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Polizisten waren im Berliner Ortsteil Buckow im Bezirk Neukölln vor einer Villa aus dem Clan-Milieu im Einsatz.

© dpa/Jens Kalaene

Update

Nachts mit grünem Licht ausgeleuchtet: Bezirk Neukölln überwacht Ex-Remmo-Villa mit Kameras

Am einstigen Anwesen der Großfamilie werden bald die Schlösser ausgetauscht. Neuköllns Bürgermeister lobt die Ermittler. Um Vandalismus zu verhindern, setzt der Bezirk auf Technologie.

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Das Anwesen des Remmo-Clans im Süden Berlins ist arg verwahrlost zurückgelassen worden, doch im Neuköllner Bezirksamt gilt die Übergabe von Villa und Grundstück als rechtlicher und politischer Erfolg. „Heute ist ein guter Tag für den Rechtsstaat“, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) am Mittwoch. „Wir haben bewiesen, dass wir einen langen Atem haben.“

Seit Mittwochabend erstrahlt die Villa in grünem Licht. Das ist auf ein besonderes Überwachungssystem zurückzuführen, den das Bezirksamt auf dem Areal des geräumten Hauses installiert hat. Es handele sich dabei um das System eines Sicherheitsunternehmens, das sonst an stark gesicherten Baustellen eingesetzt werde, teilte der Bezirk Neukölln dem Tagesspiegel auf Anfrage mit.

„Das System dient dazu, unser Eigentum zu sichern und ein Eindringen in die Gebäude oder auf das Gelände zu verhindern“, hieß es aus dem Bezirk. Dies sei erforderlich, solange es keine dauerhafte Kameraüberwachung auf dem Gelände gebe. „Aufgrund des medial recht prominenten Hauses ist zum aktuellen Zeitpunkt eine Überwachung geboten.“

Eindringliche innerhalb weniger Sekunden identifiziert

Zuvor hatte die „B.Z“ berichtet. Auf Fotos sind zwei Überwachungstürme zu sehen, die neben dem Haus stehen und in denen sich Kameras befinden sollen. Diese sollen Bilder von möglichen Eindringlingen in Echtzeit über schnelles Internet an eine Zentrale übertragen, die durchgehend besetzt ist. Die Technik umfasst zudem Bewegungsmelder, Lautsprecher- sowie Aufzeichnungssysteme.

Zwei „Kameratürme“ ermöglichten dabei eine „lückenlose 24/7-Überwachung des Grundstücks“, erklärte der Bezirk. Wer das Grundstück betrete, werde innerhalb weniger Sekunden identifiziert und live über Lautsprecher zum Verlassen des Geländes aufgefordert. Sollte dieser Schritt nicht ausreichen, werde die Polizei alarmiert.

Das Areal werde nachts mit grünem Licht ausgeleuchtet. Dabei seien die Scheinwerfer so eingestellt, dass es für die Nachbarschaft nicht störend sei. Auch die installierten Kameras seien „exakt auf das Grundstück und das Haus ausgerichtet“.

Nach Angaben des Bezirkssprechers ist diese Überwachung „deutlich günstiger“ als ein Wachschutz. Die Kosten für den Betrieb der beiden „Kameratürme“ belaufen sich wöchentlich auf einen „mittleren dreistelligen Betrag“. Hinzu kommen rund 1000 Euro für den Auf- und Abbau. „Sobald wir andere Sicherungssysteme wie fest verbaute Kameras oder Ähnliches installiert haben, werden die Türme wieder abgebaut“, so der Sprecher.

Bauschutt und Küchenabfall

Am Mittwoch übernahm eine Gerichtsvollzieherin die Villa. Über Jahre war über das Anwesen gestritten worden. Bis zu einem weithin beachteten Ermittlungserfolg im Jahr 2018 besaßen die Remmos die Immobilie sogar, sie wurde damals von der Justiz konfisziert. In den vergangenen Jahren ging es zumindest formal um eine Mietstreitsache zwischen der Mutter aus der Remmo-Kernfamilie und dem neuen Eigentümer: dem Bezirksamt.

Die Großfamilie hatte die Villa schon vor einigen Tagen verlassen, dabei aber Schäden angerichtet. In den Zimmern des Gründerzeithauses wurden Böden aufgerissen, Kabel hingen aus der Wand, einige Fensterscheiben waren eingeschlagen. In der Villa fanden Beamte allerlei Bauschutt, Unrat, Sperrmüll. Auch hinter der Villa: abgewetzte Möbel, Plastikmüll, Essensreste.

Polizisten stehen an der Eingangstür des Hauses, aus dem zuvor die Klingelanlage herausgerissen wurde.

© dpa/Jens Kalaene

77
Immobilien wurden von der Justiz dem Remmo-Clan zugerechnet

Das Haus befinde sich „in einem nicht bewohnbaren Zustand“, teilte ein Sprecher des Bezirksamtes mit. Es gebe deutliche Anzeichen für „mutwillige Zerstörungen“, er beklagte den „insgesamt desolaten Zustand“. Nun würden „Sicherungsmaßnahmen“ durchgeführt, wenn nötig neue Türen und Fenster eingesetzt, an anderer Stelle die Schlösser ausgetauscht.

Jobcenter zahlte Mietzuschuss

Wie berichtet, wurde das Haus in Alt-Buckow mit acht Zimmern und Garten von einem Teenager aus der Großfamilie im Jahr 2012 für rund 200.000 Euro erworben. Offiziell lebten dort in den vergangenen Jahren zwischen acht bis zehn Personen. Die Justiz beschlagnahmte 2018 insgesamt 77 Immobilien, die dem Remmo-Clan zugeordnet werden und mit Beute- und Schwarzgeld erworben worden sein sollen – darunter das jetzt geräumte Anwesen.

Nachdem die Immobilie gerichtsfest dem Staat zuerkannt worden war, kündigte im Jahr 2021 das zuständige Bezirksamt der Mieterin aus der Großfamilie, die dort zuletzt mit einigen Söhnen und Töchtern lebte. Die Frau hatte mit dem einstigen Käufer im Teenager-Alter, einem ihrer Söhne, einen Mietvertrag abgeschlossen. Über Jahre zahlte das Jobcenter einen Mietzuschuss.

Der Kampf gegen Clan-Kriminalität ist ein Marathonlauf.

Martin Hikel (SPD), Bürgermeister von Berlin-Neukölln

Die Remmos wehrten sich rechtlich gegen die Kündigung durch den Bezirk, doch im Januar dieses Jahres entschied das Landgericht, dass die Familie die Villa verlassen muss. Deren Anwälte stellten noch einen sogenannten Räumungsschutzantrag, der vom Amtsgericht Neukölln zurückgewiesen wurde.

Neuköllns Bürgermeister Hikel wurde in seinem Statement nach dem Einsatz grundsätzlicher: „Ich habe schon vor fünf Jahren gesagt: Der Kampf gegen Clan-Kriminalität, gegen die organisierte Kriminalität, ist ein Marathonlauf.“ Wer solche Netzwerke bekämpfen wolle, müsse ihnen an die Beute. „Dazu gehört, das Geld zu verfolgen und konsequent zu beschlagnahmen. In Neukölln, in Deutschland, in Europa.“

Kriminalität sei nicht sexy, sagte Hikel. „Es lohnt sich nicht, mit dem AMG-Mercedes drei Runden über die Sonnenallee zu drehen, wenn das Ergebnis nur Ärger und Knast ist. Das muss in die Köpfe. Und dazu brauchen wir einen funktionierenden, konsequenten Rechtsstaat, der Geldströme verfolgt, der anpassungsfähig ist, der zuschlägt, wenn er Beweise hat – und der die Unterstützung der Gesellschaft hat.“

Der SPD-Mann dankte den Finanzfahndern, die im Remmo-Imperium nach Indizien für versteckte Beute, Schwarzgeld und Geldwäsche-Objekten suchten. Zahlreiche Angehörige der Großfamilie wurden für Eigentums- und Rohheitsdelikte verurteilt.

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