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Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.

© Reuters/KCNA

Im Panzerzug zu Putin: Kim bietet Granaten für Nahrungsmittel

Nordkoreas Kim Jong-un ist für ein Treffen mit Wladimir Putin nach Russland gereist. Ein nahender Waffendeal sorgt international für Empörung – auch weil er für die zwei beteiligten Staaten ein gutes Geschäft bedeuten könnte.

Die Fahrt von Kim Jong Un in Richtung Norden wurde eng verfolgt. „Der Spezialzug von Nordkoreas Staatsführer ist wohl nach Russland abgefahren“, titelte Yonhap, Südkoreas führende Nachrichtenagentur, am Sonntag mit Verweis auf Geheimdienstquellen.

Einen Tag später, als die rund 20-stündige Zugreise von Pjöngjang in den Nordosten Russlands vollbracht war, legte die Agentur nach: „Nordkoreas Kim trifft für einen seltenen Gipfel mit Putin in Russland ein.“ Auch Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA meldete mit zwei Tagen Verspätung, dass Kim sich am Sonntagnachmittag in seinem Privatzug zusammen mit Parteimitgliedern, Militärs und Regierungsmitarbeitern nach Russland aufgemacht habe.

Datum und Ort sind unbekannt

Wenig ist über das Treffen der beiden Staatsführer bekannt: Aus Sicherheitsgründen sind der genaue Ort und das Datum geheim. Anzunehmen ist jedoch, dass sich Kim und Putin am Rande eines Wirtschaftsgipfels in Wladiwostok treffen könnten.

Kremlsprecher Dimitri Peskow deutete an, dass die Gespräche „in diesen Tagen“ stattfinden und offenbar auch Russlands Verteidigungsminister Sergei Shoigu daran teilnehmen soll.

Der Zug des nordkoreanischen Führers Kim Jong Un ist auf den Bahngleisen in der Region Primorski Krai, Russland zu sehen.
Der Zug des nordkoreanischen Führers Kim Jong Un ist auf den Bahngleisen in der Region Primorski Krai, Russland zu sehen.

© IMAGO/SNA/imago

Wie und ob die Öffentlichkeit Details über die Ergebnisse erfahren wird, bleibt abzuwarten. Die USA und Südkorea gehen jedoch davon aus, dass Nordkorea und Russland ein Abkommen abschließen werden, um Putins mäßig erfolgreichen Krieg in der Ukraine zu finanzieren und zugleich die darniederliegende Volkswirtschaft Nordkoreas zu stärken.

Bereits seit rund einem Jahr wirft Washington Pjöngjang vor, den russischen Angriff auf die Ukraine militärisch unterstützt, was jedoch dementiert wird.

Die UN-Sanktionen gegenüber Nordkorea, die 2017 auch Russland mittrug, verbieten Waffendeals. „Wir drängen die Demokratische Volksrepublik Korea (Anm.: Nordkorea) dazu, sich an die öffentlichen Verpflichtungen zu halten, die Pjöngjang gemacht hat, keine Waffen an Russland zu geben oder zu verkaufen“, sagte Adrienne Watson, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats des US-Präsidenten.

Wer will was?

Dabei würden beide international sanktionierte Staaten – Russland wie Nordkorea – gerade jetzt von einem Abkommen profitieren.

„Russland könnte eine größere Zahl Granaten der Kaliber 122 und 152 Millimeter oder Teile der sowjetischen Panzer T-52 und T-62 kaufen“, sagt Vladimir Tikhonov, Professor für Koreanistik an der Universität Oslo und Experte sowohl für Nordkorea als auch die Sowjetunion.

„Nordkorea produziert all diese Dinge in großen Mengen.“ In Russland wiederum fehlen sie derzeit akut im Krieg gegen die Ukraine.

Tikhonov betont, dass über die abzunehmenden Mengen und die Preise nur spekuliert werden könne. Allerdings gebe es Anhaltspunkte: „Eine Artilleriegranate kostet auf dem EU-Markt um die 2000 Euro. Wir können davon ausgehen, dass die Preise bei einem Deal zwischen Russland und Nordkorea vergleichbar sind, wenn auch etwas niedriger.“

200
Millionen Euro würde Nordkorea dann bei 100.000 Grananten einnehmen.

„Nordkoreas Gesamtexporte im Jahr 2022 lagen bei rund 304 Millionen US-Dollar. Es wäre also ein großes Geschäft für Nordkorea.“

Ein Deal gäbe Nordkoreas Führung etwas Raum zum Durchatmen.

Park Sangin, Wirtschaftsprofessor an der Seoul National University

Kim Jong Un könnte zudem versuchen, sich russische Unterstützung beim Aufbau seiner U-Bootflotte zu sichern. „Nordkorea wünscht sich wohl, Atom-U-Boote zu haben“, so Tikhonov. Erst vergangene Woche hatte das Regime ein solches präsentiert.

Nun sollen möglichst viele der 64 bis 86 U-Boote, über die Nordkorea laut dem US-amerikanischen Thinktank Nuclear Threat Initiative verfügt, entsprechend aufgerüstet werden. Solche U-Boote könnten die Küste der USA erreichen, ohne auftanken zu müssen. Auch Hilfe bei Satellitentechnologie ist wohl auf Pjöngjangs Wunschliste.

„Falls ein Deal auch landwirtschaftliche Güter und Lebensmittel beinhaltet, wird das Leiden der Bevölkerung in Nordkorea gemindert“, fügt Park Sangin hinzu, Wirtschaftsprofessor an der Seoul National University. „Dies gäbe Nordkoreas Führung etwas Raum zum Durchatmen.“

Die UN-Sanktionen sind seit Jahren in Nordkoreas Volkswirtschaft spürbar. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie schottete Kim sein Land noch stärker ab, ließ die Grenzen zu den Nachbarländern China und Russland schließen. Erst vor kurzem wurden sie wieder geöffnet. Die Ernährungslage im Land ist den Vereinten Nationen zufolge höchst angespannt.

Aus der Sicht von Russlands Präsident Wladimir Putin spielt ein Deal mit Nordkorea offenbar eine weitere Erwägung eine Rolle. „Es sieht so aus, als würde Russland diese Option nutzen, um Südkorea davon abzuhalten, Waffen an die Ukraine zu liefern“, vermutet Park.

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