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Die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes Sönke Hilbrans (l-r), Jürgen Kipp, Sabrina Schönrock, Ludgera Selting (Präsidentin), Robert Wolfgang Seegmüller, Ahmet Kurt Alagün, Margarete Gräfin von Galen und Christian Burholt stehen im Verfassungsgericht. Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Die Abstimmung vom September 2021 sei ungültig, erklärte der Berliner Verfassungsgerichtshof am Mittwoch. +++ dpa-Bildfunk +++

© picture alliance/dpa/Annette Riedl

Personalmangel am Berliner Verfassungsgerichtshof: Sechs Richterstellen müssen neu besetzt werden

Seit mehr als zwei Jahren müssten sechs von neun Richterstellen nachbesetzt werden. Weil die Politik sich verhakt, hat das Gericht nun ein Problem.

Der Berliner Verfassungsgerichtshof – Berlins oberstes Gericht und unter anderem verantwortlich für die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im vergangenen Jahr – hat ein Personalproblem.

Weil die einst von den Grünen nominierte Strafrechtlerin Margarete von Galen Ende September ihren Dienst quittiert hat, ist das Gericht seit mehreren Monaten unvollständig. Statt der vorgesehenen neun Richterinnen und Richter sind aktuell nur acht im Amt – ein Patt, mit dem die Blockade von Entscheidungen nicht mehr ausgeschlossen ist.

Die desolate personelle Lage hat eine lange Vorgeschichte. Neben der ausgeschiedenen von Galen hätten fünf weitere Richterinnen und Richter – darunter der einst von der CDU nominierte Vizepräsident Robert Wolfgang Seegmüller – längst ausgetauscht werden sollen. Ihre auf sieben Jahre begrenzte Amtszeit endete im Juli 2021 und damit wenige Monate vor der Abgeordnetenhauswahl im September.

Weil Verfassungsrichter vom Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, hätte sich die damals noch rot-grün-rote Koalition mit der Opposition auf ein Tableau einigen müssen. Letzteres unterblieb aus politischem Kalkül heraus, es folgte die Überprüfung und schließlich Anordnung der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl durch das Gericht. Die Ende April 2023 konstituierte Koalition aus CDU und SPD hat den Schaden bislang nicht geheilt und das Vorhaben wiederholt von der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses genommen.

Grüne und Linke setzen Koalition unter Druck

Grüne und Linke setzen das Bündnis nun unter Druck. In einem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, fordern sie die Koalitionsfraktionen dazu auf, die abgelaufenen Richterstellen nachzubesetzen. Es gebe „spätestens seit dem Urteil zur Wiederholungswahl keinen Grund mehr, die Wahl nicht durchzuführen“, erklären die Fraktionschefs unisono. Der Umstand, dass zwei Drittel der Verfassungsrichter seit mehr als zwei Jahren lediglich geschäftsführend im Amt sind, sei „nicht tragbar“, heißt es weiter. Zunächst hatte der „rbb“ berichtet.

Adressat des Schreibens ist allen voran die CDU-Fraktion. Diese habe es als größte Fraktion bislang versäumt, die demokratischen Fraktionen zu einem Gespräch einzuladen, erklären die Autoren des Schreibens – und holen genau das ihrerseits nach. Am kommenden Donnerstag und damit am Rande der ersten Plenarsitzung des Jahres solle ein entsprechendes Treffen stattfinden, schlagen sie vor.

Dass der seit mehr als zwei Jahren schwelende Konflikt nun binnen Tagen abgeräumt wird, gilt als unwahrscheinlich. Zu politisch umkämpft ist die Besetzung der Richterstellen, für deren Verteilung es anders als in anderen Bereichen keine feststehenden Regeln gibt. Zöge man, wie bislang üblich, das sogenannte d’Hondt-Verfahren heran, dürfte die CDU drei Richter und Richterinnen stellen, SPD und Grüne wie bislang zwei sowie Linke und AfD jeweils einen. Verglichen mit dem Status Quo müsste demzufolge die Linke auf eine Nominierung verzichten.

Da die AfD vom Gericht ferngehalten werden soll, lautet die Streitfrage, welcher Partei der dann offene Richtervorschlag zugestanden werden soll. Während die Linke den zweiten Posten nicht aufgeben will, heißt es in der CDU, zusätzlich zu den zwei ohnehin zu besetzenden Kandidaten stünde auch eine dritte Person bereit. Zur Erinnerung: CDU, SPD und Grüne kommen auch ohne die Linke auf eine Zweidrittelmehrheit.

Strittig ist darüber hinaus die Besetzung des Postens des stellvertretenden Gerichtspräsidenten. Tagesspiegel-Informationen zufolge wackelt die bislang ebenfalls ungeschriebene Regel, der zufolge der Posten bislang immer an die Opposition ging. Da die von der SPD nominierte Präsidentin Ludgera Selting aber noch knapp drei Jahre Amtszeit vor sich hat, ginge die CDU als deutlich stärkste politische Kraft im Land mit Blick auf das Präsidium des Gerichts leer aus.

CDU-Fraktionssprecher Olaf Wedekind erklärte am Freitag, die Wahl der Verfassungsrichter solle „kurzfristig im Parlament erfolgen“. Die Koalition werde alle anderen Fraktionen mit Ausnahme der AfD im Januar zu Gesprächen einladen, sagte er und stellte klar: „Ein vollständig gewählter Verfassungsgerichtshof von Berlin ist uns wichtig.“

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