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Dieses undatierte, von der griechischen Küstenwache am 14.06.2023 zur Verfügung gestellte Bild zeigt zahlreiche Menschen, auf dem Deck eines Fischerboots, das später vor Südgriechenland kenterte und sank.

© dpa/Hellenic Coast Guard/AP

Update

Bootsunglück vor Griechenland: Bis zu 100 Kinder unter Deck des gesunkenen Schiffs befürchtet

Ein Fischkutter mit bis zu 750 Menschen an Bord ist vor Griechenland gekentert. Bislang gibt es nur etwa 100 Überlebende. Die Suche wird wohl im Laufe des Tages eingestellt.

Von George Tsakiris

| Update:

Nach dem schweren Bootsunglück mit vermutlich Hunderten Toten Migranten im Mittelmeer gibt es praktisch keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden.

Das Suchgebiet in den Gewässern südwestlich von Griechenland wurde am Freitag nochmals ausgeweitet, wie die Küstenwache mitteilte. Nach Medienberichten soll die Suche im Lauf des Tages aber eingestellt werden.

Gegenüber der britischen BBC erklärte ein leitender Arzt des Krankenhauses in der Hafenstadt Kalamata, dass sich bis zu 100 Kinder auf dem Schiff befunden hätten.

„Die Überlebenden sagten uns, dass sich Kinder auf dem Boden des Schiffes befanden. Kinder und Frauen“, wird Manolis Makaris, Leiter der Kardiologie, zitiert. Zwei Patienten hätten ihm geschätzte Zahlen genannt, heißt es in dem Bericht weiter.

Einer der Überlebenden habe ihm von 100 Kindern, der andere von 50 berichtet. „Ich kenne also nicht die Wahrheit, aber es sind viele“, sagt Makaris.

Am Donnerstagabend waren von den 104 Überlebenden neun Verdächtige in Kalamata festgenommen worden. Die Ägypter gelten als mutmaßliche Schleuser und Organisatoren der Unglücksfahrt.

„Wir kennen diese Art von Schiffen und gehen deshalb von Hunderten Passagieren aus“, sagte am Mittwoch ein hochrangiger Beamter der griechischen Küstenwache dem Tagesspiegel. „Das Boot, das auf dem Weg nach Italien war, wurde am späten Dienstagabend in internationalen Gewässern von einer Drohne der EU-Grenzschutzagentur Frontex und zwei Schiffen in der Nähe gesichtet.“ Die Wetterverhältnisse waren gut und die See ruhig.

Das Schiff sank in internationalen Gewässern, nahe Griechenland.
Das Schiff sank in internationalen Gewässern, nahe Griechenland.

© dpa/dpa-infografik GmbH

Die Geflüchteten hätten die von der Küstenwache angebotene Hilfe abgelehnt, mit der Begründung „Wir wollen nach Italien“. Dem Beamten zufolge sei die Patrouille daraufhin in der Nähe geblieben. Nur wenige Stunden später sei das Boot gekentert und gesunken, was eine umfassende Such- und Rettungsaktion auslöste.

Wie viele Menschen waren an Bord?

Wäre die griechische Küstenwache nicht in der Nähe gewesen, hätten vermutlich nicht einmal die 104 Geretteten eine Chance gehabt zu überleben, und alle wären ertrunken, sagte der Beamte. „Niemand auf dem Schiff hat eine Schwimmweste getragen.“

Die 104 Überlebenden des Schiffbruchs von Pylos wurden in den nächstgelegenen großen Hafen der Stadt Kalamata gebracht. Zweiundzwanzig von ihnen wurden mit Fieber und Dehydrierung ins Krankenhaus gebracht, aber ihr Zustand ist nicht kritisch.

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Als Frontex und die griechischen Behörden sich über Funk an sie wandten, wollten sie höchstwahrscheinlich deshalb keine Hilfe annehmen, weil die Schmuggler nicht bezahlt werden, wenn die Asylsuchenden ihr endgültiges Ziel nicht erreichen. Die Zahlungen erfolgen über das Hawala-System und den Austausch von Codes zwischen den Schleppern und den Migranten. Der letzte Code mit der endgültigen Zahlung hätte gesendet werden müssen, wenn die Migranten Italien erreicht hätten. Das taten sie aber nicht.

Sechs Schiffe der Küstenwache, eine Fregatte der Marine, ein Militärtransporter und ein Hubschrauber der Luftwaffe sowie mehrere private Boote beteiligten sich an der Suche nach weiteren Opfern. Unbestätigten Berichten zufolge sollen zwischen 400 und 650 Personen vermisst sein.

3.000
Meter tief ist das Mittelmeer im Bereich der Unglücksstelle.

Die Organisation „Alarm Phone“, die Migranten bei der Überquerung des Mittelmeers unterstützt, gibt an, dass sie mit ihnen in Kontakt stand und dass sich etwa 750 an Bord befanden.

Großeinsatz vor der griechischen Küste

Wie ein Beamter der griechischen Marine gegenüber dem Tagesspiegel erklärte, beträgt die Tiefe im Bereich des Schiffswracks mehr als 3.000 Meter. „Die genaue Zahl der Opfer werden wir deshalb nie herausfinden“, lautet seine düstere Einschätzung.

Das 30 Meter lange Fischerboot war aus der libyschen Stadt Tobruk, die südlich der griechischen Insel Kreta liegt, in der Nacht ausgelaufen. An Bord befanden sich überwiegend junge Männer um die zwanzig, vor allem aus Syrien, Pakistan und Ägypten. Es waren aber auch einige Frauen und Minderjährige an Bord. Einige von ihnen sagten den Behörden, der Kapitän habe das Boot mit einem kleinen Beiboot verlassen.

Nach Angaben von Beobachtergruppen wie „Mission Migrants Project“ sind seit 2014 mehr als 26.000 Migranten im Mittelmeer gestorben oder als vermisst gemeldet worden. Darunter auch die 700, die bei der Tragödie von Lampedusa im April 2015 ums Leben kamen.

Im März wurden die Leichen von 59 Migranten an der Küste von Cutro in Ostitalien gefunden. Ihr Boot befand sich auf einer ähnlichen Route wie das Schiffswrack von Pylos. Es war die größte Tragödie des Jahres 2023. Bis zu diesem Mittwoch.

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