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Sei kein Gorilla!

© Getty Images/Fiona Rogers

Welche Rolle Väter spielen sollten: Seid keine Gorillas!

Während viele (Möchtegern-)Papas sich am Vatertag betrinken, kümmern die Mamas sich um die Kinder. Kein Problem – wenn der Alte nicht auch an allen anderen Tagen durch Abwesenheit glänzt.

Ein Kommentar von Fabian Soethof

Am heutigen Donnerstag, exakt 40 Tage nach Ostersonntag, ist es wieder so weit: Tausende Menschen pilgern in die Kirchen dieses Landes, um „die Aufnahme und Erhöhung Jesu Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel“ zu feiern.

Beziehungsweise: Tausende Väter pilgern mit Bier und Bollerwagen durch die Parks und Naherholungsgebiete dieses Landes, um… Ja, warum eigentlich? Die Antwort ist profan. Sie tun es, um sich endlich mal mit ruhigem Gewissen dem Daydrinking hinzugeben, sich von der Arbeit zu „erholen“ und die eigene Familie Familie sein zu lassen.

Über den (abseits der christlichen Bedeutung) wahren Sinn oder Unsinn dieses gekaperten Feiertags denkt in diesen Stunden wohl niemand so recht nach. Und wenn doch, dann nur kurz: Der nächste Schnaps macht schließlich schon die Runde!

Damit mich niemand falsch versteht: Ich habe nichts gegen ein Bier zur Mittagszeit oder einen erlebnisreichen Tag mit Freunden. Was mich als Vater, der sich alltäglich zu gleichen Teilen um seine Kinder kümmert wie deren Mutter, über Jahre hinweg störte, war die vielleicht vorurteilsbeladene Beobachtung, wer dort um die Häuser zieht.

Warum kriegen Väter einen ganzen Tag frei, Mama am Muttertag aber nur einen Strauß Blumen?

Achtung, Klischee: Ich sehe unter anderem Typen, die nicht den Eindruck machen, jede Nacht selbstverständlich Windeln zu wechseln. Und ich kenne welche, die als Vollzeitmalocher ihre Familie auch an allen anderen Tagen in der Woche kaum zu Gesicht kriegen. Wofür genau lassen die sich feiern? Und warum kriegen sie einen ganzen Tag frei, Mama am Muttertag aber nur einen Strauß Blumen?

Himmelfahrtskommando. Männergruppe am Herrentag.

© picture alliance/dpa/Thomas Banneyer

Absurderweise sind es oftmals junge Männer ohne Kinder und mit viel Zeit, die den „Herrentag“ zum Saufen verwenden. Habe ich als 19-Jähriger auch gemacht. Hätte ich gewusst, wie anstrengend Vatersein einmal werden würde, ich hätte lieber vorgeschlafen.

Dass Männer mehrheitlich so sind, wie sie sind, heiße ich nicht gut, hat aber seine Gründe. In ihrem neuen Buch „Auf die Väter kommt es an“ schildert die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert, wie tief die Versorgerrolle in Männern verankert ist, obwohl es auch anders ginge: In Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften etwa hätten die Geschlechter einstmals egalitär zusammengelebt, weil der Beitrag aller gleich wichtig war. Während der Schwangerschaften der Frauen mussten die Männer aber öfter raus. Die Kinder derer, die besonders viel und gut jagten und sammelten, lebten länger – aber nicht, weil sie mehr hatten (der Ertrag wurde in der Gemeinschaft geteilt), sondern weil Papas sozialer Status stieg und deshalb sein Umfeld besser auf dessen Kinder achtete. Geboren war die Versorgerrolle.

Wer 364 Tage im Jahr anders lebt, darf am Vatertag gerne zwei Bier trinken

Anders unter Gorillas: Deren Männchen waren, so Ahnert, stets viel größer als die Weibchen, weil es darum ging, von möglichst vielen Müttern viel Nachwuchs zu produzieren, also die eigenen Gene zu verbreiten. Menschen hingegen seien, ob Mann oder Frau, vergleichsweise ähnlich groß. Monogamie habe sich hier wegen ihrer Möglichkeit zur emotionalen Bindung als sicherste Form des Zusammenlebens etabliert, um Nachfahren in die Welt zu setzen.

Fabian Soethofs Buch heißt „Väter können das auch! Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben“ (Kösel-Verlag, 240 Seiten, 18 Euro).

© Kösel Verlag

Mein Punkt ist: Nur weil es zu Urzeiten mal überlebenswichtig gewesen sein mag, der Größte, Stärkste und buchstäblich Geilste zu sein, darf dies nicht als Entschuldigung dafür herhalten, auch im Jahr 2023 noch den Macker raushängen zu lassen, der Kinder und Haushalt für Frauenkram hält. Wer dies versteht und 364 Tage im Jahr anders lebt, darf am Vatertag gerne trotzdem Bier trinken gehen – wenn er die freie Zeit nicht lieber mit seiner Familie verbringt.

Legt den Muttertag nicht auf einen Sonntag, sodass sie auch mal einen ganzen Tag ohne schlechtes Gewissen feiern und an sich denken kann!

Tagesspiegel-Autor Fabian Soethof

Natürlich hat die Evolution uns aus einstmals guten Gründen mit Verhaltensweisen und Instinkten ausgestattet, die wir nicht abschalten können. Aber wir können sie erkennen. Es kommt deshalb darauf an, was wir als Kultur daraus machen. Und da wir uns als Gesellschaft einig sind, zum Beispiel keine männlichen Raubtiere zu dulden, sollten wir es im nächsten Schritt doch logisch finden, Frauen auch abseits physischer oder verbaler Übergriffe nicht länger kleinzuhalten.

Ein erster Vorschlag: Legt den Muttertag nicht auf einen Sonntag, sodass sie auch mal einen ganzen Tag ohne schlechtes Gewissen feiern und an sich denken kann – bevor sie am nächsten Morgen womöglich wieder Brote schmieren und (natürlich leider nur) in Teilzeit arbeiten muss.

Besser noch: Sorgt gemeinsam dafür, dass ein Mutter- oder Vatertag zumindest bei Euch zu Hause gar nicht mehr nötig ist, weil alle Beteiligten auch im Rest des Jahres ausreichend Zeit für sich finden, womit auch immer die gefüllt wird. Muss ja kein Alkohol sein. Dann, ja dann müssten wir eines Tages nicht mehr an ein bis zwei Tagen im Jahr über Gleichberechtigung debattieren und sie danach wieder vergessen. Weil wir sie täglich leben, und das nicht nur zum Überleben. Sondern für ein gutes Leben. Amen. Und Prost!

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