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Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Mitte mit Gesichtsschutzschirm telefonieren im Lagezentrum des Gesundheitsamt Mitte.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Ohne Internet durch die Krise: Analoge Arbeit der Gesundheitsämter bremst Arbeit gegen Corona-Pandemie

In Steglitz-Zehlendorf werden Vorgänge mitunter noch mit Papier und Stift bearbeitet. Unklar ist, wann es ein einheitliches digitales Verfahren geben wird.

Mehr als zwei Monate nach Ausbruch der Corona-Pandemie in Berlin sind sie der wichtigste Baustein bei der Eindämmung des Virus: die bezirklichen Gesundheitsämter. Sie ordnen die Quarantäne an, organisieren Tests und vermitteln zwischen Labor und Patienten, ermitteln Kontaktpersonen Infizierter. „Sie sprengen die Ketten“, erklärte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zuletzt mit Blick auf die inzwischen rund 1800 für das sogenannte Containment abgestellten Mitarbeiter der Gesundheitsämter und dankte ihnen für den „großen Beitrag“ zur Eindämmung des Virus.

Weil die Senatorin darüber hinaus erklärte, die Gesundheitsämter seien „sehr digital und innovativ“, dürfte die Freude über das Lob vor Ort aber einen bitteren Beigeschmack bekommen haben. Tatsächlich leiden die Gesundheitsämter neben der auch schon vor Corona chronischen Unterversorgung mit Personal an versäumten Digitalisierungsschritten. Statt digital oder gar vernetzt arbeiten Mitarbeiter einzelner Bezirke beim Containment analog.

Eine Umfrage ergab: In Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf werden Vorgänge mitunter noch mit Stift und Papier bearbeitet. Andere Bezirke arbeiten mit selbst generierten Programmen oder Excel-Tabellen. Diese werden mit zunehmender Masse der Daten jedoch erstens unübersichtlich und zweitens instabil.

Eine barrierefreie Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Laboren oder untereinander fehlt völlig, weshalb Informationen über die Pandemiesituation mühsam recherchiert werden müssen, inklusive Zeitverzug. Per Fax aus den Laboren an die Ämter verschickte Testergebnisse wiederum werden von den Mitarbeitern händisch eingepflegt, Bescheide zur Absonderung in Quarantäne längst nicht in allen Bezirken automatisch verschickt. Pankows Gesundheitsstadtrat Torsten Kühne (CDU) sagt: „Hier zeigt sich nur exemplarisch die Wichtigkeit der Digitalisierung und Geschäftsprozessoptimierung.“

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„Sormas" kann den Austausch zwischen den Bezirksämtern erleichtern

Ermöglichen soll diese eine ursprünglich für die Bekämpfung eines Ebola-Ausbruchs in Westafrika im Jahr 2014 entwickelte Software. Das Programm „Sormas“, entwickelt am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), kann Fallmeldungen, Infektionsverläufe und deren Ausbreitung digital dokumentieren, analysieren und nachhalten. Die bislang verwendeten Excel-Listen entfallen und der für die Eindämmung des Virus wichtige Austausch zwischen den Bezirksämtern dürfte wesentlich erleichtert werden.

Wann das so weit sein wird, ist offen. Nachdem Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf sowie Pankow die Einführung von Sormas – teilweise durch den drohenden Zusammenbruch ihrer Systeme beschleunigt – auf den Weg gebracht haben, stehen andere am Anfang. Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf sowie Spandau melden, konkrete Schritte zur Einführung von Sormas seien noch nicht ergriffen.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Der Wildwuchs der Provisorien droht auch in der jetzigen Lockerungsphase, in der Gesundheitsämter die Pandemieentwicklung genau beobachten müssen, fortgesetzt zu werden. Uwe Brockhausen (SPD), Gesundheitsstadtrat aus Reinickendorf, sagt geradezu diplomatisch: „Es gibt in den Bezirken verschiedene Lösungen mit unterschiedlichem Erfolg. Insoweit wird eine berlinweite einheitliche Handhabung Vorteile bei der Datenverarbeitung und dem Datenaustausch bieten.“

Die Frage danach, wann das so weit sein wird, muss die Senatsverwaltung für Gesundheit beantworten. Sie ist für die Koordinierung der berlinweiten Einführung von Sormas verantwortlich und wurde daran zuletzt vom Amtsarzt des Bezirks Mitte, Lukas Murajda, erinnert. Die Gesundheitsverwaltung müsse „die Kommunikation und den fachlichen Austausch zwischen den 12 Bezirken und dem Lageso sicherstellen, das Fachverfahren Sormas einführen und andere Softwarelösungen einheitlich ämterübergreifend schaffen“, forderte Murajda.

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Ob der 1. Juli realistisch ist, bleibt unklar

Die Gesundheitsverwaltung sah sich nicht in der Lage, eine am Mittwoch gestellte Tagesspiesgel-Anfrage zu Ablauf und Ende der Sormas-Einführung zu beantworten. Eine Begründung gab es nicht. Stattdessen hieß es, „aufgrund der derzeitigen Menge an auflaufenden Presseanfragen“ könne die Anfrage „erst Anfang kommender Woche“ beantwortet werden. Die Bezirke dürften das aufmerksam zur Kenntnis nehmen. Unklar bleibt damit, ob der von Torsten Kühne genannte Termin, der 1. Juli, realistisch ist.

Übereinstimmenden Informationen aus den Bezirken zufolge wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die bereits getagt hat. Angaben zu Zusammensetzung und Arbeitsweise dieser Gruppe machte die Gesundheitsverwaltung ebenfalls nicht.

Klar ist: Sormas muss mindestens noch eine Hürde überwinden, die Überprüfung durch die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk. Ein Sprecher erklärte, der geplante Einsatz von Sormas sei der Behörde „seit Kurzem bekannt“, eine Anfrage bei den verantwortlichen Stellen laufe. „Im Vorfeld beteiligt wurden wir allerdings nicht, sodass auch keine Prüfung erfolgen konnte und derzeit noch keine Prüfungsergebnisse vorliegen“, sagte der Sprecher und verwies auf die Verantwortung der verantwortlichen Stellen, gegebenenfalls eine Datenschutzfolgeabschätzung durchzuführen.

Da dies nicht geschehen sei, könnten Aussagen dazu, ob Sormas datenschutzkonform ist oder nicht, derzeit nicht getroffen werden. Darüber hinaus erfordert deren Einführung die Beteiligung der Personalvertretungen in den Bezirken.

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