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Stephan Bröchler, Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

© privat

Nach der Chaoswahl 2021: Berlin bekommt ein Landeswahlamt

Geleitet wird das neue Amt ab Oktober vom Verwaltungswissenschaftler Stephan Bröchler. Dieser hatte zuvor an Empfehlungen für eine Reform der Wahlorganisation mitgearbeitet.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, aber dass Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sie noch einmal explizit aussprechen musste, zeigt, wie viel bei der Chaoswahl 2021 in Berlin schief gegangen ist. „Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, dass Wahlen gut organisiert werden“, sagte Spranger am Dienstag auf einer Pressekonferenz im Anschluss der Senatssitzung.

Um diesen Anspruch in Zukunft gerecht zu werden, präsentierte die Innensenatorin zweierlei: Zum einen ein umfangreiches Maßnahmenpaket wie die Wahlorganisation in Berlin reformiert werden soll. Zum anderen einen neuen Landeswahlleiter: Stephan Bröchler, Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Bröchler war Mitglied einer Expertenkommission, die im Juli einen Bericht veröffentlichte, in dem sie einerseits die Ursachen für das Berliner Wahlchaos skizzierte, andererseits Handlungsempfehlungen präsentierte, um Wahlen in Zukunft fehlerfreier zu organisieren.

Die von Innensenatorin Spranger gestern nun vorgestellten Maßnahmen beruhen zu einem Großteil auf den Handlungsempfehlungen der Expertenkommission. Zentraler Baustein dürfte die Schaffung eines unabhängigen Landeswahlamtes sein, dass laut Spranger „übergreifende Steuerungsaufgaben“ übernehmen soll.

Die Zeiten der Wahlleitung als König ohne Land sind vorbei.

Innensenatorin Iris Spranger

Bisher ist dem Landeswahlleiter nur eine dreiköpfige Geschäftsstelle unterstellt, diese soll nun nach Sprangers Wunsch auf bis zu sieben Mitarbeitende anwachsen und mehr Kompetenzen, etwa bei der Beschaffung von Stimmzetteln und der Entwicklung einheitlicher Standards bei Verfahrensabläufen.

„Die Zeiten der Wahlleitung als König ohne Land sind vorbei“, sagte Spranger und griff damit eine zentrale Formulierung des Expertenberichts auf. Diese hatte die Landeswahlleiterin aufgrund fehlender Kompetenzen als „Königin ohne Land“ bezeichnet.

Bezirkswahlämter sollen gestärkt werden

Der neue Landeswahlleiter Stephan Bröchler wertete es als „wichtiges Zeichen“, dass mit ihm ein Mitglied der Kommission in dieses Amt berufen wurde. „Ich interpretiere meine Wahl so, dass dieser Bericht auch umgesetzt werden soll.“

Tatsächlich finden sich eine Reihe weiterer Forderung der Experten in dem Maßnahmenkatalog. So sollen auch die Bezirkswahlämter, die derzeit nur ad hoc im Vorfeld von Wahlen zusammenkommen, verstetigt und personell ausgebaut werden. Dazu will Senatorin Spranger die Bezirke auch finanziell unterstützen – nannte aber dazu am Dienstag noch keine konkreten Zahlen.

Ich möchte das Amt so führen, dass es eine Rollenerweiterung des Landeswahlleiters entspricht.

 Landeswahlleiter Stephan Bröchler 

Zu den weiteren Maßnahmen als Konsequenz aus dem Wahlchaos im September 2021 zählen unter anderem, dass die Stimmzettel zukünftig bereits einen Tag vor dem Wahltag in Wahllokalen vorliegen sollen. Außerdem sollen die Bezirke Räume anmieten können, etwa um ausreichend Wahlkabinen aufstellen zu können, und es soll geprüft werden, ob künftig auch private Unternehmen eingebunden werden können, zum Beispiel bei der Logistik der Stimmzettelverteilung.

Der neue Landeswahlleiter Bröchler wird sein Amt am 1. Oktober antreten, er wird nebenbei weiterhin als Professor tätig sein, allerdings mit geringerem Lehrauftrag. „Ich möchte das Amt so führen, dass es eine Rollenerweiterung des Landeswahlleiters entspricht“, sagte Bröchler am Dienstag. Dazu gehöre zum einen, die Umsetzung des Reformprozesses kritisch zu begleiten, aber auch als „Kommunikator in die Gesellschaft“ herein zu wirken. Er wolle das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Wahlen zurückzugewinnen, sagte Bröchler. Das sei keine One-Man-Show und bedarf der Unterstützung des Senats.

Das Vertrauen könnte schon bald gebraucht werden. Derzeit beschäftigt sich der Berliner Verfassungsgerichtshof mit den Wahlpannen im vergangenen Jahr. Eine erste Anhörung ist Ende September geplant. Mit einer Entscheidung, ob und wenn ja, in welchem Umfang die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen wiederholt werden müssen, wird Ende Dezember erwartet.

Voraussichtlich früher wird der Bund über eine Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin entscheiden. Am 8.September will der Wahlprüfungsausschuss bekanntgeben, in wie vielen Wahllokalen er eine Wiederholung empfiehlt, im Oktober wird dann der Bundestag darüber abstimmen.

Die nächsten regulären Wahlen in Berlin finden im Jahr 2024 statt. Dann wird ein neues Europaparlament gewählt. Den Auftrag für die Papierbestellung für die entsprechenden Stimmenzettel habe sie bereits ausgelöst, sagte Innensenatorin Spranger. Sicher ist sicher.

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