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Die Bedeutung der Pilze für das Ökosystem in Land- und Forstwirtschaft wird meist unterschätzt.

© imago images/Westend61 / Kiko Jimenez via www.imago-images.de

Volle Körbe voraus: Gute Aussichten für Pilze-Sammler in Brandenburg

Die Pilzsaison hat begonnen. Der feuchte Wald bietet gute Bedingungen für Steinpilz, Marone, Butterpilz oder Ziegenlippe, erklärt ein Experte aus Brandenburg.

Von Silke Nauschütz, dpa

Der Herbst verspricht mit zunehmenden Niederschlägen eine gute Pilzsaison. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) sind nach der Trockenheit der vergangenen Monate in zahlreichen Regionen nun bundesweit Pilze zu finden, auch in Brandenburg.

Der Wald sei durchfeuchtet und biete gute Bedingungen für Steinpilz, Marone, Butterpilz oder Ziegenlippe, berichtet auch der Pilz-Sachverständige Lutz Helbig aus Südbrandenburg. Er arbeitet ehrenamtlich in der Gesellschaft mit und kartiert unter anderem Pilze. Nicht nur Parasolpilz (Riesenschirmpilz), Riesenbovist und Hasenbovist, Steinpilz oder Rotfußröhrling können derzeit gesammelt werden. Nach DGfM-Angaben gibt es schätzungsweise 10.000 Großpilze in Mitteleuropa, ungefähr 100 davon sind essbar, etwa 150 von ihnen giftig und etwa zehn tödlich.

So viele Steinpilze wie noch nie

Der 21-jährige Biologiestudent Moritz geht zum Pilzesuchen seit sechs Jahren bei Halbe (Dahme-Spreewald) immer an dieselbe Stelle. Meist findet er Maronen und den einen oder anderen Steinpilz. In diesem Jahr habe er so viele Steinpilze gefunden wie noch nie, berichtet er. Die Pilze hätten nicht nur im Wald, sondern auch an Wegrändern gestanden und seien auch von der Qualität her sehr gut – seine Funde seien kaum madig.

Nach Angaben des Experten Helbig leben Pilze auf unterschiedliche Weise: die einen als sogenannte Zersetzer wie etwa Champignon und Riesenbovist, die anderen leben in Symbiose mit Pflanzen – als sogenannter Mykorrhiza-Pilz. Das sind beispielsweise Steinpilz oder Marone. Die Pilze, die eine Symbiose mit Bäumen im Wurzelsystem eingehen, seien in diesem Jahr etwas später dran, berichtet er.

Bäume im Trockenstress

Mykorrhiza-Pilze wie der Steinpilz gehen eine Symbiose mit Baumarten wie der Kiefer oder der Eiche ein, erklärt Helbig. Die Bäume stehen nach den vergangenen Jahren mit wenig Regen in einigen Regionen im Trockenstress. „Geht es diesen Bäumen beziehungsweise dem Wald nicht gut, geht’s auch den Mykorrhizapilzen nicht gut.“

Letztes Endes komme es darauf an, wie vital der Baum sei. Ist beispielsweise die Kiefer geschwächt, etwa durch Trockenheit und Schädlinge, kann sich Helbig zufolge die Fette Henne als Schwächeparasit ausbreiten. Auch in diesem Jahr sei diese Pilzart schon gefunden worden. „Jede Art hat ihre ökologische Nische.“

So hat sich unter anderem auch die „Falsche Rotkappe“ als Neomyzet – also mit direkter oder indirekter menschlicher Unterstützung – in Deutschland weiter ausgebreitet. Der Speisepilz, der mit Marone oder Steinpilz verwechselt werden kann, ist aus Nordamerika nach Europa zuerst ins Baltikum eingeschleppt worden. Auf welchem Wege, ist Helbig zufolge nicht bekannt.

Seit dem deutschlandweiten Erstfund 2014 in der Lausitz hat sich der Pilz nahezu explosionsartig im Brandenburger Raum vermehrt. Von der „Falschen Rotkappe“ gebe es schon etwa 100 Fundorte, besonders in Südbrandenburg aber auch in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. „Wir sind dabei zu beobachten, ob dieser Pilz eine invasive Art ist und ob andere Pilzarten verdrängt werden.“ Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Mykologie kartiert Helbig ehrenamtlich Pilze und sorgt für deren Erfassung mit genauen Standorten.

Es geht nicht ohne die Pilze.

Rita Lüder, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Mykologie

Rita Lüder, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Mykologie sagt: „95 Prozent der Pflanzen leben in Symbiose mit Pilzen, diese stellen den Pflanzen Wasser mit darin gelösten Mineralstoffen zu Verfügung. So unterstützen sie das Wachstum der Pflanzen. Von den Pflanzen wiederum bekommen sie Zucker, den sie für ihr Wachstum brauchen“, erklärt die Biologin.

Ihrer Ansicht nach wird die Bedeutung der Pilze für das Ökosystem in Land- und Forstwirtschaft zu gering geschätzt. „Die Erde ist eine Scheibe, was das Pilzwissen in der Grundlagenforschung in der Ökologie anbelangt“, sagt Lüder. „Pilze tragen viel zur Bodenqualität bei, sie halten ihn vital. Auf Äckern geben sie Früchten wie Erdbeeren oder Getreide durch Wechselwirkung auch einen Geschmack“. Dazu gebe es Studien. „Es geht nicht ohne die Pilze“, betont die promovierte Biologin.

Zugleich fordert die Expertin mehr Wissensvermittlung in den Schulen. Pilze seien genauso wichtig wie die Pflanzen und das wisse in der Bevölkerung fast niemand. Es gebe noch Lehrmaterial, in dem das Ökosystem Wald ohne Pilze erklärt werde.

Auch Experte Helbig vermisst Wissen über Pilze. Das zeige sich etwa beim Beraternachwuchs, der ein großes Problem sei. In Brandenburg haben ihm zufolge die angebotenen Pilzberatungsstellen bereits „große weiße Flecken“ auf der Karte. Die ehrenamtliche Pilzberatung werde hauptsächlich durch Mitglieder des Landesverbandes der Pilzsachverständigen geleistet. Die meisten seien zwischen 60 und 70 Jahre alt, junge Sachverständige kämen kaum nach. Helbig und seine Mitstreiter erwarten deshalb mehr Unterstützung vom Land. (dpa)

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