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Schweden kann nach einer Koran-Verbrennung in Stockholm nach Aussage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht mit einer Unterstützung der Türkei für einen Nato-Beitritt rechnen.

© AP/dpa/Turkish Presidency/Uncredited

Eine Gefahr für die Nato?: „Erdogan weiß um das Gewicht der Türkei – und spielt damit“

Die Türkei blockiert den Beitritt Schwedens in die Verteidigungsallianz. Drei Experten schätzen ein, welche Konsequenzen das hat.

Die Türkei ist unter Präsident Recep Tayyip Erdogan ein – vorsichtig formuliert – sperriger Partner innerhalb der Nato. Immer wieder drohen die bilateralen Spannungen mit Griechenland den Zusammenhalt der Allianz zu beeinträchtigen.

Die türkische Politik gegenüber kurdischen Milizen in Syrien, die im Sinne der Nato gegen den Islamischen Staat vorgingen, sorgte 2019 für Verwerfungen mit Präsident Emmanuel Macron und zurzeit hält die türkische Konditionalisierung des finnischen und schwedischen Beitrittswunsches die Allianz in Atem.

Zwei Argumente sollten aber Kritiker Erdogans zurückhaltend sein lassen, Sanktionen oder gar den Austritt Ankaras aus der Allianz zu fordern: Zum einen verfügt die Türkei mit 525.000 Soldaten über die zweitgrößte Armee in der Nato. Bündnisverteidigung wird daher ohne Ankara schwer möglich sein.

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Zum anderen ist Erdogan einer der wenigen Staats- und Regierungschefs, die Präsident Wladimir Putin ernst nimmt und mit dem er einen regelmäßigen Dialog pflegt. Das könnte sich bei den westlichen Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges noch als nützlich erweisen.


Ich glaube nicht, dass die Türkei oder Erdogan zu diesem Zeitpunkt eine Gefahr für die Nato sind. Für die Nato ist die Blockade Ankaras vor allem sehr unangenehm. Denn strategisch gesehen ist die Türkei allein aufgrund ihrer geografischen Lage ausgesprochen wichtig. Außerdem verfügt sie über eine große Armee. Erdogan weiß um das Gewicht der Türkei – und spielt damit.

Die Frage ist nur, wann er sich so sehr in eine Ecke manövriert, dass er da allein nicht mehr rauskommt. Derzeit sehen wir, dass die Politik der offenen Türen bei der Nato in einer Krise ist. Eigentlich sind sich fast alle Mitgliedsländer einig, nur einzelne Staaten blockieren. Das ist aber kein neues Phänomen.

Nicht nur die Türkei spielt solche Spiele bei Beitrittsverhandlungen.

Minna Ålander

Griechenland hat den Beitritt Nordmazedoniens fast zehn Jahre lang blockiert, bis das Land sich umbenannt hat. Dabei hatte die Namensänderung nichts mit Verteidigungspolitik zu tun. Also nicht nur die Türkei spielt solche Spiele bei Beitrittsverhandlungen. Wenn es das Einstimmigkeitsprinzip gibt, kann auch ein Staat die Aufnahme blockieren.


Das Grundproblem ist: In der Türkei gibt es schon seit Jahrzehnten eine Anti-Nato-Mentalität – davon ist Erdogan geprägt. Die Türkei ist zwar Mitglied des Militärbündnisses, hat sich aber selbst nach dem Ende des Kalten Krieges einer Demokratisierung heftig widersetzt – und sich stets auf seinen „besonderen geopolitischen Status“ berufen.

Zudem war der Putschversuch von 2016 eine Zäsur – das Militär wurde massenhaft von Nato-freundlichen Offizieren „gesäubert“. Inzwischen wird die Führungsspitze der Türkei von einer Anti-Nato-Fraktion dominiert. Die Frage war also nicht, ob, sondern wann es zu einer Konfrontation mit der Nato kommen würde.

Als Erdogan eine Allianz mit den sogenannten eurasischen Kreisen in Behörden und Politik schmiedete, wurde klar: Um sein politisches Überleben zu sichern und die Forderungen seiner Verbündeten zu erfüllen – die Türkei solle zum Westen auf Distanz gehen –, ist Erdogan entschlossen, die Nato an die Grenzen ihrer Geduld zu bringen.

Bislang war er eine Herausforderung für das Bündnis. Jetzt aber, in einer sich entwickelnden „Weltunordnung“, stellt Erdogan eine ernsthafte Bedrohung dar.

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