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Wladlen Tatarski starb am Sonntag in St. Petersburg.

© Imago/Tass/Alexander Demianchuk

Update

Kreml präsentiert Tatverdächtige: War der Mord am Militärblogger eine Warnung an Prigoschin?

Die Behörden werfen einer 26-Jährigen vor, Wladlen Tatarski in einem Café in St. Petersburg am Sonntag ermordet zu haben. Russlands Regierung macht die Ukraine verantwortlich.

| Update:

Einer der bekanntesten russischen Militärblogger fand seinen Tod weitab von der ukrainischen Front in einem Café in St. Petersburg. Der 40-jährige Maksim Fomin, der seinen Kampfnamen Wladlen Tatarski von dem russischen Revolutionsführer Wladimir Iljitsch Lenin abgeleitet hatte, starb am Sonntagabend bei einer Bombenexplosion.

Nur wenige Stunden später führten die Sicherheitsbehörden die 26-jährige Darja Trepowa in einem Vernehmungsvideo in den sozialen Netzwerken als Tatverdächtige vor. Sie bestritt darin die Verantwortung für den Anschlag. Sie sei als Botin für den Sprengsatz benutzt worden, der in einer Gipfsfigur versteckt war, ohne dass sie davon Kenntnis hatte.

Fomin war eine prominente Figur in der ultranationalistischen Szene der Militärblogger, die die russische Armeeführung oft scharf für deren Fehlschläge im Krieg gegen die Ukraine kritisiert und eine Eskalation der Kampfhandlungen fordert. In St. Petersburg wollte er über seine Erfahrungen als Kriegsberichterstatter erzählen.

Das Café „Fast Food Bar No. 1“ gehört dem Söldnerführer Jewgeni Prigoschin, dessen Wagner-Gruppe an den heftigsten Kämpfen in der Ukraine beteiligt ist. In den vergangenen Monaten fanden in dem Café Diskussionsrunden unter dem Titel „Cyberfront Z“ statt. Das Z steht als Symbol für die russische Aggression in der Ukraine.

Sprengsatz offenbar durch Fernzündung ausgelöst

Videoaufnahmen zeigen mutmaßlich Trepowa, wie sie Fomin die Gipsfigur übergibt, die den Kriegskorrespondenten darstellte. Der Sprengsatz wurde offenbar durch Fernzündung ausgelöst. 32 Personen wurden verletzt, acht von ihnen befanden sich am Montag in kritischem Zustand.

Fomin stammt aus Makijiwka, einer Bergbaustadt im Osten der Ukraine. Wegen eines Bankraubes hatte er eine mehrjährige Gefängnisstrafe zu verbüßen.

Als die Separatisten im Frühjahr 2014 ihren Kampf gegen die ukrainische Regierung begannen, habe er aus der Haft fliehen können, erzählte Fomin früher selbst. Danach schloss er sich der von Russland unterstützten Miliz im Gebiet Donezk an. Seinen Blog im Onlinekanal Telegram bestückte er seit 2019 mit Berichten aus den Separatistengebieten, vor allem von den Einsätzen des Bataillons „Wostok“.

Nawalny-Team macht FSB verantwortlich

Die russische Außenamtssprecherin wie auch andere offizielle russische Stellen beschuldigten die Ukraine, das Attentat organisiert zu haben. Das US-amerikanische „Institute for the Study of War“ (ISW) mutmaßt jedoch am Montag, der Anschlag könnte einen innerrussischen Hintergrund haben und Teil einer Kampagne sein, um den Konflikt zwischen der Wagner-Gruppe und dem Kreml zu verschärfen.

Dafür spricht dem ISW zufolge, dass Fomin am Tag des Attentats zuvor bereits auf einem ähnlichen Termin war – er aber im Café Prigoschins ermordet wurde. Somit könnte der Mord auch eine Warnung an den Söldnerführer gewesen sein.

Die 26-jährige Frau, die in Haft sitzt, soll dem russischen Anti-Terror-Komitee zufolge in Verbindung mit dem Team des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny stehen. Das wies die Vorwürfe kategorisch zurück.

Verantwortlich für die Ermordung des Propagandisten seien vielmehr Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB, teilten die im Exil im Ausland lebenden Oppositionellen Iwan Schdanow und Leonid Wolkow am Montag mit. Wolkow meinte, dass die „allmächtigen Geheimdienstler“ sonst die Lage im Griff hätten, nun hätten sie aber ausgerechnet im Zentrum von St. Petersburg am helllichten Tage so etwas zugelassen – das spreche für den FSB als Verantwortlichen.

Putin zeichnet Tatarski postum mit Orden aus

Schon seit Jahren versuche der Machtapparat, der Opposition Terror anzuhängen, sagte Schdanow. Entsprechende Vorwürfe des Anti-Terror-Komitees sind insofern heikel, als sich Nawalny bald in einem neuen Strafverfahren wegen Extremismus verantworten muss. Für die russischen Ermittler sei der Vorwurf einer Tatbeteiligung der Opposition an dem Mord insofern bequem, als Nawalny so zur Höchststrafe wegen Terrors verurteilt werden könne, sagte Schdanow.

Kremlchef Wladimir Putin hat Tatarski „für Mut und Kühnheit, die er bei der Erfüllung seiner beruflichen Pflichten demonstriert hat“ postum mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Dekret. (mit dpa)

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