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Im Namen aller Amtskollegen verfasste Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel einen Brandbrief.

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Update

Bürgerämter schließen, beim Sozialen sparen: Berliner Bezirke schlagen wegen der Finanzpläne des Senats Alarm

In einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner warnen die Bezirke vor massiven Kürzungen. Sie fordern mehr Geld vom Senat.

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Berlins Bezirksbürgermeister schlagen wegen der Haushaltspläne von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) für die nächsten Jahre Alarm. Mit den aktuellen Geldern „für die Regelaufgaben“ der Bezirke werde „nicht einmal Stabilität möglich sein“, heißt es in dem siebenseitigen Schreiben von Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) im Namen aller Amtskollegen der anderen Bezirke.

Sie kündigen in dem Schreiben harte Einschnitte an, sollte das Land Berlin nicht mehr Geld in die Bezirke stecken. Den Bezirken sei „die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht und nur mit erheblichen Leistungseinschränkungen möglich“. Zunächst berichtete die „B.Z.“ darüber.

In dem Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und an Evers kündigen die Bezirke an, „großflächig zu sparen“ – und das sei nur bei freiwilligen sozialen Leistungen und beim Personal möglich. Auch die Pläne der schwarz-roten Koalition für eine funktionierende Verwaltung wären demnach nicht machbar.

„Wünsche nach 14-Tages-Zielen“ für einen Bürgeramtstermin, „Verwaltungsreformen und Zielvereinbarungen werden damit obsolet“, heißt es in dem Schreiben. Es drohten Kürzungen bei der Jugendarbeit, bei Weiterbildung, Kultur, bei der Suchthilfe, der Straßensozialarbeit und der Obdachlosenhilfe. Bürgerämter, für die die Bezirke Miete bezahlen, könnten geschlossen werden. Angesichts der Prognosen, dass 40.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes bis 2030 in den Ruhestand gehen, setzte die „bereits jetzt eine Abwärtsspirale in Gang“.

Kern des Problems aus Sicht der Bezirke: Der Senat habe nur einen Kostenanstieg in der Inflation von zwei Prozent berechnet, dabei läge diese bei zehn Prozent. Das Missverhältnis zeige sich bereits in einem Großteil der Bezirke und mittelfristig in allen.

Anlass für den Brief vom Dienstag ist die Sitzung des Rats der Bürgermeister, die Bezirksamtschefs hatten ein „kurzfristiges Krisengespräch“ mit Wegner gefordert. Bei den Eckwerten des Senats für den Doppelhaushalt 2024/25 seien für die Bezirke „strukturell zu geringe Werte veranschlagt“ worden.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Hikel sagte nach dem Treffen: „Wir haben dem Finanzsenator die Dramatik des Status quo deutlich gemacht. Herr Evers hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die erwarten wir jetzt auch.“

Wo gespart werden müsste: Beförderung behinderter Kinder, Armenbegräbnisse, Kinder in Notlagen

In ihrem Schreiben kritisierten die Bürgermeister, die Zahlen des Senats basierten auf den Werten von 2022, schon damals seien Bezirke unterfinanziert gewesen und es habe unter Rot-Grün-Rot ein halbes Jahr lang eine Haushaltssperre gegeben – und daher weniger Ausgaben. Für 2024 seien daher höhere Kosten zu erwarten, etwa bei den Personalkosten. Ferner bemesse der Senat zu wenig pro Stelle. Es sei nicht einmal Geld drin für Marketingaktionen, um neues Personal zu finden.

Der Anstieg der Honorare für Musik- und Volkshochschulen sei ebenfalls nicht abgedeckt. Entgegen dem Willen des Abgeordnetenhauses müssten wegen der höheren Kosten Angebote eingeschränkt oder Kursgebühren erhöht werden.

Auch Dienstleistungen wie Schulreinigung sind betroffen

Im Sozialbereich ist es laut der Bezirksbürgermeister besonders dramatisch, weil Evers den Kostenanstieg für Sprit, Energie und beim Mindestlohn nicht ausreichend abdecke oder mit Zahlen aus dem Pandemiejahr 2022 operiere. Betroffen seien die „Beförderung behinderter Kinder“, Armenbegräbnisse, die Versorgung von Kindern in Notlagen oder ambulante sozialpädagogische Angebote für Jugendliche.

Auch bei den Sachkosten sei die Teuerung durch Inflation, Mindestlohn und Energiekosten nicht berücksichtigt, heißt es in dem Schreiben. Betroffen seien Dienstleistungen wie etwa die Schulreinigung.

Manuela Schmidt, bei der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus für Bezirke zuständig, zeigte sich irritiert. „Die CDU-SPD-Koalition hat versprochen, die Bezirke zu stärken. Das wird nicht gelingen, wenn man die Ausgaben für ihre Regelaufgaben nicht auskömmlich finanziert und sie so zu Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen und beim Personal zwingt“, sagte Schmidt. „Was kaputtgespart ist – ist kaputt!“

Die Erfahrung aus den 2000er-Sparjahren zeige, „dass es viele Jahre dauert, die daraus resultierenden Folgen wieder zu korrigieren“. Die Koalition habe eine funktionierende Stadt versprochen. „Ohne funktionierende Bezirke wird das ein Satz mit X“, sagte die Linke-Politikerin.

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