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Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, stellte am Dienstag die Pläne für den Mietendeckel vor.

© Christian Ditsch/imago

Mietendeckel in Berlin: Mieterhöhungen in letzter Minute, harsche Kritik der Wirtschaft

Berlins Senat beschließt Eckpunkte für einen Mietendeckel. Wirtschaft und Opposition warnen vor den Folgen. Die Degewo erhöhte kurzfristig die Preise.

Die schlechten Nachrichten kamen am Montagabend per Boten. Die Mieterhöhungen für die gesamte Hausgemeinschaft in Zehlendorf sollten noch rechtzeitig zugestellt werden, ehe der Senat am Dienstag das „Eckpunktepapier“ für den Mietendeckel beschließen wollte – und den Tag des Senatsbeschlusses zugleich zum Stichtag für neue Regelung machte.

„Mieten dürfen für fünf Jahre nicht mehr erhöht werden“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). „Wirtschaftliche Härtefälle“ wolle der Senat vermeiden. Die landeseigene Förderbank IBB solle dazu einen „Prüfkatalog“ erarbeiten, nach dem Überschreitungen der Mietobergrenze genehmigt werden könnten. Nach welchen Kriterien dies erfolgen wird, sagte Lompscher nicht. Im Januar 2020 soll das Gesetz in Kraft treten.

Folgende Punkte soll der Mietendeckel enthalten:

  • Ab sofort dürfen die Mieten von mehr als 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin fünf Jahre lang nicht erhöht werden.
  • Bei Neuvermietungen von Wohnungen darf höchstens die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis vertraglich vereinbart werden
  • Mieten, die eine noch nicht festgelegte „Höchstmiete“ überschreiten, müssen abgesenkt werden – andernfalls droht Vermietern ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro.
  • Neubau ist ausgeschlossen
  • Das Gesetz soll rückwirkend ab dem 18. Juni wirksam werden.
  • Modernisierungsumlagen, durch die die Bruttowarmmiete um mehr als 50 Cent pro Quadratmeter monatlich steigt, werden genehmigungspflichtig.

„Dies ist ein Grund zum Feiern“, sagt Franziska Schulte, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Berliner Mietervereins. Allerdings hatten viele Mieter in den vergangenen Tagen wenig Grund zum Feiern, darunter auch jene Hausgemeinschaft in Zehlendorf, von der Schulte berichtet. Viele Mieter hatten noch fristgerecht ihre Mieterhöhung erhalten.

„Ja, es sind viele, die sich bei uns gemeldet haben“, sagt Schulte, allerdings könnte die Welle der Nachfragen eine Dimension des Problems suggerieren, die es so nicht gibt. „Viele Vermieter hätten ihre Miete aufgrund des neuen Mietspiegels sowieso erhöht, diese Erhöhung ist jetzt nur früher als geplant ausgefallen.“ Schulte rät allen Mietern, die eine Erhöhung erhalten haben, diese prüfen zu lassen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass 30 bis 40 Prozent davon fehlerhaft und erstmal unwirksam sind.“

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Auch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo hat ihre Mieten erhöht, zeitnah zur Abstimmung über den Mietendeckel. Paul Lichtenthäler, Pressesprecher des Unternehmens, bezeichnet diese zeitliche Nähe als Zufall. Die Mieterhöhungen von jeweils zwei Prozent hätten nichts mit dem Mietendeckel, sondern mit der Mietspiegel, der im Mai erschienen ist, zu tun. „Aufgrund des Kooperationsvertrags mit dem Land ist es möglich, die Mieten um maximal zwei Prozent anzuheben“, sagte Lichtenthäler. Zudem seien lediglich 7500 Wohnungen des frei finanzierten Wohnungsbaus betroffen. Die Degewo verwaltet rund 75.000 Wohnungen, darunter 69.000 im eigenen Bestand.

Die Wohnungsnot werde dadurch erhöht, kritisiert die CDU

Opposition und Vertreter der Wirtschaft kritisieren die Beschluss des Mietendeckels heftig. „Hier wird nicht mehr zwischen Vermietern unterschieden, die fünf oder 15 Euro pro Quadratmeter von ihren Mietern verlangen. Das kann nicht klappen“, erklärte Christian Gräff, Sprecher für Bauen und Wohnen in der CDU-Fraktion. Gräff prognostizierte, der Mietendeckel werde die Wohnungsnot in Berlin nicht mindern, sondern erhöhen.

Während Harald Laatsch (AfD) den Mietendeckel als „unsozial“ bezeichnete und ebenfalls vor einem Einbruch der Neubauzahlen in der Stadt warnte, bezeichnete FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja die Einigung als „unsicheres Rechtskonstrukt, das den Mietern der Stadt nichts nutzen wird“. Czaja kündigte an, sich in den anstehenden Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2020/2021 für eine Halbierung der Grundsteuer einsetzen zu wollen, die am Ende auch Mietern zugutekommen sollte.

Der Mietendeckel ein Investitionsdeckel?

Der Mietendeckel drohe zum „Investitionsdeckel“ zu werden, sagte Maren Kern, Vorstandschefin vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). „Er würde bedeuten: Kein altersgerechter Umbau, keine Barrierefreiheit, keine CO2-Einsparungen mehr und deutlich weniger Neubau.“

Im BBU sind 350 landeseigene, private, kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen organisiert. Gerade die Genossenschaftler sehen ihr Geschäftsmodell gefährdet. Kern: „Genossenschaften, kirchliche und landeseigene Wohnungsunternehmen reinvestieren ihre Gewinne zum Nutzen der Mieter in ihre Bestände. Ein pauschales Einfrieren der Mieten kommt einer Bestrafung ausgerechnet der Guten am Markt gleich.“

Laut BBU lag die Durchschnittsmiete bei den Verbandsmitgliedern Ende 2017 bei 5,98 Euro nettokalt pro Quadratmeter und damit deutlich unter dem Mietspiegeldurchschnitt von 6,72 Euro.

Das Angebot an Mietswohnungen könnte noch knapper werden

Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ hofft darauf, dass der Berliner Beschluss auf Bundesebene verhindert wird. „Die Bundesregierung ist dringend gefordert, klare Signale zu setzen: Ein Mietendeckel ist keine Lösung für die Probleme auf dem Wohnungsmarkt“, sagte Verbandspräsident Kai Warnecke. „Nachhaltige und soziale Wohnungsmarktpolitik kann nur mit den privaten Eigentümern gelingen – nicht gegen sie.“

Auch Christian Amsinck, Chef der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), warnt vor den Folgen des Schrittes: „Unternehmen werden sich nun zweimal überlegen, ob sie ihr Geld in Wohnungen in der Hauptstadt investieren wollen“, sagte er. Der Verband rechnet damit, dass Mietwohnungen nun verstärkt in Eigentum umgewandelt werden. „Das Angebot würde also noch knapper, die Mieten würden weiter steigen.“

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