zum Hauptinhalt
Ungarns Premier Viktor Orban.

© AFP/Miguel Medina

Update

Als Orban nicht im Raum war: EU-Gipfel macht Weg für Beitrittsgespräche mit Ukraine frei

Ungarns Premier hatte sich eigentlich gegen eine Aufnahme gestellt. Doch nun haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf Beitrittsgespräche mit der Ukraine geeinigt. Wie ist das gelungen?

| Update:

Der EU-Gipfel hat den Weg frei gemacht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Das schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Donnerstagabend auf der Plattform X, dem ehemaligen Twitter. „Der Europäische Rat hat beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldawien aufzunehmen“, hieß es.

Der EU-Gipfel habe zudem Georgien den Kandidatenstatus zuerkannt, schrieb Michel weiter. Mit Bosnien und Herzegowina werde die EU ebenfalls Verhandlungen aufnehmen, „sobald das erforderliche Maß an Beitrittskriterien erreicht ist“.

Die Einigung zu Beitrittsgesprächen mit der Ukraine kam überraschend, nachdem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zuvor noch seinen Widerstand angekündigt hatte. Er begründete dies mit Reformauflagen, die die Ukraine noch nicht erfüllt hat.

Nach Angaben aus EU-Kreisen wurde die Entscheidung getroffen, als Orban nicht im Raum war: Er verließ für die Entscheidung den Sitzungssaal, dies sei mit ihm abgesprochen gewesen. „26 andere Länder haben darauf bestanden, dass diese Entscheidung getroffen wird“, sagte der Ungar später dazu. „Daher hat Ungarn beschlossen, dass, wenn 26 andere Länder dies tun, sie ihren eigenen Weg gehen sollten.“

Orban spricht von „sinnloser“ Entscheidung

Er distanzierte sich von der EU-Gipfeleinigung und sprach in einem auf Facebook veröffentlichten Video von einer „völlig sinnlosen, irrationalen und falschen Entscheidung“. Er habe sich der Stimme enthalten. Der Beschluss zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen muss einstimmig von allen 27 EU-Mitgliedern getroffen werden. 

Der ungarische Premier verließ zur Abstimmung den Raum.

© AFP/Miguel Medina

Orban sei mit der Entscheidung zwar nicht einverstanden gewesen, sagte Irlands Regierungschef Leo Varadkar. Er habe aber beschlossen, sein Vetorecht nicht zu nutzen. „Wir haben nun diese Vereinbarung getroffen und Ungarn hat beschlossen, nicht zu blockieren.“ 

Womit man den ungarischen Premier vielleicht auch überzeugen hat können: Die EU-Kommission gab am Mittwoch in Brüssel gut zehn Milliarden Euro für Ungarn frei, die wegen Rechtsstaats-Mängeln in dem Land eingefroren waren.

Ich gratuliere jedem ukrainischen Mann und jeder ukrainischen Frau.

Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nicht locker gelassen und in einer Videoschalte beim EU-Gipfel erneut eindringlich für eine rasche Entscheidung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit seinem Land geworben.

Nach Bekanntgabe der Einigung äußerte er sich auf der Nachrichtenplattform X erfreut: „Ich danke allen, die für diese Lösung gearbeitet haben, danke allen, die geholfen haben. Ich gratuliere jedem ukrainischen Mann und jeder ukrainischen Frau. Ich gratuliere ganz Moldawien und Ihnen, Maye, persönlich. Geschichte wird von denen geschrieben, die nie müde werden, für die Freiheit zu kämpfen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein symbolischer Start

Befürworter einer positiven Entscheidung verwiesen beim Gipfel hingegen darauf, dass der Start von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem ein symbolischer Schritt sein soll.

„Es wird ohnehin viele Jahre dauern, bis der Beitritt stattfinden wird“, sagte beispielsweise der scheidende niederländische Regierungschef Mark Rutte zu Beginn des Gipfels. Es gehe darum, den nächsten Schritt für ein Land zu ermöglichen, das während eines Krieges, den es auch für die EU führe, extrem hart an Reformen arbeite.

Olaf Scholz beim EU-Gipfel

© Imago/Le Pictorium

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Entscheidung wiederum als „starkes Zeichen der Unterstützung“ für das von Russland angegriffene Land gewertet. Er begrüßte auch die gleichzeitig beschlossene Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Moldau. „Klar ist: Diese Länder gehören zur europäischen Familie.“

Dass die Kommission trotz noch nicht erfüllter Auflagen eine positive Empfehlung für die Ukraine abgegeben hatte, hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon vor einiger Zeit damit erklärt, dass die noch ausstehenden Reformen bereits auf den Weg gebracht seien.

Der Fortschritt, den wir in der Ukraine sehen, ist beeindruckend“, betonte sie damals. Sie sei der festen Überzeugung, dass dies die Ukraine auch in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg stärke.

Die Aufnahmeverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina hängen derweil von weiteren Reformschritten ab. Das Land war von der EU Ende vergangenen Jahres in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen worden. Grund dafür war auch die Sorge, dass sich das Balkanland mit etwa 3,2 Millionen Einwohnern ansonsten Richtung Russland oder China orientieren könnte. Bosnien-Herzegowina wartet bereits seit vielen Jahren auf die Mitgliedschaft in der EU. Vor allem Staaten wie Österreich hatten zuletzt darauf gedrungen, Bosnien-Herzegowina Fortschritte im Beitrittsprozess in Aussicht zu stellen.

Das an Russland grenzende Georgien mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern hatte kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann allerdings auch Georgien nicht hoffen - unter anderem wegen eines ungelösten Territorialkonflikts mit Russland. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. (dpa, Reuters, Tsp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false