprecherin Sarah Jermutus.


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