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Er hatte den Ruf als Nazijäger der Berliner Polizei: Michael Knape.

© Imago

Er war der Neonazi-Jäger von Berlin: Früherer Polizeiführer Michael Knape mit 72 Jahren gestorben

Michael Knape hat sein Leben lang für die Werte des Grundgesetzes und gegen Neonazis gekämpft. Nun ist der ehemalige Direktionsleiter mit 72 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Zufälle gibt es nicht – oder doch? Am Dienstag verbot das Bundesinnenministerium die rechtsextreme Gruppe „Hammerskins Deutschland“, bei der bundesweiten Razzia wurden Waffen gefunden. Und ausgerechnet an diesem Tag bewegt eine Nachricht von Michael Knape Berliner Polizisten. Er machte schon vor 20 Jahren als Polizeiführer den Hammerskins das Leben schwer, erwarb sich den Ruf als Nazijäger der Berliner Polizei. Nun ist Knape, ehemaliger Direktor beim Berliner Polizeipräsidenten, nach schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren gestorben.

Knape war so etwas wie ein „harter Hund“, war oft in der ersten Reihe dabei, fuhr raus zu den Beamten im Streifenwagen, wenn etwas passiert war. 1970 kam er zur Polizei in West-Berlin, notgedrungen, dabei hatte es ihm doch eigentlich die Juristerei angetan. Den Drill, die überholten Methoden der damaligen Polizei – all das mochte er nicht. Doch er blieb. „Unser wichtigstes Einsatzinstrument ist das Wort“, sagte er einmal. Kommunikation und entschiedenes Auftreten, das war Knapes Erfolgsrezept.

Kreativer Polizeidirektor verdirbt Rechtsextremisten den Spaß

Er machte Karriere, führte eine Abteilung der Bereitschaftspolizei und leitete dann über Jahre eine Direktion im Osten der Stadt. Er war der Mann für die Großeinsätze, 1. Mai, Walpurgisnacht, Castor-Transporte und Neonazi-Aufmärsche. Der Neonazi-Rocker Michael Regener, Sänger der verbotenen Band Landser, widmete Knape sogar ein Lied.

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Die 90er-Jahre, als die Neonazi-Szene erstarkte, prägten ihn. Es waren die Geburtsjahre des NSU. Das offene Treiben von Gruppen wie „Blood & Honour“, Hammerskins und freien Kameradschaften – wie selbstverständlich das damals im Osten war, Knape störte sich daran. Der RBB titelte 2005 einmal: „Null Toleranz – wie ein kreativer Polizeidirektor Rechtsextremisten den Spaß verdirbt“. Eine Legende besagt, dass er Neonazis bei einer Demonstration die Springerstiefel ausziehen und in gebrauchten Turnschuhen oder auf Socken laufen ließ – weil die Stiefel mit ihren Stahlkappen gefährliche Waffen seien. Für die Neonazis wurde Knape zum Hassobjekt, sie bedrohten ihn auch privat, auch in seinem Wohnumfeld. Er und seine Familie brauchten Polizeischutz.

Wie anders hätte es gehen sollen?

Knape, der Mann aus Reinickendorf, wurde oft unterschätzt, wie er da so stand, mit Igelhaarschnitt und Schnauzer. Dabei war er auch gefürchtet, ein preußischer Führungsstil wurde ihm nachgesagt. Zum Polizisten Knape gehörte aber auch, dass er Grenzen auslotete, rechtliche Lücken suchte, die Gesetze bis zum gerade noch so Zulässigen ausschöpfte. Den Verfolgungsdruck hochhalten, den Neonazis keine Ruhe lassen. In der Rückschau auf die damalige Zeit zeigt sich: Wie anders hätte es gehen sollen? Nur in einem Fall, als ein Hooligan-Treffen in einer Disko von der Polizei wortwörtlich aufgemischt wurde, da bekam Knapes Vita Risse.

Am Ende brachte Knape die lange Karriere doch noch zur Juristerei: Er verfasste Standard-Kommentare zum Berliner Polizei- und Ordnungsrecht, wurde Honorarprofessor, bildete den Polizeinachwuchs aus, lehrte zuletzt in Brandenburg Eingriffsrecht. 2017 verlor er seinen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR). Er hatte zuvor kritisiert, dass es keine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Tasern bei der Berliner Polizei gebe. Der damalige Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt soll für Knapes Rausschmiss gesorgt haben.

Im Abgeordnetenhaus fand Knape, der lange CDU-Mitglied war, einen Job bei der FDP-Fraktion, betreute als Referent den Amri-Untersuchungsausschuss, der die Pannen der Sicherheitsbehörden um den islamistischen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz aufarbeitete.

Knape fand auch deutliche Worte zum Versagen der Polizei bei der Schießstandaffäre, weil unzählige SEK-Beamte und Schießtrainer mit Wissen der Behördenspitze giftigen Gasen ausgesetzt und teils schwer erkrankt waren. Auch das gehörte zu seinem Führungsverständnis als ranghoher Beamter: Führung durch Vorbild, vorne dabei und für die Untergebenen Verantwortung übernehmen.

Deutlich, ehrlich, authentisch

Ob dieser Stil heute noch angemessen ist? Zumindest vermissen nicht wenige in der Polizei Führungspersonal, das auch deutlich werden kann, klar ist, ehrlich, authentisch, das sich nicht scheut vor Verantwortung, auch für Fehler, und „von vorn führt“.

Knape schrieb noch an seinem Buch, an seinem Vermächtnis: „Null Toleranz: Mein Kampf gegen Nazis, Rocker, Hooligans“. Und er wurde am Ende auch ein Stück weit kompromissloser, erbitterter. Vielleicht auch verbittert?

Marcel Luthe, vor wenigen Jahren Innenpolitiker der FDP im Abgeordnetenhaus, ein Unbequemer, holte Knape zu den „Freien Wählern“ für einen Neuanfang. Geklappt hat es nicht bei der Wahl. Luthe sagt über Knape, er sei der „mit Abstand engagierteste Kämpfer für die Werteordnung des Grundgesetzes, den ich kennen durfte“. Knape habe sich durch „so ziemlich jede Position bei der Polizei von ganz unten durch Leistung, Fleiß und puren Willen nach ganz oben gearbeitet“. Knape habe immer seine Überzeugungen vertreten, „auch und gerade gegenüber Vorgesetzten“.

Jörn Badendick, Sprecher des Polizei-Berufsverbands „Unabhängige“, würdigte Knape als einen „Polizeiführer mit Ecken und Kanten, als Mensch ein echtes Unikat“, der ganze Polizeigenerationen unterrichtet habe. Der Verein Biss, der die Schießstandopfer vertritt, dankte Knape: „Als einer der wenigen Beamten des höheren Dienstes stand er uns bei der Aufarbeitung der Schießstandaffäre regelmäßig Rede und Antwort.“

Stephan Weh, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei Berlin (GdP), würdigte Knape als „konsequenten und innovativ denkenden Polizeiführer“. Mit ihm verliere die Polizei „ein echtes Unikat, das nicht nur den Kampf gegen Neonazis auf ein ganz anderes Level gehoben, sondern auch einsatztaktisch viele geprägt hat“, teilte Weh weiter mit.

GdP-Landesvize Kerstin Philipp ergänzte: „Wir verlieren einen Polizeiführer, der eben nicht stromlinienförmig alles abgenickt hat, sondern stets Charakter sowie unnachahmliche Durchsetzungsstärke zeigte, sich dabei von wirklich niemandem einschüchtern ließ. Menschen seines Kalibers haben dafür gesorgt, dass andere den Weg zur Polizei gewählt haben. Micha war nicht bequem, er war wichtig für uns alle.“

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