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Gipfeltreffen in Ankara: Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson wirbt um die türkische Zustimmung zum Nato-Beitritt.

© Reuters/Murat Cetinmuhurdar

Erdoğan blockiert Nato-Beitritt : Ohne Schweden ist das Baltikum nicht zu schützen

Neuer Einsatz im Nato-Poker: Der türkische Präsident Erdoğan knüpft Schwedens Mitgliedschaft an neue EU-Beitrittsgespräche. Wo das Bündnis ohne Stockholm besonders angreifbar ist.

Ein Gastbeitrag von Mats Engström

In Vilnius wollen die Staats- und Regierungschefs der Nato zeigen, dass der Westen gegenüber Russland weiterhin geschlossen auftritt. Doch der Widerstand der Türkei gegen einen Beitritt Schwedens spricht eine andere Sprache.

Die Regierung von Ulf Kristersson in Stockholm ist weit gegangen, um Recep Tayyip Erdoğan zu besänftigen – sie hat die Anti-Terror-Gesetzgebung verschärft und Waffenexporte erlaubt. Doch am Vorabend des Gipfels lautet die Antwort aus Ankara noch immer „Nein“.

Dabei braucht die Nato Schweden aus vielen Gründen. Die Verteidigung der baltischen Republiken und Finnlands ist ohne die Nutzung des schwedischen Territoriums kaum möglich und nur als Vollmitglied der Allianz wird das Land voll in die Verteidigungsplanung einbezogen.

Schweden verfügt über Luftstreitkräfte und U-Boote, die die militärische Stärke des Bündnisses erhöhen würden.

Schwedische Einsätze auf dem westlichen Balkan, in Afrika und in Afghanistan haben gezeigt, dass das Land sowohl zur Konfliktverhütung als auch zum Kampfeinsatz fähig ist.

Sollte der Beitritt Schwedens weiterhin blockiert werden, obwohl alle Beitrittskriterien der Nato erfüllt sind, würde auch die sogenannte Politik der offenen Tür – der freie Zugang zum Bündnis – an Glaubwürdigkeit verlieren.

In Schweden hingegen ist die Unterstützung für eine Nato-Mitgliedschaft ungebrochen. Aber die Menschen im Land sind dagegen, Schwedens Menschenrechtsbilanz aufs Spiel zu setzen, um Erdoğan zu besänftigen.

In der kurzen öffentlichen Debatte, die dem Beitrittsgesuch vorausging, wurden dagegen andere Themen kaum diskutiert: die Risiken eines Konflikts um Taiwan oder eine nukleare Abschreckungspolitik.

Es muss aber auch klar sein, dass die öffentliche Unterstützung in Schweden keine Selbstverständlichkeit ist. Sollte das türkische Beitrittsdebakel über den Nato-Gipfel in Vilnius hinausgehen oder Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden, dürfte die Zustimmung zum Bündnis im Land schwinden.

Die Nato hat jetzt die historische Chance, die sicherheitspolitische Landkarte in Nordeuropa neu zu zeichnen. Mit einem anderen US-Präsidenten oder einer zerfallenden Atommacht Russland könnte die Situation schon wieder anders aussehen.

Die vielen Gespräche in Lettland hingegen könnten dazu führen, dass bald die schwedische Flagge vor dem Nato-Hauptquartier gehisst wird. Dann muss über die Position der Nato im Norden diskutiert werden.

Oder Erdoğans destruktives „Nein“ wiederholt sich. Dann könnte die Nato ihre Glaubwürdigkeit verlieren – nicht nur in Schweden.

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