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Fahndungsplakat der RAF.

© Imago/Gottfried Czepluch (Bearbeitung: Tagesspiegel)

25 Jahre Selbstauflösung der RAF: Wie haben die Terroristen Deutschland verändert?

Attentate, Geiselnahme, Mord: Vor 25 Jahren gab die „Rote Armee Fraktion“ ihre Auflösung bekannt. Doch das Erbe der Linksextremisten prägt die Bundesrepublik bis heute.

1 Das Erbe

Man könnte es als Ironie der Geschichte betrachten: Die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) wollte dem bundesdeutschen Staat die „demokratische Maske“ herunterreißen, ihn schwächen und „die Fratze des Faschismus hervorbomben“.

Stattdessen dürften die Morde und Geiselnahmen, die Sprengstoffattentate und Banküberfälle der 1970 gegründeten linksextremistischen Gruppe eher zu einer Stärkung des deutschen Rechtsstaates und seiner Institutionen geführt haben. Auch durch politisch umstrittene Maßnahmen, die die Grundrechte der Bevölkerung berührten und größtenteils immer noch Bestand haben.

25 Jahre ist es am 20. April her, dass die RAF ihre Selbstauflösung bekanntgab. Doch Auswirkungen des Kampfes gegen die Terrorgruppe prägt das Vorgehen von Polizei und Justiz in der Bundesrepublik bis heute.

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Die Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer prägte den „Deutschen Herbst“, eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

© dpa

So wird der 1976 zum Kampf gegen die RAF eingeführte Paragraf 129a (Bildung terroristischer Vereinigungen) heute unter anderem gegen so genannte Reichsbürger eingesetzt, die die Demokratie durch eine eigene Staatsform ersetzen wollen. Auch militante Islamisten wurden auf Grundlage dieses Paragrafen verurteilt.

Die in den 1970er Jahren mit Blick auf die RAF entwickelte Rasterfahndung, also das Speichern personenbezogener Daten und der Abgleich von Datenbanken durch die Polizei, wird ebenfalls bis heute praktiziert.

2 Das Trauma

Wohl jeder, der die 1970er Jahre in der Bundesrepublik erlebt hat, kann sich an die Atmosphäre der Verunsicherung und Bedrohung erinnern, die die Aktionen der RAF und die staatlichen Reaktionen darauf erzeugten. Die Taten der Gruppe fielen in eine Zeit, in der das Land politisch polarisiert war wie wohl kaum zuvor.

Denn die unter anderem von dem Kaufhaus-Brandstifter Andreas Baader, der Studentin Gudrun Ensslin und der Journalistin Ulrike Meinhof gegründete Gruppe sah sich als kommunistische, antiimperialistische Stadtguerilla, was vor allem anfangs in Teilen der gesellschaftskritischen Studentenbewegung und bei linksradikalen Gruppen auf Sympathie stieß.

Besonders zugespitzt hat sich die Lage im „Deutschen Herbst“ 1977, in dem die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs „Landshut“ und die Suizide führender Gründungsmitglieder der RAF im Gefängnis zu einer der schwersten politischen Krisen der Bundesrepublik führten. 

Bis Anfang der 90er Jahre, als eine inzwischen dritte Generation von RAF-Mitgliedern ihre letzten Anschläge verübte, hatten viele Teile der linken Szene ein ambivalentes Verhältnis zur RAF. Aus Sicht mancher Zeitzeugen hat das Trauma jener Zeit lange über das offizielle Ende der RAF hinaus nachgewirkt. „Die Wunde tut so lange weh, wie die offenen Fragen nicht geklärt sind“, wird der Journalist und Terrorismus-Experte Ulf G. Stuberger im 2018 veröffentlichten Sammelband „Die RAF – ein deutsches Trauma?“ zitiert. Er bezog sich sowohl auf die bis heute nicht ganz aufklärten Taten der Terroristen als auch die dadurch begründeten staatlichen Maßnahmen, die „eines autokratischen Staates und keiner Demokratie würdig“ seien.

3 Unvollendete Geschichte

Auch wenn die RAF als Organisation am 20. April 1998 ihre offizielle Auflösung verkündete und seitdem keine neuen Terrortaten mehr verübt hat, ist ihre Geschichte noch nicht abgeschlossen. Mehrere der Gruppe zugeschriebene Anschläge sind bis heute nicht aufgeklärt, darunter neun Morde. Nach mehreren ehemaligen Angehörigen, die in den 90er Jahren untergetaucht sind, wird nach wie vor gefahndet.

Nach einigen ehemaligen Mitgliedern der RAF wird weiter gefahndet, hier ein Polizeiplakat mit Fotos von Burkhard Garweg (rechts) und Ernst-Volker Staub (links).
Nach einigen ehemaligen Mitgliedern der RAF wird weiter gefahndet, hier ein Polizeiplakat mit Fotos von Burkhard Garweg (rechts) und Ernst-Volker Staub (links).

© picture alliance/dpa

Drei frühere RAF-Mitglieder stehen besonders im Fokus der Ermittler, weil sie verdächtigt werden, zwischen 1999 und 2016 eine Reihe von Raubüberfällen auf Supermärkte und Banken begangen zu haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Erst vor wenigen Wochen durchsuchten Ermittler deswegen die Wohnung der Schwester eines Verdächtigen in Frankfurt sowie ein von seinem Bruder genutztes Hotelzimmer in Hamburg.

Auch in der politischen Debatte lebt die RAF weiter, zumindest als Synonym für Gruppen, denen man extremistische Ansichten unterstellt. So warnten der frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und andere Unions- und AfD-Politiker mit Bezug auf radikale Klimaaktivisten, die zunehmend die Grauzone zur Gewalt austesten und Sabotageakte propagieren, vor einer „Klima-RAF“.

Als Reaktion darauf erklärte der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann die FDP und mehrere konservativ-liberale Journalisten zur „neuen RAF“ und zeigte in seiner Show ein Fahndungsplakat im Stil der 70er Jahre mit den Namen der Kritisierten.

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