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Ampelmännchen können Leben retten.

© Getty images/Anita Bugge

Lebensgefährliche Berliner Kreuzungen : Neuköllner und Pankower Eltern kämpfen um Ampeln

Familien aus Neukölln verklagen den Senat. Sie fordern, dass eine Ampel aufgestellt werden soll. Auch in Pankow streiten Eltern für einen ungefährlicheren Schulweg für ihre Kinder.

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Einen sicheren Weg zur Schule und zur Kita – das wünschen sich viele Berliner Eltern für ihre Kinder. Denn die Stadt hat sehr viele Straßen, die ein Unsicherheitsfaktor auf dem Schulweg sind. Einer davon ist die Kreuzung Blaschkoallee/Onkel-Bräsig Straße/Riesestraße. Das zumindest finden viele Britzer Eltern, die in der Nähe wohnen. „Ein ganzer Stadtteil wird durch die Hauptverkehrsstraße Blaschkoallee getrennt, die sich nur schwer überqueren lässt“, sagt Nina Foquet, eine der Britzer Mütter, deren Kind genau das jeden Tag auf dem Weg zur Schule tun muss.

Sie und andere Eltern haben sich zu einer Initiative zusammengetan, die eine „Verkehrswende Britz“ in Gang bringen möchte. Ihr erstes Projekt: die gefährliche Kreuzung mit einer Ampelanlage ausstatten lassen und sie durch einen Umbau sicherer machen. Da es auf anderem Weg nicht vorwärtsging, haben mehrere Familien jetzt Klage gegen den Senat eingereicht.

„Möchte ein Kind die Straße von der Riesestraße kommend überqueren, muss erst der Fahrradweg überquert werden, um sich dann auf der Abbiegespur vorzutasten, um dann die jeweils zweispurige Straße zu queren“, heißt es auf der Internetseite der Initiative. „Wir wollen, dass der lebensgefährliche Übergang über eine der am stärksten befahrenen Straßen Neuköllns sicherer gemacht wird!“, schreibt Nina Fouquet, die die Klage mit eingereicht hat, auf der Internetseite gofundme.com. Dort sammeln die Kläger:innen Spenden, um die Klage zu finanzieren. 6000 Euro brauchen sie, 3420 Euro waren bis zum 17. Juli schon zusammengekommen.

Klage im Namen der Kinder

Drei Familien klagen im Namen ihrer Kinder, die fünf, neun und zwölf Jahre alt waren, als die Klage eingereicht wurde. Nina Fouquets Tochter ist inzwischen allerdings schon 13. Ihre Mutter ist es gewohnt, dass Geburtstage verstreichen und sich in Sachen Verkehrssicherheit nichts tut: Seit zehn Jahren kämpft sie für eine sichere Querung der Blaschkoallee. Sie begann damit, als ihr Sohn aufs Gymnasium kam. Der ist inzwischen 21 und längst fertig mit der Schule.

Besonders schwer komme man über die Blaschkoallee, wenn der Britzer Tunnel gesperrt sei, sagt Nina Fouquet. „Das ist 360 Mal im Jahr der Fall. Dann muss sich meine Tochter zwischen im Stau stehenden Lkw hindurchschlängeln.“ Ist er offen, seien hingegen Raser ein Problem. Noch schlimmer sei es für zwei gehbehinderte Nachbar:innen, beide über achtzig. Die kämen gar nicht über die Straße. Auch sie sind als Kläger dabei.

Die Initiative kritisiert auch den Bezirk: Schon 2020 habe die Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, das Bezirksamt aufzufordern, „durch bauliche oder verkehrsrechtliche Änderungen den Schulweg über die Blaschkoallee zwischen Riesestraße und Onkel-Bräsig-Straße sicherer zu machen, indem entweder die zu querende Straßenbreite verringert wird oder der Verkehr auf der Blaschkoallee zeitweilig zum Halten gebracht werden kann.“ Doch das sei noch immer nicht passiert.

Der Bezirk lässt sich Zeit

Auf Anfrage antwortete das zuständige Bezirksamt, man unterstütze „das Anliegen der Initiative ausdrücklich“ und halte „die Forderung nach einer Ampelanlage auch aus fachlicher Sicht für gut begründet“, so ein Sprecher des Bezirks. „Eine Ampel würde an dieser Stelle die Schulwegsicherheit bei der Querung deutlich erhöhen. Zudem liegt die Kreuzung auf einer viel genutzten Radroute. Der Bezirk hat sich deshalb mehrfach bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt für die Einrichtung einer Ampel an dieser Kreuzung eingesetzt.“

Wir wollen, dass der lebensgefährliche Übergang über eine der am stärksten befahrenen Straßen Neuköllns sicherer gemacht wird!

Nina Fouquet, Anwohnerin und Mutter von zwei Kindern

Bauen kann der Bezirk sie nicht, denn nur der Senat kann Ampeln aufstellen lassen. Den restlichen Umbau übernimmt jedoch der Bezirk. Dabei scheint sich jetzt endlich etwas zu tun. Schon in der letzten Juli-Woche würden dort Bauarbeiten beginnen, so der Sprecher. Geplant ist eine sogenannte Gehwegvorstreckung, bei der die Bürgersteige auf beiden Seiten so verbreitert werden, dass sie in die Straße hineinragen. „Sie wird das schrittweise Überqueren von Radweg und Fahrspur ermöglichen und verringert die zu überquerende Fahrbahnbreite um die ehemalige Parkspur, die derzeit als Abbiegespur verwendet wird.“

Nina Fouquet hält das nur für eine Schadensbegrenzung. „Es ist schon mal ganz gut, dass die Kinder nicht über den Haufen gefahren werden, wenn sie gucken wollen, ob ein Auto kommt. Aber das reicht nicht.“ 

Der Senat wartet ab

Es drängen sich Fragen an den Senat auf: Schätzt die Verkehrsverwaltung die Kreuzung weniger gefährlich ein? Warum wird dort keine Ampelanlage eingerichtet? Wie wird die Senatsverwaltung in Bezug auf die Klage vorgehen? Der Senat antwortet darauf nicht und verweist nur auf die laufende Klage. Durch die Gehwegvorstreckung würden „die Sichtbeziehungen verbessert und etwaiges verkehrsordnungswidriges Parken an dieser Stelle verhindert“, so eine Sprecherin. „Zur Umsetzung weiterer Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nach der Straßenverkehrsordnung ist ein Verfahren beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig. Das Ergebnis des Gerichtsverfahrens ist abzuwarten.“

Immerhin: Ein weiteres Projekt hat die Initiative „Verkehrswende“ schon erfolgreich abgehakt: In Zusammenarbeit mit der Hermann-Nohl-Grundschule haben sie einen breiteren Gehweg an der Hannemannstraße erstritten. Vor zweieinhalb Jahren sei der fertig geworden, sagt Fouequet. Um die Ampel kämpfen sie aber schon viel länger.

Regelwidrige Abbiegeversuche

Auch in Pankow streiten Eltern für mehr Sicherheit an einer gefährlichen Kreuzung: Die Landsberger Allee als Todesfalle – so sehen es Eltern der Maria-Leo-Grundschule und der Tesla-Schule Pankow. Sie fordern eine geänderte Ampelschaltung und ein Tempolimit für Straßenbahnen.

Auf dem Schulweg ihrer Kinder in Prenzlauer Berg sei es „in der vergangenen Woche an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu zwei identischen Unfällen gekommen“, berichten Hanna Bumann und Katharina Schuhen. „Wundersamerweise ist dabei bisher niemand zu Schaden gekommen – aber das ist bei der aktuellen Ampelschaltung nur eine Frage der Zeit!“

Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die Kreuzung Landsberger Allee/Ebertystraße. Dort ist das Linksabbiegen in die Conrad-Blenkle-Straße verboten. Vermutlich aufgrund der nahe gelegenen Baustelle an der Kreuzung Landsberger Allee/Petersburger Straße „kommt es derzeit häufig zu verkehrsregelwidrigen Abbiegeversuchen in die Conrad-Blenkle-Straße, bei denen das links abbiegende Auto die Tramgleise überquert“. Bei den genannten Unfällen rammte demnach jeweils die aus Richtung Petersburger Straße kommende Tram das abbiegende Auto.

Gefangen auf der Verkehrsinsel

Beide Unfallautos seien von der Tram auf die gegenüberliegende Verkehrsinsel geschleudert worden, die die Schulkinder zur Überquerung der Straße nutzen. „Da die aktuelle Ampelschaltung nicht zuverlässig die ununterbrochene Überquerung der Landsberger Allee garantiert, kommt es oft zu Grüppchenbildung auf dieser Verkehrsinsel – das heißt: Da stehen unter Umständen beim nächsten Unfall Kinder!“

Zudem biete die Verkehrsinsel nicht genügend Platz für die Fahrräder der Grundschulkinder. Gerade zu Stoßzeiten morgens und nachmittags „sind viele Kinder an dieser Stelle unterwegs, die dann zwischen durchrasender Tram in der Mitte und Feierabendverkehr auf den Straßen auf diesen Verkehrsinseln regelrecht gefangen sind“.

Die Eltern fordern die Behörden auf, „unverzüglich diese lebensgefährliche Ampelschaltung“ zu ändern, „bevor es Verletzte oder gar Todesfälle gibt“. Es sei „nur eine Frage der Zeit, bis das passieren wird“. Außerdem solle es ein Tempolimit für die Straßenbahnen auf der Landsberger Allee zwischen Danziger Straße und Storkower Straße geben. „In diesem Bereich von ca. 800 m Länge gab es in den vergangenen vier Jahren zahlreiche Unfälle unter Beteiligung der BVG, die zweimal leider tödlich endeten.“ Auch wenn man nicht von einem Verschulden der BVG ausgehe, „allein der gesunde Menschenverstand legt eine deutliche präventive Reaktion auf das Unfallgeschehen nahe“.

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