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Martin Hikel (SPD), Neuköllns Bezirksbürgermeister, und Nicola Böcker-Giannini (SPD), Ex-Staatssekretärin, kommen zum Landesparteitag der SPD Berlin. Beide haben die Mitgliederbefragung um den Parteivorstand gewonnen. Ihre Wahl soll im Rahmen des Parteitags bestätigt werden.

© dpa/Jörg Carstensen

„Politik stärker vom Alltag aus denken“: Berliner SPD wählt Hikel und Böcker-Giannini als neue Landesspitze

Neuköllns Bezirksbürgermeister und die Ex-Sport-Staatssekretärin sollen die SPD wieder nach vorne bringen. Doch ihre Amtszeit startet mit einer großen Hypothek.

Die Amtszeit der neuen Berliner SPD-Landesvorsitzenden beginnt mit einer großen Hypothek. Auf dem Landesparteitag am Sonnabend in Lichtenberg stimmten lediglich 65,5 Prozent der 262 Delegierten für Martin Hikel. Nicola Böcker-Giannini bekam 67,6 Prozent. Damit folgten zahlreiche Delegierte dem Votum des Mitgliederentscheids vor einer Woche nicht. Böcker-Giannin sprach anschließend von einem „ehrlichen Ergebnis“. Die neuen Landesvorsitzenden sind für zwei Jahre gewählt.

Führende Berliner Sozialdemokraten hatten auf dem Parteitag dazu aufgerufen, Hikel und Böcker-Giannini zu wählen und damit das Ergebnis der Mitgliederbefragung zu respektieren. Hikel, Bezirksbürgermeister von Neukölln, und Böcker-Giannini, ehemalige Sport-Staatssekretärin, erhielten bei dem Basisvotum zuvor rund 58 Prozent der Stimmen und setzten sich damit in einer Stichwahl gegen das dem linken Parteiflügel zugerechnete Duo Kian Niroomand und Jana Bertels durch. Bereits in der ersten Runde der Mitgliederbefragung scheiterte der bisherige Co-Landesvorsitzende Raed Saleh, der zusammen mit Luise Lehmann antrat.

Die neuen Landesvorsitzenden, die innerhalb der SPD eher konservative Positionen vertreten, kündigten in ihren Reden vor der Wahl eine Neuausrichtung der Partei an. „Wir müssen unsere Politik stärker vom Alltag der Berliner aus denken“, sagte Hikel. Dabei müsse man auch alte Glaubenssätze hinterfragen. „Wir müssen den Mut haben, unsere bisherigen Antworten auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.“ Ziel sei, dass das Rote Rathaus 2026 „auch innen wieder rot“ wird.

Kritik äußerten beide wie zuvor im parteiinternen Wahlkampf unter anderem an dem Prinzip der Kostenfreiheit und am 29-Euro-Ticket. „Starke Schultern müssen mehr tragen als Schwache“, forderte Böcker-Giannini.

Auch intern kündigten beide einen „kulturellen Neuanfang“ an. „Nur wenn wir uns selbst auch wieder vertrauen, werden uns auch die Berlinerinnen und Berliner vertrauen“, sagte Böcker-Giannini. Hikel forderte, dass Schluss sein müsse „mit innerparteilichen Lästereien und Beschimpfungen“.

Viel Kritik unter Delegierten brachte dem neuen Landesvorsitzenden ein Interview mit der „B.Z.“ kurz vor dem Landesparteitag ein. Darin kokettierten beide mit einem Austausch von SPD-Senatoren und warfen der Partei vor, „inhaltlich ziemlich tot zu sein“. Als „untragbar“ kritisierte dies eine Delegierte.

Rückschlag bei der Wahl der Stellvertreter

Auch bei der Wahl der stellvertretenden Landesvorsitzenden mussten Hikel und Böcker-Giannini einen Rückschlag hinnehmen. Sie warben für die Wahl von Rona Tietje, Bezirksstadträtin in Pankow, sowie Gordon Lemm, Bezirksstadtrat in Marzahn-Hellersdorf. Bei der Wahl konnte sich jedoch nur Tietje durchsetzen.

Als weitere Stellvertreter gewählt wurden Sinem Taşan-Funke, ehemalige Berliner Juso-Vorsitzende, Mathias Schulz, Mitglied im Abgeordnetenhaus, und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe. Alle drei werden dem linken Parteiflügel zugerechnet. Den geschäftsführenden Landesvorstand komplettiert Fabian Fischer, der Michael Biel als SPD-Landeskassierer ablöst.

Die scheidende Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey sieht die neue Doppelspitze der Partei vor großen Herausforderungen. Hikel und Böcker-Giannini müssten die Partei wieder zusammenführen, ihr Orientierung und Richtung geben, sagte Giffey am Samstag auf dem Parteitag. „Das ist nötig, denn unsere SPD, sie steht eben im Moment in Umfragen nicht ganz gut da. Und das kann uns nicht zufriedenstellen.“

Alle in der SPD müssten gemeinsam daran arbeiten, damit die Partei wieder erfolgreicher sei. Die Berliner SPD müsse sich den Kernthemen widmen wie bezahlbare Wohnungen, gute Mobilität für alle, gute Kinderbetreuung, starke Wirtschaft, eine funktionierende Verwaltung und Sicherheit. „Wir müssen uns um diese Themen kümmern und sie besser kommunizieren.“ Giffey appellierte an „Einigkeit und Geschlossenheit“ in der Partei. Sie solle sich nicht in Flügelkämpfen und Streit verlieren. Wenn dies nicht gelinge, drohe der SPD der dauerhafte Verlust als stärkste politische Kraft in der Hauptstadt.

Auch der bisherige Co-Vorsitzende Raed Saleh forderte Geschlossenheit. „Die Sozialdemokratie muss zusammenfinden. Wir sind am Ende alle in ein und demselben Boot.“ (mit dpa)

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