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Foto: Aris Messinis/AFP

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Update

Gegen die Not auf griechischen Inseln: Berlin will 80 unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufnehmen

In Berlin sei Platz für 2000 Geflüchtete, sagt Sozialsenatorin Breitenbach. Der Regierende Bürgermeister Müller appelliert an den Bund.

Berlin will schnell einen Beitrag zur Linderung der Not auf den griechischen Inseln leisten - und deshalb Dutzenden allein geflüchteten Jugendlichen Schutz bieten. „Berlin ist sehr gerne hilfsbereit, unser Angebot, bis zu 80 unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufzunehmen, steht“, sagte Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Mittwoch dem Tagesspiegel. „Es sind sehr bewegende Bilder, die man aus den Lagern in Griechenland sieht.“ Berlin habe 2015/16 mit der Aufnahme von 6000 Minderjährigen viele Erfahrungen vorzuweisen, zudem Plätze bei freien Trägern, weitere könnte man ausbauen.

Am Abend meldete sich auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller zu Wort: Ungeachtet aller politischen Kalküle müssten zumindest Kinder und junge unbegleitete Geflüchtete unbürokratisch aus dieser Lage herausgebracht werden, sagte er. „Der Bund muss es den Städten, die sich dazu bereit erklärt haben, ermöglichen, in dieser prekären Situation schnelle und solidarische Hilfe zu leisten.“ Er appellierte an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und an den Bund insgesamt, die Aufnahme zu genehmigen.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach sagte, dass Berlin bereit und in der Lage sei, Migranten aufzunehmen. „Menschenrecht ist unteilbar“, sagte Breitenbach. „Wir nehmen nach wir vor Verantwortung wahr für Menschen in Not und sind bereit, Menschen aufzunehmen.“ 2000 Plätze habe man in bestehenden Unterkünften frei.

Auch Potsdam möchte gern Kinder und Jugendliche aufnehmen, die in den improvisierten Slumlagern bei Männern in Zelten oder auf der Straße leben oder unter unvorstellbaren Bedingungen in trotzdem unsicheren Bereichen für minderjährige Unbegleitete in Camps leben.

Bund will auf EU-Entscheid und sichere Grenzen warten

Das Land Berlin reagierte mit seinem Vorstoß auf die Aussage von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der sich am Dienstag offen für die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus griechischen Migrantenlagern in Europa gezeigt hatte. Dabei müssten nicht zwingend alle 27 EU-Staaten mitmachen, ausreichend wäre eine „Koalition der Willigen“.

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Am Mittwoch bestätigte sich jedoch, dass der Bund erst dann minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Ägäis-Inseln holen will, wenn sich an einer solchen humanitären Aktion auch andere EU-Staaten beteiligen. Es werde keine deutsche Alleinentscheidung geben, sagte ein Ministeriumssprecher. Die zweite Voraussetzung sei eine effektive Kontrolle an der EU-Außengrenze in Griechenland.

Wenn diese „ihre Funktion nicht erfüllt“, könne man nicht darüber entscheiden, Schutzsuchende von den Inseln in Europa zu verteilen. Es wäre zu befürchten, dass noch mehr Migranten nach Griechenland kämen, „und dann kommt etwas in Gang, was man nicht mehr beherrschen kann“.

Innenminister Seehofer will erst Ordnung, dann Humanität

Seehofer erklärte am Mittwoch, die Schaffung von Ordnung an der griechisch-türkischen Grenze habe höchste Priorität. Sobald die Ordnung wieder hergestellt sei, „wenden wir uns diesem Thema der Humanität zu, und zwar zeitnah“.

Auch im Bundestag fand das Anliegen am Mittwochabend keine Mehrheit. Die große Koalition stimmte am Abend gegen die Aufnahme von 5000 schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland – obwohl zahlreiche Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag der Grünen inhaltlich eigentlich weitgehend befürworten.

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Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl, selbst Berlinerin, erklärte bei der Plenardebatte am Mittwochabend, in dem Antrag stehe „viel Richtiges“, er helfe jedoch in der jetzigen Situation nicht weiter. Notwendig sei stattdessen eine europäische Lösung.

Luxemburg will jetzt unabhängig zehn Kinder und Jugendliche holen

Luxemburg will indes jetzt zehn Kinder und Jugendliche übernehmen. „Ich glaube, es muss einer anfangen“, sagte der Minister Jean Asselborn. Jedes EU-Land solle für jede halbe Million Einwohner je zehn unbegleitete Minderjährige „aus diesem Loch herausholen“.
Viele Jungen werden, teils mit Verwandten, von den Eltern für den Familiennachzug vorgeschickt – oder Jugendliche machen sich allein auf den Weg. Auf den griechischen Inseln leben gerade 5000 minderjährige Unbegleitete unter traumatisierenden Bedingungen. (mit dpa)

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