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Die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Reinickendorf, das Krankenhaus des Maßregelvollzugs.

© dpa / Matthias Balk

„Höchste Eile geboten“: Bundesländer beraten sich zur Not im Maßregelvollzug

Nicht nur in Berlin sind die Krankenhäuser des Maßregelvollzugs überlastet. Verurteilte Straftäter kommen deshalb viel früher aus der Haft. Nun wird die Lage bundesweit besprochen.

Die Regierungen der 16 Bundesländer werden in einer turnusmäßigen Runde am Donnerstag auch über die Zustände im Maßregelvollzug sprechen. Die administrativen Stäbe der Landesspitzen wollen beschließen, sich dem Problem mit einer „reibungslosen Zusammenarbeit“ zu widmen, denn es sei „höchste Eile“ geboten, wie es in einer Vorlage mehrerer Staatskanzleien heißt. Für Berlin nimmt üblicherweise der Chef der Senatskanzlei, Severin Fischer (SPD), an der Runde teil.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), hatte erst am Dienstag den Druck auf die zuständige Fachverwaltung erhöht. Giffey erwarte von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) in einer Woche ein „stimmiges Konzept“, berichtete ein Kenner der Vorgänge.

Allein im Februar wurden zwei zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilte Berliner freigelassen, weil im Maßregelvollzug kein Platz frei war. Noch 15 weitere Gefangene sitzen in regulärer Haft, obwohl sie Anspruch auf einen Maßregelvollzug haben – auch sie könnten nun Jahre vor Ablauf ihrer Strafen entlassen werden. Ähnliche Fälle gibt es auch in anderen Bundesländern regelmäßig.

Missstände haben einen Grad erreicht, wo Handlungszwang besteht

Lena Kreck (Linke), Justizsenatorin

In den Maßregelvollzug gehören Verurteilte, wenn ein Gericht sie als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Die Straftäter gelten so als Patienten, die nach dem Urteil in der Regel nicht länger als sechs Monate in einer Haftanstalt verbringen sollen, bevor sie in das Spezialkrankenhaus kommen.

Für das Berliner Krankenhaus des Maßregelvollzugs ist deshalb nicht Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) zuständig, sondern die Gesundheitsverwaltung unter Ulrike Gote. Kreck sprach nach der turnusgemäßen Senatssitzung am Dienstag davon, dass die Missstände „einen Grad erreicht“ hätten, wo Handlungszwang bestehe.

Tendenziell mehr – meist drogenaffine – Insassen treffen dort auf eher weniger Personal: Im Krankenhaus des Berliner Maßregelvollzugs sind rund 80 Stellen unbesetzt; rund 500 Beschäftigte kümmern sich um 600 zuweilen gefährliche, psychiatrisch auffällige Insassen.

Berlins amtierender Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz (Grüne) schrieb 2019 in seiner damaligen Funktion als Psychiatriebeauftragter, dass dem Maßregelvollzug von den Gerichten in „nicht unerheblichem Umfang“ auch Patienten zugewiesen würden, bei denen „keine eindeutige Abhängigkeitserkrankung vorliege, sondern eher ein missbräuchlicher Drogenkonsum als Teil des delinquenten Lebenswandels“. Auch darüber wollen die 16 Landesvertreter am Donnerstag sprechen. Es geht dabei um eine Novellierung des Paragrafen 64 im Strafgesetzbuch, der die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt regelt.

Der Maßregelvollzug dürfe nicht als „Regelunterbringung“ missbraucht werden, sagte CDU-Rechtsexperte Alexander J. Herrmann, dies hätten auch die Justizminister der Länder richtig erkannt, nur sei die „überfällige Reform“ auf Bundesebene bislang ausgeblieben.

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