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Vielfach wurde gegen den Weiterbau der A100 demonstriert

© Jörn Hasselmann

„Spaziergang“ wurde nicht angemeldet : Berliner Polizei ermittelt gegen Bürgerinitiative A100

Das Berliner Landeskriminalamt wirft der Bürgerinitiative A100 einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht vor. Diese hatte einen „Spaziergang“ nicht bei der Polizei angemeldet.

Das Berliner Landeskriminalamt ermittelt gegen ein Mitglied der Bürgerinitiative A100. Dies teilte die Initiative bei X (früher Twitter) mit. Demnach wirft die Polizei der Gruppe einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht vor. Diese hatte am 30. September zu einem „Info-Spaziergang“ entlang der geplanten A100-Trasse in Friedrichshain und Prenzlauer Berg eingeladen. „Wir spazieren auf einem Teilstück des geplanten 17. Bauabschnitts der Stadtautobahn A100 und schauen uns an, was dadurch alles vernichtet würde“, hieß es in der Ankündigung. Wie berichtet, will der Bund die A100 über die Spree verlängern. Derzeit ist der 16. Abschnitt im Bau.

Doch die Polizei liest bei Sozialen Medien wie X oder Facebook mit und war deshalb am Startpunkt des Spaziergangs an der Eldenaer Brücke präsent. Das Mitglied der Bürgerinitiative, das Auskunft gab, wurde von den Beamten als Versammlungsleiter bestimmt. Knapp vier Wochen später bekam er Post vom LKA: „Die Versammlung ist nicht rechtzeitig, das heißt mindestens 48 Stunden vor Beginn, gegenüber der Berliner Polizei angezeigt worden“, so der Vorwurf in dem Schreiben.

Dieser Spaziergang sei bewusst nicht bei der Polizei als Versammlung angemeldet worden, sagte Briti Beneke von der Bürgerinitiative am Dienstag dem Tagesspiegel. „Es gab keine Banner und keine Plakate.“ Schließlich würden auch Bezirksbürgermeister, Stadträte und Abgeordnete zu derartigen Spaziergängen aufrufen und diese nicht bei der Versammlungsbehörde anmelden, argumentiert Beneke. Die Bürgerinitiative werde Widerspruch einlegen.

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Was eine Demo ist und was nicht, ist im Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin von 2021 geregelt. Bei der Föderalismusreform 2006 ist die Kompetenz zur Gesetzgebung für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder übergegangen. Die Innenverwaltung nennt diese Kriterien: „Erst wenn sich mindestens zwei Personen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenfinden und der gemeinsame Zweck darin besteht, an der ‘öffentlichen Meinungsbildung’ teilzunehmen, liegt eine Versammlung vor.“

Diese müssen mindestens 48 Stunden vorher angezeigt werden, dadurch soll laut Innenverwaltung sichergestellt werden, „dass der Versammlung oder dem Aufzug der erforderliche Schutz zuteilwerden kann, Drittinteressen berücksichtigt und Sicherheitsinteressen gewahrt werden können“. Einer „Genehmigung“ durch die Polizei bedarf es nicht, in seltenen Ausnahmefällen kann eine Versammlung untersagt werden. „Kulturelle, religiöse, sportliche oder gewerbliche Veranstaltungen“ gelten nicht als Versammlung, so die Innenverwaltung.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf veranstaltet seit 20 Jahren monatlich einen „Spaziergang“, den meist die Bürgermeisterin anführt. Diese Spaziergänge werden nicht als Versammlung angemeldet, berichtete eine Mitarbeiterin des Bezirksamtes, wohl aber bei der örtlichen Polizei angekündigt, „schließlich sind bis zu 200 Menschen dabei“. Bei den Spaziergängen gehe es meist um kulturelle oder geschichtliche Themen und nicht um Politik, sagte die Mitarbeiterin.

Bei Abgeordneten geht es sehr wohl um Politik, doch auch sie melden ihre Veranstaltungen im Wahlkreis nicht als Versammlung an. „Ich gehe davon aus, dass Abgeordnete und Parteien oder Bürgermeister Spaziergänge grundsätzlich nicht anmelden“, sagte der langjährige Grünen-Abgeordnete und heutige Rechtsanwalt Benedikt Lux dem Tagesspiegel.

Das aktuelle Versammlungsgesetz war 2021 von Rot-Rot-Grün verabschiedet worden, es gilt als sehr liberal. Die Strafen sind gering, ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht gilt nur als Ordnungswidrigkeit, als Geldbuße können bis zu 1000 Euro erhoben werden. Während der Pandemie hatten Coronaleugner vielfach versucht, die Pflicht zur Anmeldung einer Versammlung zu umgehen – indem sie zu „Spaziergängen“ aufriefen. Die Polizei hatte das allerdings anders gesehen, einige Bundesländer haben mit dem Mittel der Allgemeinverfügung deshalb sämtliche derartige Versammlungen untersagt.

Die Bürgerinitiative gegen den Weiterbau der A100 sammelt nun Spenden, um einen Anwalt und mögliche Gerichtskosten zu finanzieren.

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