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Das EU-Parlament hat sich für ein Sexkauf-Verbot nach dem sogenannten nordischen Modell ausgesprochen. Es entkriminalisiert Prostitution, stellt aber den Sexkauf unter Strafe.

© mauritius images/Richard Wayman/Alamy, Bearbeitung: TSP

Debatte über einheitliche Regeln für Prostitution: Was kann ein Verbot von käuflichem Sex bewirken?

Das EU-Parlament fordert Staaten auf, künftig Sexkäufer zu bestrafen statt Sexarbeiter. Doch es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, ob das der richtige Weg ist.

Es war eine umstrittene Entscheidung: Im September sprach sich eine knappe Mehrheit des EU-Parlaments für ein Sexkauf-Verbot nach dem sogenannten nordischen Modell aus. In einer Resolution verlangten die Abgeordneten einheitliche Regeln für Prostitution in den EU-Staaten und forderten die Mitgliedsländer auf, Prostitution zu entkriminalisieren, den Sexkauf jedoch unter Strafe zu stellen.

Seit 2002 gilt Prostitution in Deutschland gesetzlich nicht mehr als sittenwidrig. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, fordert einen „Paradigmen-Wechsel“. Sie sagt, Deutschland habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zum „Bordell Europas“ entwickelt. Kritiker:innen des nordischen Modells warnen indes, dass Prostitution durch ein Sexkauf-Verbot in ein gefährliches Dunkelfeld gedrängt werde. In unserer Serie „3 auf 1“ geben drei Expert:innen eine Einschätzung dazu, wie die Erfahrungen in anderen Ländern sind. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Freier-Bestrafung schützt Frauen in Not

Fast 25 Jahre nach Einführung des Sexkauf-Verbots wissen die betroffenen Frauen, dass der schwedische Staat auf ihrer Seite steht, und dass der Sexkäufer eine Straftat begeht. Die Behörden arbeiten eng mit den Sozialdiensten zusammen, organisieren Unterkünfte und unterstützen insbesondere ausländische Opfer von Menschenhandel juristisch in Asyl- und anderen Rechtsfragen.

Sexkauf ist ein geschlechtsspezifisches Problem: Während 10 Prozent der Männer schon einmal für Sex bezahlt haben, sind es nur 0,5 Prozent der Frauen. Eine Studie der Gleichstellungsbehörde ergab 2021, dass mehr als 80 Prozent der Betroffenen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Sex unter Druck gesetzt worden sind oder Straftaten ausgesetzt waren. Eine Mehrheit gab an, Erfahrungen mit Grenzüberschreitungen, Nötigung und verschiedenen Arten von Gewalt gemacht zu haben.

Das Gesetz von 1999 hatte auch eine normative Wirkung: Vor seiner Einführung waren laut einer Umfrage 67 Prozent gegen eine Kriminalisierung. Schon 2002 hat sich die Wahrnehmung grundlegend gewandelt: Drei Viertel der Befragten befürworteten die Freier-Bestrafung. Heute ist es in Schweden allgemein nicht mehr akzeptiert, Sex zu kaufen.

Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Straßenprostitution seit 1999 halbiert hat, zugleich hat die Verfügbarkeit über Anzeigen für sexuelle Dienstleistungen im Internet zugenommen. Erhebungen zeigen jedoch auch, dass die Zahl der in der Prostitution Tätigen nicht gestiegen ist.


Legale Bordelle bieten einen guten Schutzraum

Zahlreiche Studien und Untersuchungen in den vergangenen Jahren zeigen: Kein Versuch, Prostitution zu verbieten, hat dazu geführt, dass Sexarbeit verschwand. Solche Verbote gehen auch nicht auf die Bedürfnisse von ausgebeuteten Sexarbeitenden ein. Für viele Menschen bleibt Prostitution aus verschiedenen Gründen eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen.

Abschreckende Maßnahmen, wie die Verhaftung von Prostituierten, von denen, die sie unterstützen oder auch von Sexkäufern, nehmen den Sexarbeitenden wichtige Werkzeuge, die sie brauchen, um ihr Arbeitsumfeld zu organisieren oder um Hilfe zu bekommen.

Je schwieriger es wird, Kunden zu bekommen, umso größer wird der Druck, illegale Wege zu gehen oder gleich ganz auf Sicherheiten zu verzichten.

Meine eigenen Untersuchungen zeigen, dass legale, organisierte Bordelle einen guten Schutzraum für Sexarbeitende bieten. Und dann brauchen sie die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer. Hier sollte der Gesetzgeber ansetzen, anstatt gegen die Sexarbeitenden zu agieren.


Es braucht eine einheitliche Regelung innerhalb der EU

Hinter Prostitution verbergen sich häufig sowohl die Organisierte Kriminalität als auch ein komplexes Gewaltsystem, geprägt von Abhängigkeit, Erpressung und Missbrauch. Eine regulierte Prostitution fördert diese Strukturen unter dem Deckmantel des Legalen.

Das Europäische Parlament erkennt an, dass Prostitution die Menschenwürde von Prostituierten verletzt. Es fordert daher die Mitgliedstaaten auf, den Sexkauf unter Strafe zu stellen. Dadurch ändern sich die Machtverhältnisse. Die Rechte der Prostituierten werden maßgeblich gestärkt.

Ein Verbot schafft effizientere Mittel zur Vermeidung von Missbrauch und Ausbeutung und schützt potenzielle Opfer somit besser. Es erweitert auch den Handlungsraum der Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen den grenzüberschreitenden Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und ihre Zugriffsmöglichkeiten.

Nicht zuletzt ist es ein guter Schritt zur Bildung eines zusammenwachsenden Europas und seiner Werte: der Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und der Menschenrechte.

Durch das sogenannte nordische Modell entsteht keineswegs ein höheres Dunkelfeld. Auch die Vergewaltigungsraten steigen dadurch nicht an. Das Dunkelfeld sehen wir in Deutschland bei 90 Prozent der Prostituierten, höher geht es gar nicht. Und sexuelle Gewalt von Männern reduziert sich nachweislich in einer Gesellschaft, in der sexuelle Handlungen bei Frauen nicht mehr käuflich sind.

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